3984/AB XX.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Edith Haller, Dr. Harald Ofner und Kollegen ha -
ben an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend Unterhaltsvorschußgesetz, ge -
richtet und folgende Fragen gestellt:
“1. Sind Ihnen Fälle wie der in der Einleitung beschriebene bekannt, bei denen
trotz Unterhaltsvorschußgesetz ein Kind ohne Unterhaltsleistungen aufgezo -
gen werden muß?
Wenn ja, wie viele?
2. Welche Möglichkeiten sehen Sie, für diese Fälle im Unterhaltsvorschußgesetz
eine geeignete Vorsorge zu treffen?
3. Wie hoch würde der finanzielle Bedarf für eine solche Maßnahme sein?
4. Werden Sie einen dementsprechenden Vorschlag in absehbarer Zeit dem Na -
tionalrat vorlegen?
Wenn nein, warum nicht?”
Ich beantworte diese Fragen wie folgt:
Zu 1 bis 4:
In dem in der Anfragebegründung angeführten Einzelfall zeigen sich die - auch sei -
nerzeit dem Gesetzgeber durchaus bewußten - Grenzen des Unterhaltsvorschußge -
setzes. Dem Bund ist es nämlich aus kompetenzrechtlichen Gründen (Art. 10 Abs. 1
Z 6 und Art. 12 Abs. 1 Z 1 B - VG) verwehrt, im Rahmen des
Unterhaltsvorschuß -
rechts für alle Fälle sozialer Notlagen minderjähriger Kinder Vorsorge zu treffen:
Kompetenzrechtlich abgesicherte Aufgabe des Unterhaltsvorschußgesetzes ist es,
bestehende gesetzliche Unterhaltsansprüche in bestimmten Krisenfällen durch den
Bund vorzufinanzieren. Es handelt sich dabei hauptsächlich um Unterhaltsansprü -
che, die der Unterhaltsberechtigte auch mit Hilfe der Jugendwohlfahrtsträger oder
der Gerichte nicht selbst hereinbringen kann, weil die gerichtliche Exekution eines
vollstreckbaren Unterhaltstitels ins Leere geht oder weil die gerichtliche Festsetzung
des Unterhalts als Folge einer Abwesenheit des Schuldners unmöglich ist. Diese
Konstruktion ist auch die Rechtfertigung für die Eingliederung des Unterhaltsvor -
schußgesetzes unter den Kompetenztatbestand “Zivilrechtswesen” nach Art. 10
Abs. 1 Z 6 B - VG: In den beschriebenen Fällen, in denen ein im Zivilrecht begründe -
ter “gesetzlicher Unterhaltsanspruch” besteht, ist der Bundesgesetzgeber legitimiert,
den Anspruch durch eine staatliche Vorschußleistung abzusichern. Besteht kein
“gesetzlicher Unterhaltsanspruch” (mehr), weil der Unterhaltspflichtige nicht (mehr)
leistungsfähig oder - wie im vorliegenden Fall - verstorben ist, so ist nach dem kom -
petenzrechtlich bedingten System des Unterhaltsvorschußgesetzes insoweit keine
Unterhaltsvorschußleistung durch den Bund möglich. In einem solchen Fall tritt dann
entweder die gesetzliche Unterhaltspflicht anderer Personen (der Mutter und in wei -
terer Folge der Großeltern) ein, auf die allenfalls - bei Zutreffen der Voraussetzun -
gen des Unterhaltsvorschußgesetzes - Vorschüsse geleistet werden können, oder
es sind - wenn solche Unterhaltspflichten nicht bestehen - die Länder unter dem
Kompetenztatbestand Sozialhilfe (“Armenwesen") gemäß Art. 12 Abs. 1 Z 1 B - VG
gefordert.
Ich sehe somit aus kompetenzrechtlichen Gründen keine Möglichkeit, für Kinder, die
konkret keinen im Zivilrecht begründeten Unterhaltsanspruch haben, einen Unter -
haltsvorschuß vorzusehen.
Das Bundesministerium für Justiz führt keine Aufzeichnungen über Fälle, in denen -
wie in dem in der Anfrage aufgezeigten - Unterhaltsvorschußleistungen nicht er -
bracht werden können. Ich kann daher auch nicht angeben, welcher Aufwand dem
Bund durch Unterhaltsleistungen in diesen Fällen entstehen würde.