3774/AB XX.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Martin Graf und Kollegen haben an mich eine
schriftliche Anfrage, betreffend Vorerhebungen/Untersuchungen in der sogenannten
“Causa" um Kardinal Dr. Hans - Hermann Groer, gerichtet und folgende Fragen ge -
stellt:
“1. Wurden seitens der zuständigen Staatsanwaltschaft gegen Kardinal Dr. Hans
Hermann Groer im Zusammenhang mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfen
der sexuellen Belästigung von Minderjährigen bzw. Abhängigen jemals ent -
sprechende Vorerhebungen/Untersuchungen eingeleitet?
Wenn ja, warum?
Wenn nein, warum nicht?
2. Hat die zitierte “Bischöfliche Erklärung” zu neuen strafrechtlich relevanten Er -
gebnissen und Fakten geführt?
Wenn ja, zu welchen und welche Auswirkungen würden diese auf die Ermitt -
lungstätigkeit der Staatsanwaltschaft haben?
3. Sollten der Staatsanwaltschaft auch nach der “Bischöflichen Erklärung” keine
rechtlich
relevanten Fakten gegen Kardinal Dr. Hans Hermann Groer vorhe -
gen, die Vorerhebungen/Untersuchungen gegen diesen zuließen, stellt sich die
Frage, inwieweit es sich bei öffentlichen, fortgesetzten, aufrechterhaltenen Vor -
würfen und Herabwürdigungen gegen Kardinal Groer um den Tatbestand der
Verleumdung gern. § 297 StGB sowie den Tatbestand einer strafbaren Hand -
lung gegen den religiösen Frieden, insbesonders gern. § 188 StGB handelt.
Hat die zuständige Staatsanwaltschaft im Falle der vorliegenden Tatbestände
eine entsprechende Ermächtigung bei Kardinal Dr. Hans Hermann Groer zur
Strafverfolgung gegen Unterzeichner der “Bischöflichen Erklärung” eingeholt?
Wenn ja, wann?
Wenn nein, warum nicht?
4. Werden nach Ihrer Kenntnislage seitens der zuständigen Staatsanwaltschaft
Untersuchungen wegen der zitierten Tatbestände gegen all jene Personen,
welche öffentlich die inkriminierenden Vorwürfe gegen Kardinal Dr. Hans Her -
mann Groer aufrechterhalten bzw. untermauern, erwogen?
Wenn ja, wann?
Wenn nein, warum nicht?”
Ich beantworte diese Fragen wie folgt:
Zu 1:
Am 14.4.1995 langte bei der Staatsanwaltschaft Wien eine anonyme Anzeige gegen
Kardinal Dr. Hans - Hermann Groer ein, die an die Staatsanwaltschaft Korneuburg
abgetreten wurde.
Diese Anzeige beschränkte sich darauf, die damals in den Medien kolportierten, in
Richtung strafbarer Handlungen gegen die Sittlichkeit gehenden Vorwürfe wiederzu -
geben. Demnach soll der Verdächtige in seiner Funktion als Lehrer in einem Internat
in Hollabrunn unzüchtige Handlungen mit Internatszöglingen begangen haben. Die -
se Vorwürfe bezogen sich auf einen etwa 20 Jahre zurückliegenden Zeitraum. Für
ein danach fortgesetztes strafbares Verhalten gab es weder in der Anzeige noch -
soweit
überblickbar - in den Medienberichterstattungen Hinweise.
Die Staatsanwaltschaft Korneuburg legte diese Anzeige am 27. April 1995 gemäß
§ 90 Abs.1 StPO zurück, weil allfällige strafbare Handlungen nach jeder nur denk -
möglichen rechtlichen Beurteilung jedenfalls bereits verjährt gewesen wären.
Ansonsten wurden österreichweit keine Anzeigen gleichen oder ähnlichen Inhalts
gegen Kardinal Dr. Groer erstattet.
Zu 2:
An der rechtlichen Beurteilung der Vorwürfe unter dem erwähnten Aspekt der Ver -
jährung vermochte diese Erklärung nichts zu ändern.
Zu 3 und 4:
Der Tatbestand des § 188 StGB ist durch die in der Anfrage genannte Erklärung
nicht erfüllt, weil Kardinal Dr. Hans - Hermann Groer als Person nicht zu den ge -
schützten Objekten dieses Tatbestandes zählt.
§ 297 StGB liegt nicht vor, weil die Gefahr einer behördlichen Verfolgung (wie zu
Frage 1 ausgeführt, wegen Verjährung) nicht bestand; im übrigen müßte für eine
Strafbarkeit nach § 297 StGB nachgewiesen werden, daß die Verdächtigungen wis -
sentlich falsch geäußert wurden.
§§ 111, 117 Abs. 2 StGB liegt nicht vor, weil die Behauptung als wahr erwiesen wer -
den könnte (§111 Abs. 3 StGB). Dies zu beurteilen, ist Sache des Beleidigten, der
die Ermächtigung zur Verfolgung nach § 117 Abs. 2 StGB zu erteilen hat. Insoweit
hat der Beleidigte innerhalb der sechswöchigen Frist des § 46 StPO eine Tätigkeit
zu entfalten (s. Mayerhofer/Rieder, StGB4 Anm. zu E 11 zu § 117).
Aus diesen Gründen bestand für die staatsanwaltschaftlichen Behörden kein Anlaß
zur amtswegigen Einleitung eines Strafverfahrens gegen die Urheber der erwähnten
Erklärung oder sonstige Personen in diesem Kontext.