3947/AB XX.GP

 

Zur vorliegenden Anfrage führe ich folgendes aus:

Zu Frage 1:

Im Bereich meines Ressorts gibt es keine Geldleistungen, die die finanzielle Lebensgrundlage

eines Leistungsempfängers bilden und die - ohne daß es sich um eine Sanktion handelt - mehr

als ein Monat entfallen können.

So ist es etwa im Bereich der Sozialversicherung lediglich bei im Gesetz genau festgelegten

Einzelfällen vorgesehen, daß der Versicherte mehr als einen Monat keine oder nicht die volle

Leistung beziehen kann. Zu erwähnen sind hierbei die Bestimmungen über das Verwirken des

Leistungsanspruches, die Vorschriften über das Ruhen der Leistungsansprüche bei Haft und

Auslandsaufenthalt und die Versagung bestimmter Geldleistungen.

Hierzu ist jedoch auszuführen, daß Pensionsansprüche - wie andere Geldleistungsansprüche -

nur dann verwirkt sein können, wenn der Versicherungsfall auf vorsätzlicher Selbstbeschädi -

gung beruht oder durch vorsätzliche strafbare Handlung veranlaßt wurde. Weiters kann der

Sozialversicherungsträger eine Pension ganz oder teilweise auf Zeit versagen, wenn sich der

Pensionsbezieher einer Nachuntersuchung oder Beobachtung entzieht. Entzieht sich der

Betroffene den Maßnahmen der Rehabilitation oder vereitelt oder gefährdet er durch sein Ver -

halten ihren Zweck, so sind, wenn ihm diese Maßnahmen unter Berücksichtigung der Dauer

und des Umfanges seiner Ausbildung sowie der von ihm bisher ausgeübten Tätigkeit zumutbar

sind, das Übergangsgeld und allfällige Zuschüsse und Zulagen zu versagen.

Ohne Sanktionscharakter können derartige Fälle nur dann auftreten, wenn dem zuständigen

Sozialversicherungsträger die notwendigen Unterlagen zur Leistungsfeststellung noch nicht

oder nur unzureichend bekannt sind. Derartige Verzögerungen liegen meist nicht im Einflußbe -

reich des Sozialversicherungsträgers. Um Härtefälle zu vermeiden, erbringen die Sozialversi -

cherungsträger in manchen Bereichen Vorschußleistungen, wenn bereits zum Zeitpunkt der

Antragstellung erkennbar ist, daß alle Voraussetzungen für die Leistung dem Grunde nach

erfüllt sind.

Zu Frage 2:

Geldleistungen können im Bereich der gesetzlichen Sozialversicherung unter das exekutions -

rechtliche Existenzminimum gekürzt werden, wenn ein Fall der Aufrechnung vorliegt. § 103

ASVG enthält die Ermächtigung für die Versicherungsträger, eigene Forderungen gegen

Anspruchsberechtigte auf die von Ihnen zu erbringenden Geldleistungen aufzurechnen,

beschränkt jedoch die Aufrechnungsmöglichkeit auf geschuldete fällige Beiträge, auf zu

Unrecht erbrachte Leistungen, soweit diese vom Empfänger rückzuerstatten sind, und auf

gewährte Vorschüsse. Die Aufrechnung ist, soweit es sich um geschuldete Beiträge oder zu

Unrecht erbrachte Leistungen handelt, mit der Hälfte der zu erbringenden Leistung begrenzt.

Lediglich Vorschüsse können unbeschränkt aufgerechnet werden. Damit normiert der Gesetz -

geber eine Obergrenze, ohne aber gleichzeitig zum Ausdruck zu bringen, wie hoch die dem

Anspruchsberechtigten zu verbleibende Geldleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes sein

soll.

Rechtlich beurteilt - der Oberste Gerichtshof bestätigt diese Rechtsmeinung - ist die Aufrech -

nungsbestimmung in der Sozialversicherung als eine dem eigentlichen Exekutionsrecht vor -

rangige spezielle Norm zu betrachten. Es ist daher eine Aufrechnung in den pfändungsfreien

Teil rechtlich zulässig.

Es bleibt somit dem Ermessen der Sozialversicherungsträger überlassen, die Höhe der Abzugs -

rate auf relativ niedrigem Niveau festzulegen. Von den Sozialversicherungsträgern wird jeweils

im Einzelfall geprüft, ob die Aufrechnung für den Versicherten eine soziale Härte darstellt. Im

begründeten Einzelfall wird daher der Einbehalt nur in der Höhe durchgeführt, die dem Versi -

cherten die Geldleistung in Höhe des Existenzminimums beläßt.

Auch bei der bescheidmäßigen Rückforderung von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und

Karenzgeld kann diese auf die zu erbringenden Leistungen bis zur Hälfte aufgerechnet werden.

Zur Rückforderung kommt es bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer

Leistung, wenn der Leistungsempfänger den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Ver -

schweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen mußte, daß die

Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührt hat.

Im Bereich des Pflegegeldes sind Übergenüsse lediglich dann zu ersetzen, wenn der Zahlungs -

empfänger den Bezug durch bewußt unwahre Angaben, bewußte Verschweigung wesentlicher

Tatsachen oder durch Verletzung der Anzeigepflicht herbeigeführt hat oder wenn der

Zahlungsempfänger erkennen mußte, daß das Pflegegeld nicht oder nicht in dieser Höhe

gebührte. Ist die sofortige Hereinbringung durch Aufrechnung oder Rückzahlung auf Grund

der wirtschaftlichen Verhältnisse des Ersatzpflichtigen oder nach der Lage des Falles nicht

möglich oder unbillig, ist die Abstattung in Raten zu bewilligen oder kann die Forderung vom

Entscheidungsträger gestundet werden. Stundungszinsen dürfen nicht vorgeschrieben werden.

Wenn die Verpflichtung zum Ersatz eine besondere Härte bedeuten würde, kann von der

Hereinbringung abgesehen werden.

Zu Frage 3:

Die Schaffung einer Bestimmung, der zufolge bei Gegenforderungen eine weitere Obergrenze

- etwa auf drei Viertel des Existenzminimums - gezogen wird, ist für die Sozialversicherungs -

gesetze derzeit nicht geplant. In diesem Zusammenhang soll erwähnt werden, daß die im § 103

ASVG vorgesehene Beschränkung auf die Hälfte bislang ausreichend war.

Auch in anderen Bereichen - etwa der Arbeitslosenversicherung - erscheint die Schaffung einer

derartigen Grenze, nicht sinnvoll:

Einerseits können bereits bei der Vorschreibung von Rückforderungen Ratenzahlungen

gewährt werden. Darüber hinaus können offene Forderungen gestundet bzw. bei Uneinbring -

lichkeit abgeschrieben werden. Dies erfolgt entsprechend den Richtlinien des Bundesministeri - 

ums für Finanzen über die Einbringung bzw. Ratengewährung von Forderungen.

Andererseits würde eine gesetzliche Mindestgrenze spekulativen Leistungsmißbräuchen Tür

und Tor öffnen. Das Existenzminimum nach dem Exekutionsrecht setzt sich aus dem allgemei -

nen Grundbetrag, dem Unterhaltsgrundbetrag je Angehörigen, dem allgemeinen Steigerungsbe -

trag und dem Unterhaltssteigerungsbetrag je Angehörigen zusammen. Bei Unterhaltsexekutio -

nen sind zwar nur 75 % davon unpfändbar, dennoch ist dieser Betrag noch immer so hoch, daß

bei dieser Grenze die Rückforderungen von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung

lediglich in einem sehr geringen Umfang hereingebracht werden könnten. Der überwiegende

Teil der Rückforderungen von ungerechtfertigten Leistungsbezügen müßte daher abgeschrie -

ben werden, was sicher nicht im Interesse der Gemeinschaft der Beitragszahler gelegen ist.