3740/AB XX.GP

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 3787/J - NR/1998 betreffend Vermittlung von kroa -

tischen und türkischen Sätzen im Deutschunterricht, die die Abgeordneten Mag. Johann Ewald

Stadler und Kollegen am 27. Februar 1998 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:

1. Ist Ihnen der oben dargestellte Sachverhalt bekannt?

Wenn ja, aus welchen Gründen wird den Schülern im Lesebuch der “Lesefuchs 2”

anstelle der deutschen Sprache seitenweise die kroatische und die türkische Sprache

beigebracht?

Antwort:

Das für die 2. Klasse der Volksschulen approbierte Lesebuch "Lesefuchs 2" entspricht dem

Deutschlehrplan für die 2. Schulstufe. Es berücksichtigt durch die fallweise Einbeziehung der

genannten Sprachen auch das Unterrichtsprinzip “Interkulturelles Lernen", dessen Ziel es ist,

“einen Beitrag zum besseren gegenseitigen Verständnis zum Erkennen von Gemeinsamkeiten

und zum Abbau von Vorurteilen” zu leisten.

Die Anwesenheit von Schüler/innen mit türkischer oder bosnischer/kroatischer/serbischer Mutter -

sprache an Österreichs Schulen ist eine Tatsache. Das Vorhandensein der von ihnen gesprochenen

Sprachen in einem Schulbuch und die damit einhergehende Wertschätzung dieser Sprachen er -

leichtert den betroffenen Kindern zweifellos die Identifikation mit dem österreichischen Schulwe -

sen und damit längerfristig ihre Integration.

Den Kindern mit deutscher Muttersprache wird dabei keineswegs die kroatische oder türkische

Sprache beigebracht. Sie lernen die Existenz anderer Sprachen als Gegebenheit in unserer Gesell -

schaft kennen und erfassen, dass die Kommunikation unter Menschen durch die Kenntnis von

einzelnen Begriffen und Ausdrücken gefördert werden kann

2. Aus welchen Gründen werden diese türkischen und kroatischen Sätze ausgerechnet im

Deutschunterricht den Schülern beigebracht?

Antwort:

Kein deutschsprachiges Kind wird gezwungen, die in der Anfrage zitierten Sätze zu lesen. Zum

einen wählt die Lehrerkonferenz aus einer Vielzahl von zugelassenen Lesebüchern aus (d.h sie

muss sich nicht für den "Lesefuchs 2” entscheiden), zum anderen müssen auch nicht alle Seiten

eines Lehrbuches Gegenstand der Unterrichtsaktivitäten sein. Ein Lehrbuch macht Angebote, aus

denen die Lehrkraft auswählt.

Gerade Kinder im Volksschulalter lieben es, mit Sprache zu spielen. In der Regel zeigen sie

großes Interesse an fremden Sprachen oder sogar Schriften. Die Fähigkeit, einige Wörter oder

einen Zungenbrecher in einer Fremdsprache aufzusagen, behindert kein Kind in seiner

(mutter)sprachlichen Entwicklung. Einschlägige Forschungsergebnisse aus dem In - und Ausland

beweisen, dass unter geeigneten Rahmenbedingungen die Entwicklung der Erstsprache in keinster

Weise beeinträchtigt wird. Die Beschäftigung mit Sprache als Mittel zu Kommunikation, Verste -

hen und Anteilnahme geschieht besonders im Deutschunterricht. Didaktische Elemente, die diesen

Zielsetzungen dienen, haben deshalb dort ihren Platz.

3. Welche Ziele verfolgt das Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegen -

heiten damit?

Antwort:

Wie bereits dargestellt, soll das Unterrichtsprinzip “Interkulturelles Lernen” die Achtung und

Wertschätzung anderer Kulturen sowie das Verständnis dafür fördern.

Gerade Kinder im Volksschulalter haben einen unvoreingenommenen Zugang zu Fremdsprachen;

wenn nur vereinzelt Sätze in türkischer, kroatischer oder einer anderen Sprache in ein Schulbuch

Eingang finden, können durch den spielerischen Umgang damit Vorurteile abgebaut und zwi -

schenmenschliche Konflikte im weiteren Schulbetrieb vermieden werden.

4. Wurde Ihnen das Schulbuch “Lesefuchs 2” vor Genehmigung in den Volksschulen vor -

gelegt?

5. Wenn nein, wer hat die Approbation dafür erteilt?

Wenn ja, was hat Sie veranlaßt, diese zu erteilen?

Antwort:

Da dieses Schulbuch die Voraussetzungen zur Approbation erfüllt, gab es keinen Grund, diesen

nicht stattzugeben.

6. Ist Ihnen der ideologische Hintergrund der Verfasser des Lesebuchs bekannt?

Wenn ja, welcher Hintergrund bezweckt der Verfasser damit?

7. Können Sie ausschließen, dass der Verfasser eine Manipulation der Schüler in Richtung

weg vom geistigen, kulturellen Erbe Österreichs bezweckt?

Antwort:

Die Umsetzung der Unterrichtsprinzipien und deren Beachtung, in Schulbüchern stellen keinerlei

Manipulation in Richtung weg vom geistigen, kulturellen Erbe Österreichs dar. Im Gegenteil:

Gerade die Kenntnis anderer kultureller Ausdrucksformen leitet zur Reflexion des eigenen kultu -

rellen Erbes an und sichert so das Wissen darüber.

8. Wurden die Beschwerden der zu Recht besorgten Eltern bereits einer Lösung zuge -

führt?

Wenn nein, bis wann werden diese Beschwerden behandelt?

Antwort:

Es sind keinerlei Beschwerden in meinem Ressort eingelangt. Sollten Beschwerden einlangen

werden sie einer raschen Erledigung zugeführt.

9. Werden diese Lesebücher in allen Bundesländern im Schulunterricht verwendet, oder

nur in Wien?

Antwort:

Das Buch ist in jener Schulbuchliste enthalten, aus der Schulen aus ganz Österreich ihre Auswahl

treffen.

10. Bekanntlich sind die Deutsch - und Rechtschreibkenntnisse der inländischen Kinder

schon jetzt äußerst besorgniserregend.

Glauben Sie, dass durch diese fremdsprachigen Einschübe im Deutschunterricht es zu

einer Verbesserung der genannten Kenntnisse kommt?

Antwort:

Studien in den vergangenen Jahren zum Rechtschreibkönnen haben gezeigt, dass z.B. die Häufig -

keit der Fehler bei Groß - und Kleinschreibung, Zusammen - und Getrenntschreibung nicht wesent- lich von jenen empirischen Daten in der Grundschule abweicht, die Anfang der 50er Jahre erhoben

wurden. Es kann also von keinerlei Verfall der Rechtschreibkenntnisse gesprochen werden.

Im Sinne des Sprachen - und Kulturlernens, ein in den letzten Jahren international zunehmend

wichtiger werdender Bereich, ist es wünschenswert, Kindern die Begegnung mit anderen Spra -

chen zu ermöglichen. Indem im Lehrplan der Grundschule von Zeitrichtwerten für die einzelnen

Unterrichtsgegenstände die Rede ist (vgl. hiezu Punkt 3 der Allgemeinen Bestimmungen BGBl.

Nr. 134/1963 i. d. g. Fassung), kann eine solche Präsentation durchaus auch im Unterrichtsge -

genstand "Deutsch, Lesen, Schreiben" bzw. "Deutsch, Lesen" erfolgen, ohne dadurch den

Spracherwerb in der Muttersprache zu beeinträchtigen.