3951/AB XX.GP
Die Abgeordneten Dr. Martin Graf, Mag. Stadler und Kollegen haben am 3. April unter der
Zl. 4017/J - NR/1998 an mich eine schriftliche Anfrage betreffend Christen in der Türkei
gerichtet, welche folgenden Wortlaut hat:
“1. Welche Maßnahmen wurden seitens Ihres Ressorts bisher gesetzt, damit die Diskri -
minierung und Verfolgung der Christen in der Türkei, insbesondere der syrischen
Christen in Südostanatolien beendet wird?
2. Hat Österreich diesbezüglich auf bilateraler Ebene interveniert?
• Wenn ja, mit welchem Erfolg?
• Wenn nein, warum nicht?
3. Was hat Österreich diesbezüglich auf EU - Ebene (z.B. im Rahmen der GASP) oder im
Assoziationsrat EG - Türkei oder bei sonstigen Beratungen des RAA unternommen?
4. Werden Sie diesbezüglich weitere Schritte ergreifen?
• Wenn ja, welche?
• Wenn nein, warum nicht?
5. Was hat Österreich diesbezüglich auf multilateraler Ebene (z.B. Europarat, Men -
schenrechtskommission der VN, OSZE) unternommen?
6. Ist Ihnen die besonders schwierige Situation der Christen im Gebiet des Tur Abdin
bekannt?
• Wenn ja, was hat Österreich gegen das seitens der Türkei ausgesprochene Verbot in
den Klöstern Mar Gabriel und Deir - es - Safaran aramäischen Religionsunterricht zu
erteilen, gegen das Verbot der Weiterführung der Internate sowie des Gästebetriebes
unternommen?
7. Aus welchen konkreten Gründen ist für Sie eine weitere Annäherung der Türkei an die
Europäische Union bzw. die Einbeziehung der Türkei in den Erweiterungsprozeß
wünschenswert bzw. notwendig?”
Ich beehre mich, diese Anfrage wie folgt zu beantworten:
Zu den Fragen 1 und 5:
Österreich widmet der Lage der Christen in der Türkei, insbesondere der syrischen christ -
lichen Minderheit in Südostanatolien, seit längerem erhöhte Aufmerksamkeit. Die österrei -
chische Botschaft in Ankara unterhält diesbezügliche Kontakte mit der Apostolischen
Nuntiatur, den anderen EU - Botschaften sowie dem UNHCR.
Österreich hat gegenüber der türkischen Regierung mehrfach seine Erwartung zum Aus -
druck gebracht, daß die Türkei als Mitglied des Europarates und der Vereinten Nationen
alle notwendigen Maßnahmen ergreift, um Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechtsschutz
sicherzustellen. In diesem Zusammenhang erscheint es wichtig, daß die Türkei die Zu -
sammenarbeit mit den internationalen Organen, die im Bereich des Menschenrechts -
schutzes tätig sind, verstärkt. Österreich hat im Rahmen der 54.Tagung der VN -
Menschenrechtskommission eine Resolution über die Eliminierung aller Formen der reli -
giösen Intoleranz und der religiösen Diskriminierung miteingebracht, mit der das Mandat
des VN - Sonderberichterstatters über religiöse Intoleranz verlängert wird. Der Sonderbe -
richterstatter hat in seinem letzten Bericht an die VN - Menschenrechtskommission auch
auf Verletzungen der Religionsfreiheit in der Türkei aufmerksam gemacht.
Zu den Fragen 2 und 3:
Es ist wichtig und notwendig, diese Frage gegenüber der türkischen Seite bei jeder sich
bietenden Gelegenheit anzusprechen. Ich habe die Frage der Nichtdiskriminierung der
syrischen Christen in der Südosttürkei gegenüber Ministerpräsident Mesut Yilmaz bei sei -
nem Österreichbesuch am 5./6.November v.J. eigens angesprochen.
Fortschritte der Türkei im Bereich der Menschenrechte, wozu auch die Vermeidung der
Diskriminierung religiöser Minderheiten zählt, waren eine Vorbedingung für die Zustim -
mung sowohl des EU - Außenministerrates als auch des Europäischen Parlaments zur
Zollunion EU - Türkei; Österreich hat diese Position im Sinne der Stellungnahme des
Hauptausschusses des Nationalrats vom 3. März 1995 voll mitgetragen. Der EU -
Außenministerrat hat bereits im April 1997 ein Maßnahmenpaket für eine verstärkte Zu -
sammenarbeit EU - Türkei beschlossen, das auch politische Maßnahmen im Bereich der
Menschenrechte und Demokratisierung enthält. Auch in den Schlußfolgerungen des Vor -
sitzes des Europäischen Rates von Luxemburg vom 12. /13.12.1997 wird daran erin -
nert, daß die Achtung der Menschenrechte und der Schutz von Minderheiten für die Ver -
tiefung der Beziehungen mit der Europäischen Union unabdingbar
sind. Im Rahmen der
54. Tagung der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen (März/April 1998) hat
die EU ihre Sorge über die Lage der Menschenrechte in der Türkei ebenfalls zum Aus -
druck gebracht.
Zu Frage 4:
Österreich wird auch in Zukunft jede sich bietende Gelegenheit wahrnehmen, um sowohl
bilateral auf die Notwendigkeit einer Verbesserung der Menschenrechtslage in der Türkei
hinzuweisen als auch innerhalb der EU gegenüber der Türkei dafür einzutreten, auf die
Achtung der Menschenrechte und den Schutz religiöser Minderheiten hinzuwirken.
Zu Frage 6:
Nach den vorliegenden Informationen, die sich auch auf Kontakte und Konsultationen der
EU - Botschaften in der Türkei, unter anderem mit den USA, stützen, hat sich die Situation
bezüglich des Religionsunterrichtes und Gästebetriebes etwas entschärft. Österreich ist
sich aber nicht zuletzt aufgrund von Kontakten der Botschaft mit kirchlichen Institutionen
in der Türkei bewußt, daß u.a. die Klöster Mar Gabriel und Deir - es - Safaran noch immer
mit diversen Schwierigkeiten - wie keinen behördlichen Genehmigungen für notwendige
Restaurierungsarbeiten an den Gotteshäusern, de facto - Verbot des religiösen Unterrichts
in einer anderen Sprache als Türkisch und Verbot zur Beherbergung von Besuchern in
den Klosteranlagen - zu kämpfen haben. Dabei scheinen diese Probleme eher auf Ebene
der Regionalbehörden zu bestehen. Österreich wird diese Probleme sowohl bei seinen
bilateralen Kontakten mit der Türkei als auch im multilateralen Rahmen weiter anspre -
chen.
Zu Frage 7:
Österreich hat ein starkes Interesse an einer wirtschaftlich und sozial stabilen Türkei, die
ihren pro - europäischen Kurs fortsetzt und in der gesamten Region stabilisierend und mä -
ßigend wirkt. Österreich unterstützt die weitere Integration der Türkei in die Strukturen der
Europäischen Union, wie sie zuletzt beim Europäischen Rat von Luxemburg im Dezember
v.J. bekräftigt wurde, wonach die Türkei grundsätzlich für eine EU - Mitgliedschaft in Frage
kommt. Die Türkei wird nach den gleichen objektiven Standards und Kriterien wie andere
beitrittswillige Länder beurteilt werden, wozu u.a. die Einhaltung der Menschenrechte in
allen Bereichen gehört.