3741/AB XX.GP

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 3793/J - NR/1998 betreffend Ausbildungsdefizite der

heimischen Maturanten in nahezu allen wichtigen Lehrbereichen, die die Abgeordneten

Mag. Gilbert Trattner und Kollegen am 27. Februar 1998 an mich richteten, wird wie folgt

beantwortet

1. Ist Ihnen als ressortzuständiges Regierungsmitglied auch diese Studie des ÖFG

bekannt?

2. Wenn ja, wie beurteilen Sie, Frau Bundesministerin, deren Aussagekraft?

3. Wie steht Ihr Bundesministerium zur Aussage des Salzburger Romanistikprofessors

Hans Goebl, dass das enzyklopädische Wissen an den Schulen einfach zu wenig einge -

fordert werde?

Antwort:

Die Inhalte dieser Studien sind mir bekannt. Sie können aber keinesfalls dahingehend interpretiert

werden, dass die Maturanten über zu wenig enzyklopädisches Wissen verfügen. Die Vermittlung

von fachbezogenem Wissen beim Besuch der maturaführenden Schulen erfolgt über 12 bzw.

13 Schuljahre. In diesem Zeitraum muss neben der Vertiefung des Wissens der Grundstein zu

selbständigem, wissenschaftlichem Arbeiten gelegt werden. Dies geschieht über fächerübergrei -

fenden Unterricht, vernetzte Projekte und zahlreiche methodisch - didaktische Hilfen durch die

Pädagogen, die es den Schülern ermöglichen sollen, neben dem reinen Sachwissen die Kompetenz

zu selbständigem Arbeiten und Wissenserwerb zu forcieren. Die Forderungen, die seitens der

Wirtschaft an die jungen Menschen gestellt werden - wie z.B. Teamfähigkeit, Engagement, Inter -

esse an neuen Herausforderungen - müssen ebenso beachtet werden, wie jene der Hochschulen

nach selbständigem Erarbeiten neuer Fachbereiche.

Das österreichische Schulwesen und die Lehrpläne der maturaführenden Schulen sind daher

darauf abgestimmt, ein Optimum dieser Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vermitteln. Die stete Ver -

besserung dieser Vermittlung ist immer Ziel meiner Bemühungen; dessen ungeachtet kann aber

die Qualität des Schulwesens nicht bloß an der Vermittlung von Detailwissen gemessen werden.

Die erwähnten Studien machen vor allem klar, dass Maturanten der AHS und der BHS am

Studienbeginn Orientierungsprobleme haben, die ihren Studienerfolg beeinträchtigen. Dieser Pro -

blematik ist in den letzten Jahren mit der Entwicklung von Studieneingangsphasen und Orientie -

rungsveranstaltungen begegnet worden. Die Erfolge dieser legistischen Änderungen können der -

zeit noch nicht vollständig abgeschätzt werden.

Im Bereich des Unterrichtsressorts gilt es jedenfalls als vollkommen unbestritten, dass prozedu -

rales und methodisches Wissen nur in einer intensiven Verbindung mit inhaltlichen Zielsetzungen

vermittelt werden kann. Diese Aufgabenstellung muss in der Lehramtsausbildung der Universi -

täten, aber auch in der Fort - und Weiterbildung durch die Pädagogischen Institute eingeübt

werden.

4. Bedeuten diese katastrophalen Studienergebnisse nicht auch, dass Österreichs

 Maturanten keinesfalls reif sind für den Besuch einer Hochschule?

5. Hat somit das “Bestehen" der Reifeprüfung nicht vollkommen ihren Sinn verloren,

wenn die Hochschulreife trotzdem nicht gegeben ist?

Antwort:

"Katastrophalen Studienergebnisse" kann ich aus der vorliegenden Studie nicht herauslesen.

Weder kann im Hinblick auf die Zahl der Befragten und die unterschiedlichen Stellungnahmen

eine allgemeingültige Aussage erkannt werden, noch sagen die Studien, dass Maturanten nicht reif

zum Besuch einer Hochschule sind. Die angeführten Defizite sind Teil der lehrplandidaktischen

Diskussion. Die Qualität der Reifeprüfung selbst hat sich durch die Reform nicht verschlechtert,

sondern verbessert. Als Beispiel sei hier das vorgeschriebene Verfassen einer Fachbereichsarbeit

erwähnt, die nicht selten die Qualität einer universitären Seminararbeit erreicht.

Im historischen Rückblick darf noch erwähnt werden, dass bereits vor 90 Jahren im Jahre 1908

die Reifeprüfungsverordnung das rein enzyklopädische Wissen relativierte:

“Bei der Vornahme der Prüfung ist das Hauptgewicht nicht auf die einzelnen Kenntnisse der

Schüler, sondern einzig und allein auf die erreichte allgemeine Bildung ... zu legen. [...] Ohne den

Nachweis der Reife im allgemeinen darf selbst minutiöses Wissen in Einzelheiten nicht von aus -

schlaggebender Bedeutung sein.”

6. Welche Maßnahmen werden Sie unternehmen um diesen unhaltbaren Ist - Zustand so

schnell wie möglich zu beheben?

Antwort:

Den Vorwurf eines “unhaltbaren Ist - Zustandes” weise ich zurück.

Ich habe zur weiteren Verbesserung des österreichischen Schulwesens eine Expert/innengruppe

eingerichtet, die in den nächsten Monaten eine tiefgreifende Analyse der Ergebnisse sowie daraus

resultierende Hypothesen entwickeln wird. Daraus abgeleitet sollen noch innerhalb des Winter -

semesters 1998/99 sich an den TIMSS - Fragestellungen orientierende Testunterlagen (mit int. und

nat. Referenzdaten) für die schulische Verwendung (Selbstevaluation) entwickelt werden. Dazu

werden methodisch - didaktische Begleitmaterialien erstellt, die einerseits die Vermittlungskompe -

tenz vor Ort verbessern und zu von den zuständigen Pädagogischen Instituten unterstützten -

fachdidaktischen Auseinandersetzungen/Diskussionen führen sollen, anderseits die Grundlage für

neue Konzepte innerhalb der Lehrer/innenaus - und - fortbildung darstellen sollen.

7. Ist dabei auch an die stichprobenartige Kontrolle des Lehrkörpers auf deren didak -

tische Fälligkeit hin gedacht?

Antwort:

Die “stichprobenartige Kontrolle” der Lehrer/innen soll zunächst im Rahmen einer Selbstevalua -

tion, also vom Lehrer selbst bzw. innerhalb der Schule (Direktor) erfolgen. Die gleichzeitige Ent -

wicklung eines Qualitätssicherungskonzeptes (“Qualitätsentwicklung mit Programm"; dzt. in der

Pilotphase Evaluationsphase) sieht im Rahmen von "Metaevaluation” sowie “Kriseninterven -

tion” unter bestimmten Voraussetzungen eine Unterstützung von außen vor. Die Schulaufsicht

wird dabei auch weiterhin die didaktische Weiterentwicklung des einzelnen Lehrers zu begleiten

und zu fördern haben.

8. Wenn ja, von wem sollen derartige “Überprüfungen” durchgeführt werden?

Antwort:

Die erwähnte Selbstevaluation findet innerhalb der Schule statt (Referenzdaten, Orientierungs -

daten), wobei dabei die Schulpartner kooperieren sollen. Metaevaluation bzw. Krisenintervention

wird höchstwahrscheinlich in den Kompetenzbereich der Schulaufsicht fallen ("Neues Rollen -

bild"), die von Expert/innen unterstützt werden kann.

9. Werden Sie auch Gespräche mit dem Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr

führen, um schon bei der Ausbildung von zukünftigen Lehren darauf achten zu

können, dass die didaktischen Fähigkeiten nicht zu kurz kommen?

Antwort:

Die bestehenden ressortübergreifenden Arbeitsgruppen werden diese Intention aufgreifen.

10. Welche speziellen Förderungen werden Sie versuchen einzuführen, um besonders den

Mädchen in den Bereichen Mathematik und Physik wieder auf die Sprünge verhelfen

zu können?

Antwort:

Neben den schon bestehenden Fördermaßnahmen, die in der untersuchten Altersgruppe z.T. (aus

Zeitgründen) noch nicht greifen konnten (z.B. "Aktionsplan 2000 des BMUK zur Förderung der

Gleichstellung im Bereich von Schule und Erwachsenenbildung”), sind folgende Maßnahmen

geplant:

Am Beispiel Mathematik und Naturwissenschaften (in weiterer Folge auch für andere Fachberei -

che wie Fremdsprachen etc.) wird

• eine Expert/innengruppe (bestehend aus Pädagog/innen und Fachdidaktiker/innen das vorlie -

gende Ergebnis im Detail analysieren sowie laufend die internationalen Entwicklungen im

gegenständlichen Bereich beobachten und Bezüge zum Arbeitsmarkt herstellen,

• daraus resultierend ein Text - und Übungspaket (mit Multiple - Choice - Orientierung) ent -

wickelt, das gemeinsam mit nationalen und internationalen Orientierungsdaten den Schulen

zur Status - quo - Bestimmung zur Verfügung gestellt wird (1999) und

• angeregt, dass - unterstützt durch die Pädagogischen Institute - an den Schulen fachdidak -

tische Diskussionen zum Thema stattfinden.

• Darüber hinaus werden schon im kommenden Schuljahr entsprechende Schwerpunktsetzun -

gen im Bereich der Lehrer/innenaus - , - fort - und - weiterbildung vorgenommen.

• Alle Konferenzen der Schulaufsicht im nächsten Halbjahr werden sich mit den Ergebnissen

auseinandersetzen und Strategien zur Qualitätsverbesserung entwickeln.

• Alle Einrichtungen der Lehrerbildung (Akademien, Universitäten, Pädagogische Institute)

werden aufgefordert/beauftragt ‚werden, ein Programm zur didaktischen Festigung im Unter -

richt zu erarbeiten.

• Alle berufsbildenden Schulen werden zu einer schulinternen Lehrerkonferenz aufgefordert

werden und einen Maßnahmenkatalog zur Qualitätssicherung erarbeiten.

11. Worin, oder an welchen Faktoren liegt es, dass gerade Mädchen in diesen zwei Kern -

fächern derartige Schwachstellen aufweisen?

Antwort:

Die Ursachen dafür werden gerade erhoben und bilden mit der vorliegenden TIMSS - Studie die

Grundlage weiterer Schritte.