3860/AB XX.GP

 

Beantwortung

der Anfrage der Abgeordneten Mag. Stadler und Kollegen

an die Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales,

betreffend Aushöhlung der freien Arztwahl durch die Krankenversicherung

(Nr. 4004/J).

Zu den Fragen der oben angeführten parlamentarischen Anfrage führe ich

unter Berücksichtigung einer hiezu eingeholten Stellungnahme des Hauptverbandes

der österreichischen Sozialversicherungsträger, welche in Kopie beiliegt, folgendes

aus:

Das Recht auf freie Arztwahl wird im Rahmen der gesetzlichen Krankenver -

sicherung dadurch gewährleistet, daß ärztliche Hilfe gemäß § 135 Abs. 1 ASVG

durch Vertragsärzte, durch Wahlärzte (§ 131 Abs. 1) oder durch Ärzte in eigenen

hiefür ausgestatteten Einrichtungen (Vertragseinrichtungen) der Versicherungsträger

gewährt wird.

Dieser Regelung liegt das für die soziale Krankenversicherung fundamentale

Sachleistungsprinzip zugrunde, wonach die Gesundheitsleistungen primär durch

Vertragspartner der Versicherungsträger zur Verfügung gestellt werden sollen. Die

Versicherungsträger sind daher nach § 338 Abs. 2 ASVG dazu aufgerufen, die aus -

reichende Versorgung der Versicherten und ihrer anspruchsberechtigten Angehö -

rigen mit den gesetzlichen und satzungsmäßig vorgesehenen Leistungen durch ent -

sprechende Verträge mit den Erbringern der Gesundheitsleistungen sicherzustellen.

Wird jedoch nicht die Sachleistung bei einem Vertragspartner des Versiche -

rungsträgers in Anspruch genommen, so gebührt eine Kostenerstattung, die sich an

den Kosten der Inanspruchnahme des entsprechenden Vertragspartners orientiert.

Die Reduktion der Kostenerstattung auf 80 % der entsprechenden Vertragstarife

durch das Sozialrechts - Änderungsgesetz 1996, BGBl. Nr.411/1996, wird in den

Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage wie folgt begründet:

“Von den Krankenversicherungsfragen wurde in jüngster Zeit immer wieder

festgestellt, daß wahlärztliche Hilfe mehr und mehr in Anspruch genommen wird und

dadurch die Ausgaben für die Kostenerstattung stark ansteigen. Zur Abdeckung der

höheren Verwaltungskosten soll in Hinkunft der Kostenersatz für wahlärztliche

Behandlung nur mehr in der Höhe von 80 % des Betrages, der bei Inanspruchnahme

eines Vertragsarztes aufzuwenden gewesen wäre, gebühren.”

Es ist nämlich zu bedenken, daß Vertragsärzte aus dem Vertragsverhältnis

dem Versicherungsträger gegenüber bestimmten Verpflichtungen unterliegen und

insbesondere eine Reihe von Verwaltungsaufgaben im Rahmen der Leistungsab -

rechnung übernehmen, die sie jedenfalls in zeitlicher Hinsicht mehr beanspruchen

als Wahlärzte. Durch die Verringerung des Anspruches auf Kostenerstattung erfolgte

ein Ausgleich dieser unterschiedlichen Belastung und eine Stärkung des Sach -

leistungsprinzips. Ich halte diese Regelung daher für sachlich gerechtfertigt und

weise die Behauptung einer Aushöhlung der freien Arztwahl als unbegründet zurück.

Zu den Fragen 1 bis 3:

Die Beantwortung dieser Fragen ist der Stellungnahme des Hauptverbandes

zu entnehmen, der ich nichts hinzuzufügen habe.

Zu Frage 4:

Ich werde das in dieser Frage geäußerte Anliegen nicht unterstützen, weil es -

wie den diesbezüglichen Ausführungen des Hauptverbandes zu entnehmen ist - zu

ungerechten Ergebnissen führen kann. Maßstab für die Kostenerstattung bei Inan -

spruchnahme von Wahlärzten soll im Hinblick auf das Sachleistungsprinzip der

Kostenaufwand für Vertragsärzte sein, der entsprechend dem gesetzlichen Auftrag

auch allfällige Limitierungen zu berücksichtigen hat.

Zu Frage 5:

Die Krankenversicherung bietet im Rahmen des Sachleistungsprinzips ein

flächendeckendes Angebot von Vertragspartnern, wo in der Regel ohne private

Mehrausgaben ein Blutbild, so erforderlich, gemacht werden kann. Entschließt sich

ein Patient, trotz dieser weitreichenden Möglichkeit, einen anderen sogenannten

Wahlarzt zu konsultieren, wird ihm auch hier in Form der Kostenerstattung zumindest

ein Teil der Kosten ersetzt. Ich sehe keinen Grund an der bestehenden Rechtslage

etwas zu ändern.

Zur Frage 6:

Die Behauptung der Anfragesteller, daß Wahlärzte bevorzugt würden, wird

vom Hauptverband anhand von Daten der Niederösterreichischen Gebietskranken -

kasse illustrativ widerlegt. Daraus ist meines Erachtens eine deutliche Bestätigung

der Akzeptanz des Vertragsarztsystems abzuleiten.

Zur Frage 7:

Es besteht durchaus eine Bereitschaft der Sozialversicherungsträger zur zeit -

gemäßen Anpassung der Honorarordnungen unter Bedachtnahme auf die gesetz -

lichen Rahmenbedingungen. Da die Honorarordnungen bekanntlich im Rahmen der

Gesamtverträge zwischen Sozialversicherung und Ärzteschaft ausverhandelt

werden, sehe ich keinen Anlaß zu einer diesbezüglichen Äußerung.

An das

Bundesministerium für Arbeit,

Gesundheit und Soziales

Stubenring 1

A - 1010 Wien

Betr.: Parlamentarische Anfrage - Aushöhlung der freien

Arztwahl durch die Krankenversicherung

Bezug: Ihr Schreiben vom 9. April 1998, Zl. 21 .891/77 - 5/98

Sehr geehrte Damen und Herren!

Zur parlamentarischen Anfrage ist vorweg grundsätzlich zu sa -

gen, daß die anfragenden Abgeordneten von einem solchen Verständnis

der freien Arztwahl ausgehen, das dem des historischen Gesetzgebers

und der Praxis nicht entspricht. Im Bereich der sozialen Krankenversiche -

rung kommt dem Sachleistungsprinzip die vorrangige Bedeutung zu. Dies

ergibt sich zweifelsfrei aus dem gesetzlichen Auftrag, wonach die Kran -

kenversicherungsträger durch den Aufbau eines Vertragsarztsystems die

ausreichende Versorgung der Versicherten und ihrer anspruchsberechtig -

ten Angehörigen sicherzustellen haben.

Ein allgemeines Grundrecht auf freie Arztwahl besteht nicht. Der

Gesetzgeber wollte mit der Bestimmung des § 131 ASVG (Kostenerstat -

tung) der Ärzteschaft einen Ausgleich dafür anbieten, daß nicht alle nie -

dergelassenen Ärzte in das Sachleistungssystem einbezogen werden. Für

die Versicherten sollte dadurch die Möglichkeit der Arztwahl erweitert wer -

den; es war aber nicht beabsichtigt, damit ein umfassendes Recht auf

freie Arztwahl zu schaffen.

Zu den einzelnen Fragen nimmt der Hauptverband folgenderma -

ßen Stellung:

FRAGE 1:

Entgegen der Vermutung der anfragenden Abgeordneten, ist die

Anzahl der Fälle der Kostenerstattung österreichweit nicht rückläufig, son -

dern weiterhin steigend.

FRAGE 2:

Österreichweit kann davon ausgegangen werden, daß die Kosten

eines durchschnittlichen Wahlarztfalles (unter Berücksichtigung der 80 %

Kostenerstattung) etwa 85 % der Kosten eines durchschnittlichen Ver -

tragsarztfalles betragen.

FRAGE 3:

Die Höhe der vom Wahlarzt verlangten Preise unterliegt keiner

Beschränkung. Im Durchschnitt wird man davon ausgehen können, daß

der Kostenerstattungsbetrag der Kasse ca. 45 % des Rechnungsbetrages

beträgt, wobei sich erhebliche Differenzen in den einzelnen Fachsparten

ergeben können.

FRAGE 4:

Entsprechend dem gesetzlichen Auftrag des § 131 ASVG sind

bei der Ermittlung des Kostenerstattungbetrages die in der Honorarord -

nung vertraglich vorgesehenen Verrechnungsbeschränkungen in qualitati -

ver und auch quantitativer Hinsicht entsprechend anzuwenden. Es werden

somit jene Limitierungen angesetzt, die durchschnittlich für Vertragsärzte

greifen (diese Vorgangsweise wird in der Einleitung zur Anfrage als plausi -

bel dargestellt).

Die in der parlamentarischen Anfrage vorgeschlagene Limitbe -

rechnung aufgrund der Patientenanzahl des Wahlarztes (alle Patienten des.

Wahlarztes) würde zu grob unsachlichen Auswirkungen führen, da sich

aufgrund der konkreten Verhältnisse beim Wahlarzt für die Patienten (Ver -

sicherten) unterschiedliche Kostenerstattungsbeträge ergeben würden.

Daneben ist zu beachten, daß diese Vorgangsweise gegenüber der geset -

zeskonformen zu Nachteilen für die Versicherten führen kann.

FRAGE 5:

Welche Leistungen bei welcher Fachsparte bei der Berechnung

der Kostenerstattung heranzuziehen sind, hängt von der jeweiligen Hono -

rarordnung ab.

Aufgrund der fehlenden näheren Informationen zu dem vorge -

brachten Fall kann der Hauptverband hiezu keine Aussage treffen.

FRAGE 6:

Die Aussage, daß Versicherte lieber Wahl - als Vertragsärzte in

Anspruch nehmen, ist völlig unzutreffend. So stehen z.B. bei der Nieder -

österreichischen Gebietskrankenkasse rund 415 Millionen abgerechneten

Krankenkassenschecks rund 155.000 Kostenerstattungsanträge gegen -

über.

FRAGE 7:

Die Rahmenbedingungen der einzelnen Honorarordnungen ge -

währleisten eine dem Gesetzesauftrag entsprechende ausreichende,

zweckmäßige, das Maß des Notwendigen nicht überschreitende gute me -

dizinische Versorgung der Patienten.

Die Sozialversicherung steht darüber hinaus zeitgemäßen struk -

turellen Änderungen der Honorarordnungen aufgeschlossen gegenüber.

Erfahrungen in den Honorarverhandlungen mit der Wiener, der Burgenlän -

dischen bzw. der Tiroler Ärztekammer haben aber gezeigt, daß umfangrei -

che strukturelle Änderungen des Tarifgefüges schwer umsetzbar sind.

Grundlegende Systemumstellungen In Richtung höherer Bezahlung der

persönlichen Betreuung im Zusammenhang mit betriebswirtschaftlich fun -

dierten Parametern (z.B. Fixkostendegression) führen dazu, daß einzelne

Ärztegruppen mit Umsatzeinbußen rechnen müssen.