3911/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr Partik - Pablé und Dr Ofner haben am 25. März 1998

unter der Nr 3915/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend

“Einschränkung der behördlichen Anzeigepflicht" gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:

“Werden Sie im Bereich der an Kindern und Jugendlichen begangenen Straftaten dafür

eintreten, die Anzeigepflicht der Behörden wieder zu erweitern? Wenn nein, warum sind Sie

der Meinung, daß gerade bei Straftaten mit einer erschrecken hohen Dunkelziffer und meist

wehrlosen Opfern darauf verzichtet werden kann, behördlich bekanntgewordene Delikte auch

den Strafverfolgungsbehörden mitzuteilen?”

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Durch die Einschränkung der Anzeigepflicht nach § 84 StPO wurde dem Gedanken Rechnung

getragen, daß die psychosoziale Komponente der Opferhilfe gegenüber der (repressiven)

Strafverfolgung im Vordergrund zu stehen habe. Die Wiedereinführung einer unbedingten

Anzeigepflicht wäre mitunter kontraproduktiv. An die Stelle der Vermeidung von Belastungen

und des Vermittelns in einen Restitutionsprozeß im Sinne einer Wiederherstellung der

leiblichen und seelischen Unversehrtheit des Opfers wurden primär Strafverfolgungsinteressen

wie insbesondere Tatbestandsermittlungen durch Spurensicherung oder mehrfache

Opferbefragungen treten.

Außerdem weise ich darauf hin, daß trotz der Einschränkung der Anzeigepflicht nach

§ 84 StPO die Zahl der bekanntgewordenen Fälle, der Tatverdächtigen und der Verurteilten in

den letzten Jahren stetig angestiegen ist. Aus diesem Umstand kann geschlossen werden, daß

das Bekanntwerden von derartigen strafbaren Handlungen bei den Sicherheitsbehörden und

Gerichten auf vielfältige Weise erreicht und verbessert werden kann, insbesondere durch die

zunehmende Sensibilisierung des Umfelds eines Gewaltopfers oder durch die Hilfestellung

nicht anzeigepflichtiger Einrichtungen, die durch eine Beratung und begleitende Betreuung die

Bereitschaft des Opfers, eine Strafverfolgung einzuleiten, erhöhen.