3890/AB XX.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Volker Kier, Partnerinnen und Partner haben
an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend Zwangsernährung für Schubhäftlinge,
gerichtet und folgende Fragen gestellt:
“1. Mit welchem Vorhaben betreffend eine Lösung des Problems der hungerstrei -
kenden Schubhäftlinge ist der Bundesminister für Inneres an Sie herangetre -
ten?
2. Wie lautet das Ergebnis der darüber geführten Gespräche zwischen den bei -
den Ministerien?
3. Warum sind diese Gespräche - laut Innenminister Schlögl - gescheitert?
4. Halten Sie eine Gesetzesinitiative zur Einführung der Zwangsernährung oder
zur Verbringung in ärztliche Behandlung von hungerstreikenden Schubhäftlin -
gen für angebracht bzw. notwendig? Welchen Beitrag werden Sie dazu lei -
sten?”
Ich beantworte diese Fragen wie folgt:
Zu 1:
Auf Ersuchen des Bundesministeriums für Inneres wurden Gespräche darüber ge -
führt, ob hungerstreikende Schubhäftlinge in Justizanstalten überstellt werden könn -
ten. Das Bundesministerium für Inneres ging dabei von der rechtlichen Überlegung
aus, daß Schubhäftlinge, für die das Fremdengesetz keine rechtliche Möglichkeit
zur Zwangsernährung vorsieht, durch ihre Verbringung in eine Justizanstalt dem
§ 69 StVG über die Zwangsernährung von Strafgefangenen unterlägen.
Zu 2:
Gemäß § 68 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 in Verbindung mit § 53d VStG (auf den
§ 68 Abs. 1 Fremdengesetz verweist) sind auf den Vollzug von Schubhaften in
Justizanstalten die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes über den Vollzug von
Freiheitsstrafen, deren Strafzeit ein Jahr nicht übersteigt, sinngemäß anzuwenden,
soweit dies nicht zu Anlaß und Dauer der Schubhaft außer Verhältnis steht. Bei den
erwähnten Gesprächen vertrat das Bundesministerium für Justiz nun den Stand -
punkt, daß eine - nach § 69 StVG im Strafvollzug grundsätzlich zulässige - Zwangs -
ernährung für den Vollzug von Schubhaften in diesem Sinn unverhältnismäßig wäre.
Dies zeigt sich auch daraus, daß das Fremdengesetz für jene Behörden, die es un -
mittelbar zu vollziehen haben, keine Berechtigung zur Zwangsernährung vorsieht,
woraus geschlossen werden muß, daß dieses Zwangsmittel auch einer bloß Amts -
hilfe leistenden Behörde nicht zur Verfügung steht. Die Bestimmung des § 69 StVG
über die Zwangsernährung ist daher im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrund -
satz des § 53d VStG auf die in Justizanstalten angehaltenen Schubhäftlinge nicht
anzuwenden.
Durch umfangreiche organisatorische Maßnahmen ist es gelungen, Hungerstreiks in
Justizanstalten auf Einzelfälle zurückzudrängen. Bei Aufnahme hungerstreikender
Schubhäftlinge in Justizanstalten müßte mit Beispielwirkungen auf die gerichtlich
Angehaltenen und daher mit Nachahmungen aus diesem Bereich gerechnet wer -
den, und dies würde sich auf die Sicherheit in den Justizanstalten nachteilig auswir -
ken. Im
Hinblick auf die eigentlichen und gegenüber einem subsidiären (vgl.
§ 67
Abs. 1 letzter Satz Fremdengesetz) Schubhaftvollzug vorrangigen Aufgaben der Ju -
stizanstalten mußte sohin auch aus diesem Grund die Übernahme hungerstreiken -
der Schubhäftlinge abgelehnt werden.
Zu 3:
Die Gespräche sind aus Sicht des Bundesministeriums für Justiz keineswegs ge -
scheitert. Zwar wurde das unmittelbare Vorhaben des Bundesministeriums für Inne -
res, hungerstreikende Schubhäftlinge in Justizanstalten anzuhalten und damit das
Problem aus dem Bereich der Innen - an die Justizverwaltung weiterzugeben, nicht
verwirklicht, jedoch bot das Bundesministerium für Justiz an, den betroffenen Behör -
den seine Erfahrungen über den erfolgreichen Umgang mit hungerstreikenden Häft -
lingen zugänglich zu machen. Einschränkend sei freilich bemerkt, daß die Voraus -
setzungen für die erfolgreiche Verhinderung eines Hungerstreiks in einer auf Betreu -
ung ausgerichteten Haft wesentlich besser sind als in einem reinen Verwahrungs -
vollzug.
Zu 4:
Soweit sich diese Frage auf jene geringe Zahl an Schubhäftlingen bezieht, die be -
reits jetzt in Justizanstalten angehalten werden, stellte sich das Problem der
Zwangsernährung bei diesem Personenkreis bisher schon deshalb nicht, weil die
Betroffenen die Schubhaft zumeist im Anschluß an einen gerichtlichen Freiheitsent -
zug verbüßen und sich mit der Haftsituation abgefunden haben. Soweit die Frage
jene Schubhäftlinge betrifft, die außerhalb von Justizanstalten angehalten werden,
fällt ihre Beantwortung ausschließlich in die Zuständigkeit des Bundesministers für
Inneres. Die Justiz vermag dazu aus den dargelegten Gründen nur den zu Frage 3
bereits angesprochenen Beitrag zu leisten.