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Die Abgeordneten zum Nationalrat Dkfm. Josef MühlbachIer und Kollegen haben an

mich eine schriftliche Anfrage, betreffend Schließung von Bezirksgerichten, gerichtet

und folgende Fragen gestellt:

''1 . WeIche leistungsbezogenen Werteinheiten weisen die oberösterreichischen

Einmanngerichte, einschließlich der Gerichte, welche durch richterliche Dop-

pelplanstellen besetzt sind,

a) im richterlichen Dienst 1993, 1994 und 1995,

b) im nichtrichterlichen Dienst zwischen 1993 und 1995

auf?

2. Welche Werteinheiten weisen im Vergleich dazu die Kreisgerichte Wels,

Steyr und Ried im Zeitraum 1993 - 1995

a) im richterlichen Dienst

b) im nichtrichterlichen Dienst

auf?

3. Wieviele Bezirksgerichte sind in NÖ aufgrund der Strukturreform geschlossen

worden?

4. Welche Bezirksgerichte mußten in NÖ nach der Strukturreform aufgrund von

Zusammenlegungen baulich verändert werden?

5. Welche Kosten sind dadurch angefallen?

6. Wieviele Notariate sind an den Standorten aufgelöster Bezirksgerichte ge-

schlossen worden?

7. Können Sie sich für die Aufrechterhaltung ländlicher lnfrastrukturen und von

Arbeitsplätzen im ländlichen Raum eine Umorganisation in der Weise vorstel-

len, daß die nichtrichterlichen Dienste durch EDV-Vernetzungen mit größeren

Einheiten in ihrer Existenz nachhaltig abgesichert werden können (Computer-

arbeitsplätze)?''

lch beantworte diese Fragen wie folgt:

Zu 1 und 2:

Der Geschäftsanfall der Gerichte wird seit Mitte der Siebzigerjahre im Rahmen des

Betrieblichen Informationssystems (BlS) der Justiz ermittelt. Seit Anfang der Achtzi-

gerjahre verfügt das Justizressort auch über - im Rahmen des Personalinformati-

onssystems (PIS) erhobene - Daten über das Verwendungsausmaß der Richter und

der anderen Gerichtsbediensteten in den einzelnen Geschäftssparten, sodaß auch

Vergleiche über die Auslastung in den einzelnen Kalenderjahren und zwischen den

einzelnen Gerichten angestellt werden können.

Zur ErmittIung der Auslastung der Richter eines Bezirksgerichtes wurde justizintern

im Laufe der letzten 15 Jahre folgende Formel entwickelt:

Zunächst werden die Anteile eines jeden Bezirksgerichtes in den jeweils letzten drei

Jahren

- am GesamtanfaIl aller Bezirksgerichte (darunter ist der Anfall in aIIen Geschäftsgattungen

mit Ausnahme der Justizverwaltungssachen und der Grundbuchsauszüge zu verstehen),

- am richterlichen Sonderanfall aller Bezirksgerichte (darunter ist der AnfaIl in bestimmten

Geschäftsgattungen zu verstehen. der in erster Linie vom Richter zu erledigen ist) und

- an den richterlichen Erledigungen aller Bezirksgerichte (darunter sind die Erledigungen in

den Geschäftsgattungen des Sonderanfalls zu verstehen)

errechnet. Aus den für jedes Bezirksgericht ermittelten Prozentwerten wird das arith-

metische MitteI gebildet. Dieser MitteIwert gibt den ldealanteil eines Bezirksgerichtes

an der Gesamtzahl der auf der Organisationsebene der Bezirksgerichte bundesweit

systemisierten Richterplanstellen wieder.

ln der angeschlossenen Auswertung wird diese ''ldealbesetzung nach BlS/PlS,' der

derzeitigen Systemisierung der Bezirksgerichte in Oberösterreich, bei denen jeweils

nicht mehr als eine (ganze) Richterplanstelle systemisiert ist, gegenübergestellt. Aus

der Differenzspalte geht eine deutliche Überdotierung dieser Bezirksgerichte im

Richterbereich hervor.

lm Rahmen der Arbeiten in meinem Ressort für ein zeitgemäßes Justizmanagement

ist im Jahr 1993 das auf Controlling-Systeme spezialisierte Schweizer Management-

beratungsunternehmen ROl Seidel & Partner im Einvernehmen mit den PersonaI-

und Standesvertretern beauftragt worden, ein ControIling-lnstrument für den ange-

messenen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Einsatz der personellen Ressourcen

im Bereich der Gerichtsbarkeit zu erstellen. Nach Abwicklung eines Pilotprojektes

auf der Organisationsebene der Bezirksgerichte zeigte sich, daß die von der Firma

ROI Seidel & Partner - zunächst für die Wirtschaft entwickelte - ''Personalanforde-

rungsrechnung'' nach entsprechender Adaptierung auch ein für den Bereich der Ge-

richtsbarkeit geeignetes Meßsystem ist. Die auf Grund der Personalanforderungs-

rechnung ermittelte ldeaIdotierung für die in Rede stehenden Bezirksgerichte in

Oberösterreich ist in der angeschlossenen Übersicht unter der Bezeichnung ''Richter

ldealbesetzung nach PAR'' ausgewiesen.

Ein VergIeich der herkömmlichen Berechnungsmethode und der Personalanforde-

rungsrechnung zeigt einen hohen Übereinstimmungsgrad der Ergebnisse der bei-

den Meßsysteme. Obwohl bei einem erheblichen Teil der angeführten Bezirksge-

richte nur sogenannte ''DoppelpIanstellen'' systemisiert sind, zeigen beide Meßsy-

steme, daß bei diesen Bezirksgerichten Überdotierungen in einem Maß bestehen,

die mit den Verfassungsgeboten der Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Spar-

samkeit in Widerspruch stehen.

Zu Vergleichszwecken werden in der angeschlossenen Übersicht auch die entspre-

chenden Werte für die Bezirksgerichte am Sitze der in der Anfragen genannten Lan-

desgerichte Wels, Steyr und Ried im lnnkreis und auch die Werte für die Landesge-

richte Wels, Steyr und Ried im lnnkreis angeführt. Dabei ist jedoch zu beachten, daß

für die Landesgerichte noch keine Werte aus der Personalanforderungsrechnung

vorliegen. Die Einbeziehung der Landesgerichte in die Personalanforderungsrech-

nung ist erst mit Beginn dieses Jahres in Angriff genommen worden; die ersten Er-

gebnisse werden voraussichtlich gegen Ende dieses Jahres vorliegen.

Die Einbeziehung der nichtrichterlichen Bediensteten der Gerichtshöfe erster In-

stanz und der Bezirksgerichte in die Personalanforderungsrechnung ist erst für die

nächsten Jahre in Aussicht genommen. Für den Bereich der nichtrichterlichen Be-

diensteten steht daher nur die herkömmliche Berechnungsmethode - basierend auf

dem Betrieblichen lnformationssystem und dem Personalinformationssystem - zur

Verfügung. Gegenüber der Berechnung für den Richter- und RechtspfIegerbereich

besteht insofern ein Unterschied, als der sogenannte Gesamtanfall hier stärker,

nämlich mit 50 %, in die Berechnung Eingang findet, während der richterliche Son-

deranfall und die richterlichen Erledigungen dementsprechend in geringerem Maße,

nämIich nur jeweils mit 25 %, berücksichtigt werden. Die Ergebnisse dieser Berech-

nung sind aus der rechten Seite der angeschlossenen Übersicht ersichtIich. Auch

diese Berechnung zeigt, daß die Bediensteten der kleinen Bezirksgerichte in der Re-

gel deutIich niedriger ausgelastet sind als die Bediensteten im Bundesdurchschnitt.

Zu 3:

Mit Wirkung vom 1. Jänner 1992 sind in Niederösterreich vierzehn Bezirksgerichte

mit Nachbarbezirksgerichten zusammengelegt worden.

Zu 4:

Solche Baumaßnahmen wurden in den Gerichtsgebäuden Gänserndorf, Gmünd,

Ybbs und Zwettl durchgeführt.

Zu 5:

Ca. 3,5 Mio S.

Zu 6:

Das Bundesministerium für Justiz ist - in Übereinstimmung mit den Ländern - bei der

Zusammenlegung von Bezirksgerichten regelmäßig davon ausgegangen, daß die

Notare an ihren Amtssitzen verbleiben sollen, weil sie dort eine wichtige Funktion

als juristische AnlaufsteIIe erfüllen. Diese Vorgangsweise hat sich auch aus der

Sicht der Notare bewährt. Bisher ist auch keine dieser Notarstellen aufgelassen wor-

den.

Zu 7:

Die Schaffung von sogenannten Telearbeitsplätzen (in der Anfrage als Computerar-

beitsplätze bezeichnet) in der Form, daß nichtrichterliche Bedienstete an Bildschirm-

arbeitsplätzen örtlich getrennt von den Rechtsprechungsorganen (Richter und

Rechtspfleger) oder allenfalls auch vom übrigen Kanzleibereich arbeiten, wird bei

den Eingangsgerichten (Gerichtshöfen erster lnstanz und Bezirksgerichten) nicht

möglich sein. Die Kanzleiarbeit bei den Eingangsgerichten steht im engen und ört-

lich nicht trennbaren Konnex mit der Tätigkeit der Richter und Rechtspfleger. Wenn

auch § 89b des Gerichtsorganisationsgesetzes idF BGBI. Nr. 343/1989 für bestimm-

te Eingaben an das Gericht und für bestimmte gerichtliche Erledigungen den elek-

tronischen Rechtsverkehr vorsieht, wird dennoch auch künftig - zumindest in abseh-

barer Zeit - der überwiegende TeiI der Eingaben an das Gericht und der gerichtli-

chen Erledigungen, insbesondere wenn Urkunden und Beilagen zu übermitteIn sind,

in Papierform eingebracht bzw abgefertigt werden müssen. lnsbesondere bei den

Bezirksgerichten, bei denen häufig auch unvertretene Parteien auftreten, die nicht

über die technischen Einrichtungen für den elektronischen Rechtsverkehr verfügen,

muß der herkömmliche Rechtsverkehr unbeeinträchtigt aufrecht erhalten werden.

Der Aktenlauf innerhalb des Gerichtes wird auch künftig größtenteils in Papierform -

nicht zuletzt auch zur Sicherung der Akteneinsichtsrechte der unvertretenen Partei-

en - abgewickelt werden müssen. Da im Gerichtsbetrieb auch mündliche lnstruktio-

nen seitens der Rechtsprechungsorgane an die Kanzleibediensteten und Rückfra-

gen der Kanzleibediensteten an die Rechtsprechungsorgane unverzichtbar sind, ist

die gleichzeitige Anwesenheit der handelnden Personen im lnteresse der vom Ge-

richt erwarteten Effizienz und Effektivität unerläßlich.