3817/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Horngacher, Freund, Auer und Kollegen

haben am 10. März 1998 unter der Nr. 3809/J an mich eine schriftliche parla -

mentarische Anfrage betreffend Überprüfung eines neuen Reaktortyps in

Bayern gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:

“1. Ist es richtig, daß derzeit weder in Deutschland noch in Frankreich ein

Antrag auf Bewilligung eines derartigen Reaktors bzw. ein Antrag auf

Standortbewilligung eingebracht wurde?

2. Wenn nein, was gedenken Sie im Interesse der österreichischen Bevöl -

kerung zu unternehmen?

3. Wenn ja, was gedenken Sie zu unternehmen, damit Österreich von einem

derartigen Antrag rechtzeitig informiert wird?"

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Seit Mitte der 80er Jahre wird von der deutschen und französischen Nuklear -

industrie das Projekt eines Nachfolgemodells für die derzeit bestehenden

Reaktoren unter der Bezeichnung “Europäischer Druckwasserreaktor" (EPR)

verfolgt. Dieser neue Reaktortyp mit einer elektrischen Leistung von etwa

1.450 MW soll verbesserte Sicherheitseigenschaften besitzen; insbesondere

soll eine allfällige Kernschmelze, wie im deutschen Atomgesetz gefordert, im

wesentlichen im Bereich der Anlage selbst kontrolliert werden können.

Auf Unternehmensseite sind an dem Projekt Siemens und Framatome beteiligt.

Auf staatlicher Ebene der zuständigen Ministerien wurde ein Direktionsaus -

schuß eingerichtet, der durch eine Harmonisierung der Sicherheitsvorschriften

in Deutschland und Frankreich die Voraussetzungen für eine allfällige Errich -

tung dieses Reaktortyps in Deutschland und Frankreich sicherstellen soll.

Ende 1995 trat das Projekt in die sogenannte “Basic Design Phase". Die be -

teiligten Firmen beabsichtigen in den Jahren 1996 - 1998 etwa 200 Millionen

DM dafür aufzuwenden. Anschließend soll entschieden werden, wo ein erster

Prototyp dieses Reaktors errichtet werden sollte. Der EPR wird in Deutschland

immer wieder als Ersatz für stillzulegende bzw. stillgelegte Kernkraftwerke an

bereits bestehenden Standorten genannt (zum Beispiel KKW Würgassen oder

Greifswald).

Laut den Erklärungen verschiedener deutscher Elektrizitätsunternehmen in der

Öffentlichkeit besteht in Deutschland frühestens in den Jahren 2006 bis 2010

ein Bedarf für den Ersatz bisheriger Kernkraftwerke, sofern für diese nicht

,,lebensverlängernde Maßnahmen" getroffen werden. Die einschlägige Industrie

will sich die Option der Errichtung eines neuen Reaktors jedenfalls offen halten.

Unabhängig davon existiert in Bayern ein ,,Standortsicherungsplan für Wärme -

kraftwerke". In diesem sind auch potentielle Standorte für Kernkraftwerke aus -

gewiesen. Dieser Plan ist offensichtlich die Grundlage für immer wiederkeh -

rende Behauptungen, in der Nähe von Passau oder Rosenheim sei demnächst

mit der Errichtung neuer Kernkraftwerke zu rechnen. Das Bundesministerium

für auswärtige Angelegenheiten teilte dazu mit, daß laut Auskunft des

Bayerischen Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen vom

11. Februar 1998 keine Anträge auf Errichtung von Kernkraftwerken in Bayern

existieren und solche auch in absehbarer Zeit nicht zu erwarten seien.

Die Etablierung eines standortunabhängigen Prüfungsverfahrens im Zuge der

jüngsten Novellierung des deutschen Atomgesetzes kann sicherlich auch unter

dem Gesichtspunkt der EPR - Entwicklung gesehen werden. Es muß in diesem

Zusammenhang jedoch betont werden, daß der Bundesregierung keine Ein -

flußnahme auf den Gesetzgebungsprozeß eines souveränen Staates zukommt.

Die Fragen im einzelnen beantworte ich wie folgt:

Zu Frage 1:

Laut Auskunft des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten trifft

dies zu.

Zu den Fragen 2 und 3:

Der Schutz der österreichischen Bevölkerung und der Umwelt vor den Gefah -

ren der Kernenergie ist das zentrale Anliegen der Kernenergiepolitik der Bun -

desregierung. In diesem Zusammenhang sind die Bemühungen u.a. darauf

ausgerichtet, betroffenen Gebietskörperschaften, Institutionen und Einzelper -

sonen ein größtmögliches Ausmaß an Information und Mitsprache zu sichern.

Gegenwärtig - und wohl noch für geraume Zeit - geht es darum, Informations -

mechanismen, die bereits Gegenstand vielfältiger Abkommen sind, zu ver -

bessern und Konsultationsmechanismen, die noch kaum Gegenstand ein -

schlägiger Vereinbarungen sind, völkerrechtlich verbindlich zu verankern.

Ich bin zuversichtlich, daß die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des

bilateralen ,,Nuklearinformationsabkommens" Österreich gegebenenfalls

rechtzeitig von einem diesbezüglichen Bewilligungsverfahren unterrichten

würde.

Unbeschadet dessen hat das Bundesministerium für auswärtige Angelegen -

heiten im Einvernehmen mit dem Bundeskanzleramt die österreichischen

Botschaften in Bonn und Paris angewiesen, allfällige neue Entwicklungen und

Informationen zum EPR bzw. zu diesbezüglichen Bewilligungsverfahren

unverzüglich einzuberichten.