3742/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Ing. Reichhold, Koller, Wenitsch, Dr. Salzl

haben am 26. Februar 1998 unter der Nr.3728/an mich eine schriftliche

parlamentarische Anfrage betreffend “Brief nach Brüssel” - Grenzlandförderung

gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:

“1. Warum wurde weder Nationalrat noch Bundesrat bisher über den Inhalt

des Briefes betreffend Grenzlandförderung unterrichtet, den der Bun

 -deskanzler und der Vizekanzler unterfertigt und den zuständigen EU -

Gremien im Jänner übermittelt haben?

2. Wie ist der genaue Wortlaut dieses Schreibens?

3. Wer war der genaue Adressat dieses Schreibens?

4. Wann langte dieses Schreiben beim Adressaten ein?

5. Wie lautet die bisher eingetroffene Antwort des/der Adressaten auf dieses

Schreiben (genauer Wortlaut)?

6. Wie lautete die mündliche Stellungnahme der EU - Kommissärin Wulf -

Mathies zu den im Brief dargelegten Forderungen Österreichs?

7. Wann hat der Vizekanzler mit EU - Kommissärin Wulf - Mathies in dieser

Angelegenheit persönlich verhandelt?

8. Wie verliefen diese mündlichen Verhandlungen mit EU - Kommissärin Wulf -

Mathies laut Bericht des Vizekanzlers an Sie bzw. den Ministerrat?

9. Wie verliefen diese mündlichen Verhandlungen zwischen dem Vizekanzler

und der EU - Kommissärin Wulf - Mathies gemäß anderen, Ihnen zugäng -

lichen Berichten?

10. Da der Bundesminister für Land -  und Forstwirtschaft am 30. Jänner 1998

trotz angeblicher Akkordierung der Bundesregierung nicht in der Lage

war, die Abgeordneten über den Inhalt des Briefes von Bundeskanzler

und Vizekanzler nach Brüssel zu informieren:

a) Wann wurde der Ministerrat mit dem Thema ,,EU - Grenzlandförderung"

befaßt?

b) Wann wurden die Regierungsmitglieder außer Bundeskanzler und

Vizekanzler über den Inhalt des “Briefes nach Brüssel" informiert?

11. Wie lautet Ihre Stellungnahme als Unterzeichner des Briefes nach Brüssel

zu den Äußerungen der EU - Kommissärin WuIf - Mathies, die Installierung

eines eigenen Sonderprogrammes für die österreichische Ostregionen zur

Abfederung der EU - Ostregionen sei unrealistisch?

12. Wie lautet Ihre Stellungnahme als Unterzeichner des Briefes nach Brüssel

zu den Äußerungen der EU - Kommissärin Wulf - Mathies, Österreichs Ost -

regionen hätten vom EU - Beitritt bisher sehr profitiert?

13. Wie lautet Ihre Stellungnahme als verantwortliches Regierungsmitglied zu

der Tatsache, daß die bei der EU für Österreich derzeit noch bereitliegen -

den Struktur - und Regionalförderungsmittel erst zu einem Bruchteil abge -

rufen werden konnten?

14. Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, daß diese Mittel tatsächlich in

konkrete Projekte in Österreich fließen können und nicht verfallen?

15. Von wem stammte die Idee, die Städte Wien und Graz in die Sonderpro -

gramme des Briefes nach Brüssel aufzunehmen und damit zu riskieren,

die gesamte österreichische Ostregion aus der Kategorie “ländlicher

Raum” oder “benachteiligtes Gebiet” hinauszukatapultieren?

16. Ist die Meldung, Österreich sei nicht in der sogenannten Task - Force, also

dem EU - Verhandlungsgremium über die Osterweiterung, vertreten, tat -

sächlich nur “reine Kaffeesudleserei" (Worte des Vizekanzlers) oder ent -

spricht die Meldung den Tatsachen?

17. Wer hätte nach Ihrer Auffassung österreichisches Mitglied der Task Force

werden sollen?

18. Welche konkreten Vorschläge für österreichische Mitglieder der Task

Force wurden ihnen

a) vom Vizekanzler,

b) von anderen Regierungsmitgliedern

unterbreitet?

19. Was haben Sie unternommen, damit Österreicher/innen in die Task Force

aufgenommen werden?

20. Mit welchen Förderungsbeträgen für Österreichs Ostregionen haben Sie

auf der Basis des Briefes nach Brüssel kalkuliert?

21. Mit welchen Förderungsbeträgen aus welchen EU  - Förderungstöpfen für

Österreichs Ostregionen ist nun realistischerweise zu rechnen?

22. Nach welchen Kriterien werden die anspruchsberechtigten

a) Regionen,

b) Personen

nach den verbleibenden EU - Fördertöpfen bestimmt?

23. Wird es für Österreichs Bauern im Grenzland in Zukunft noch eigene

Förderprogramme geben?

a) Wenn ja: welche (Art und Umfang)?

b) Wenn nein: welche nationalen Existenzsicherungsprogramme wird es

stattdessen in Zukunft geben (Art und Umfang)?"

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Zu den Fragen 1 und 2:

Eine Veröffentlichung des Briefverkehrs des Bundeskanzlers ist aus grund -

sätzlichen Überlegungen nicht vorgesehen. Das an die Europäische Kom -

mission gerichtete Schreiben stellt nur einen Zwischenschritt zur Konkre -

tisierung der von mir und dem Herrn Außenminister hierbei in Aussicht

genommenen Maßnahmen dar. Die offiziellen Verhandlungen über die Agenda

2000 der Europäischen Kommission wurden gerade erst aufgenommen und

werden sich sicherlich über mehrere Monate erstrecken.

In dem von mir und dem Herrn Vizekanzler an die Kommission gerichteten

Schreiben wurde darauf hingewiesen, daß die Erweiterung der Europäischen

Union auch für Österreich zweifellos mit großen wirtschaftlichen Chancen

verbunden ist, daß aber auch die damit ausgelösten Strukturanpassungen, von

denen insbesondere die österreichischen Regionen an der Grenze zu den

mittel- und osteuropäischen Staaten betroffen sein können, realistisch einge -

schätzt werden müssen. Österreich tritt daher gegenüber der Europäischen

Kommission für eine besondere Berücksichtigung der Problematik der Grenz -

regionen im Rahmen eines möglichst breiten Maßnahmenspektrums v.a. in den

Bereichen grenzüberschreitende Zusammenarbeit, Infrastrukturmaßnahmen

und Arbeitsmarktpolitik ein.

Zu Frage 3:

Kommissionspräsident SANTER und die - fachlich berührten - Kommissare

WULF - MATHIES, FISCHLER, Van den BROEK und Van MIERT.

Zu Frage 4:

Das von mir und dem Herrn Außenminister an die Kommission gerichtete

Schreiben wurde am 29. Jänner 1998 abgefertigt. Das genaue Datum des

Posteingangs bei der Europäischen Kommission ist mir nicht bekannt.

Zu Frage 5:

In seinem an den Herrn Außenminister und mich auch im Namen der anderen

Kommissare gerichteten Antwortschreiben bezeichnet Herr Kommissionspräsi -

dent SANTER die optimale Bewältigung der mit der Erweiterung verbundenen

Schwierigkeiten, die für die Grenzregionen besonders relevant sind, als

gemeinsame Aufgabe der Mitgliedsländer und der Europäischen Kommission.

Abschließend ist auch hier festzuhalten, daß eine Veröffentlichung des Brief -

verkehrs des Bundeskanzlers aus grundsätzlichen Überlegungen nicht erfolgt.

Zu Frage 6:

Frau Kommissarin WULF - MATHIES hat Verständnis für die besondere Situa -

tion der österreichischen Grenzregionen signalisiert und zugesagt, sich in ihrem

Zuständigkeitsbereich für zielführende Lösungen im Rahmen der vorhandenen

Instrumente der Strukturfonds (z.B. Interreg, Zielgebietsprogramme) einzu -

setzen.

Zu den Fragen 7 bis 9:

Die Europäische Kommission hat ihre Legislativvorschläge zur Agenda 2000

erst am 18. März 1998 dem Rat zur Behandlung vorgelegt. Die offiziellen Ver -

handlungen, die in den kommenden Monaten zu führen sind1 werden daher

gerade erst aufgenommen. Dementsprechend können auch noch keine Ver -

handlungsergebnisse vorliegen.

Zu Frage 10:

Das Thema "EU - Grenzlandförderung" ist immer wieder Gegenstand der Be -

sprechungen im Zuge des Ministerrats. Am 20. Jänner 1998 habe ich die

Mitglieder der Bundesregierung in der Vorbesprechung zum Ministerrat darüber

informiert, daß der in der Frage angesprochene Brief in Vorbereitung ist.

Zu Frage 11:

Jede Verhandlung beginnt mit Positionierungen der Verhandlungspartner.

Zu Frage 12:

Der Aussage, daß Österreichs Ostregionen vom EU - Beitritt Österreichs bisher

sehr profitiert haben, ist zuzustimmen, da sie - über die allgemeinen Vorteile

des Beitritts hinaus - in hohem Maß Nutznießer von Regionalförderungen der

EU sind.

Zu Frage 13:

Bis Ende Februar 1997 sind EU - Mittel in der Höhe von 10 Milliarden Schilling

eingegangen. Somit beträgt die Rückflußquote nicht nur einen Bruchteil,

sondern rund 45 %.

Bei der Beurteilung der Zahlungsströme aus den EU - Strukturfonds ist folgen -

des zu berücksichtigen: Die angesprochenen Strukturfondsprogramme haben

eine Laufzeit von 1995 bis 1999, wobei dieser Zeitraum für Genehmigungen für

Projekte zur Verfügung steht. Für die Auszahlung der Strukturfondsmittel und

der damit verbundenen nationalen Kofinanzierungsmittel ist aufgrund der Struk -

turfondsverordnungen ein Zeitraum bis Ende 2001 vorgesehen. Die von der

Europäischen Kommission bereitgestellten EU - Mittel in einem Ausmaß von

rund 1,6 Milliarden ECU sind in den einzelnen Entscheidungen zu den jeweili -

gen Zielgebietsprogrammen und Gemeinschaftsinitiativenprogrammen der

Kommission festgeschrieben, wobei die Europäische Kommission die Entschei -

dungen erst Ende 1995 getroffen hat und die ersten Mittelrückflüsse erst 1996

in Österreich eingelangt sind. Die Strukturfondsverordnungen und Standard -

klauseln der Programme schreiben genau vor, wann welche Zahlungen in

welcher Höhe bei der EU - Kommission angefordert werden können. Diese

Schwellenwerte orientieren sich am Stand der Auszahlungen von Förder -

geldern (nationale und EU - Mittel). Die Auszahlung von Fördermitteln richtet

sich wiederum nach dem Stand der Umsetzung der geförderten Projekte und ist

damit maßgeblich von der Initiative der Projektträger abhängig.

Zu Frage 14:

Die Ausschöpfung der Mittel in den einzelnen Programmen wird von den zu-

ständigen Bundesdienststellen laufend beobachtet und analysiert. Sollten sich

Probleme bei der Ausschöpfung der Mittel abzeichnen, wären den Programm -

koordinatoren und den betroffenen Förderstellen auf Bundes -  und Landes -

ebene geeignete Optimierungsmaßnahmen vorzuschlagen. Diese könnten je

nach Ursache z.B. eine Umschichtung von Finanzmitteln von weniger zu

stärker nachgefragten Föderungsbereichen, eine stärkere Vorfinanzierung der

Projekte aus nationalen Mitteln oder die Erhöhung der

Publizitätsanstrengungen umfassen.

Zu Frage 15

Auch für die im Nahbereich zu den Grenzen der Beitrittskandidaten gelegenen

Ballungszentren - in denen Arbeitsmarktprobleme eher zum Tragen kommen

als in den ländlichen Umlandgebieten - sollte eine Förderung von Vorberei -

tungsmaßnahmen für den Erweiterungsfall möglich sein. Eine Gefährdung des

Fördergebietsstatus anderer grenznaher Regionen ist hiermit jedoch nicht

verbunden.

Zu den Fragen 16 und 17:

Diese Meldung entspricht nicht den Tatsachen, da Herr Mag. Leopold

MAURER, bis dato als Abteilungsleiter in der Generaldirektion XXIII der Euro -

päischen Kommission tätig, bereits österreichisches Mitglied der Task Force ist.

Zu Frage 18:

Mit Rücksicht auf die persönlichen Sphäre der betroffenen Personen können

hiezu keine Angaben gemacht werden.

Zu Frage 19:

Ich habe wiederholt Gespräche auf höchster Ebene genutzt, um das österrei -

chische Anliegen mit Nachdruck zu vertreten.

Zu den Fragen 20 und 21:

Wir stehen erst am Beginn von Verhandlungen über die Strukturfondsreform

und über das Finanzpaket Santer 1. Es ist daher verfrüht und im Hinblick auf die

österreichische Verhandlungsposition auch nicht zielführend, schon jetzt Aus -

sagen über allfällige Verhandlungsziele zu machen.

Zu den Fragen 22 und 23:

Die Europäische Kommission hat am 18. März 1998 ihre Legislativvorschläge

der Öffentlichkeit vorgestellt. Die darin enthaltenen Vorschläge zu den Ab -

grenzungskriterien für die neuen Ziele der EU - Strukturfonds sowie zur Weiter -

entwicklung der Agrarpolitik werden in den kommenden Monaten Gegenstand

intensiver Verhandlungen auf Ratsebene sein. Das Verhandlungsergebnis

kann derzeit noch nicht vorweggenommen werden.