3988/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Maria Theresia Fekter und Kollegen haben

an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend "Verbesserter Zugang zum Recht”, ge -

richtet und folgende Fragen gestellt:

"1. Welche Möglichkeiten bestehen zur Zeit, um dem einzelnen Bürger den Weg

zu Gericht zu erleichtern ?

2. Welche kostenlosen Angebote gibt es für den rechtsuchenden Bürger?

3. Wie erfährt der Bürger von diesen Angeboten?

4. Ist daran gedacht, dieses Service auch im Internet anzubieten ?

5. Gibt es Statistiken über die Annahme der Services der Justiz?

6. Welche zusätzlichen Angebote planen Sie im Sinne eines verbesserten Zu -

gangs zum Recht?

7. Gibt es bei den einzelnen Gerichten Personen, die für die Verbesserung der

Orientierungshilfen am jeweiligen Gericht zuständig sind?

8. Gibt es in diesem Bereich einen Erfahrungsaustausch zwischen den Gerichten,

um die wechselseitigen Erfahrungen zu verwerten?

9. Welche Verbesserungen sind in diesem Bereich möglich ?"

Bevor ich auf die einzelnen Fragen eingehe, halte ich fest, daß aus meiner Sicht der

“Zugang zum Recht" allen Institutionen des demokratischen Rechtsstaates und de -

ren Funktionsträgern ein zentrales Anliegen sein muß, das ständig mit dem Ziel

wahrgenommen wird, die Rechtsschutzeinrichtungen und das Wissen der rechts -

schutzsuchenden Bevölkerung darüber zu verbessern, um so das für den Rechts -

staat unverzichtbare Vertrauen der Bevölkerung in diesen zu erhalten, zu festigten

und zu stärken.

Die einzelnen Fragen beantworte ich wie folgt:

Zu 1 bis 3:

Die in der Anfrage angesprochenen Erleichterungen des Weges zu Gericht sind ein

wichtiger Teilaspekt eines verbesserten Zugangs zum Recht. Soweit für diesen Weg

zu Gericht nicht die rechtsfreundliche Vertretung durch selbstgewählte Rechtsvertre -

ter, sei es durch Rechtsanwälte oder Notare, sei es durch gesetzliche oder auf frei -

williger Mitgliedschaft beruhende Interessensvertretungen in Anspruch genommen

wird bzw. in Anspruch genommen werden muß, sind folgende Einrichtungen, Maß -

nahmen und lnformationsbroschüren zur Erleichterung des Weges zu Gericht zu

nennen:

die Amtstage der Gerichte, die bundesweit (grundsätzlich und zumindest) jeden

Dienstag abzuhalten sind:

bei den Amtstagen sind zur Befriedigung aktueller Rechtsschutzbedürfnisse

- Rechtsauskünfte zu (potentiell möglichen) Gerichtsverfahren zu erteilen,

- mündliche Anträge, Klagen und Erklärungen, für die die Gerichte zuständig

sind, entgegenzunehmen, und

- Vergleichsversuche mit dem Ziel, prätorische Vergleiche abzuschließen,

durchzuführen.

Sofern sich im Rahmen der Vorsprache bzw. des Parteianbringens Anhaltspunk -

te für eine mögliche Anwendung der Verfahrenshilfe oder sonstiger Gebührenbe -

freiungsbestimmungen ergeben, umfaßt die gerichtliche Belehrungspflicht auch

die Information über die Verfahrenshilfe (einschließlich der Beigebung eines

Rechtsanwaltes).

Soweit sich Auskunftbegehren auf Fragen des Scheidungsrechtes beziehen, ist

als Erstinformation und gleichzeitige Rechtsbelehrung das mit Erlaß des Bundes -

ministeriums für Justiz vom 14. April 1993, JABl. Nr.25, aufgelegte Merkblatt

"Rechtliche Folgen einer Scheidung - Kurzinformation” auszufolgen.

• die Gerichtstage (= dislozierte Amtstage), die außerhalb von Gerichtsstandorten,

  insbesondere an ehemaligen Gerichtsstandorten, regelmäßig abgehalten wer -

  den.

• Verbrechensopferberatung: Das Bundesministerium für Justiz und die österrei -

  chische Rechtsanwaltschaft haben sich dahin verständigt, daß Rechtsanwälte im

  Rahmen der unentgeltlichen "Ersten anwaltlichen Auskunft" bundesweit - grund -

  sätzlich im Anschluß an den bezirksgerichtlichen Amtstag im jeweiligen Gerichts -

  gebäude - kostenlose Beratung für Verbrechensopfer durchführen.

• die "auswärtige Abfrage” aus dem ADV - Grundbuch und aus dem ADV - Firmen -

  buch: Seit dem Jahre 1987 besteht beim Grundbuch und seit dem Jahre 1993

  auch beim Firmenbuch die Möglichkeit, Eintragungen auch außerhalb von Ju -

  stizdienststellen, insbesondere bei allen Notariaten, bei vielen Rechtsanwalts -

  kanzleien, Banken, Sparkassen, Versicherungsinstituten, Interessenvertretungen

  etc., abzufragen. Derartige Abfragemöglichkeiten bestehen im Rahmen des

  Mehrwertdienstes "A - Online” der Telekom AG, der "Telehost” der Datakom AG

  und über das "Information - Network” von IBM.

  Allein im Jahre 1996 wurden auf diese Weise von etwas mehr als 4.000 Berech -

  tigten etwa 4,5 Mio. Grundbuchabschriften abgerufen und etwa 1 Mio. Firmen -

  buchabfragen durchgeführt. Zum Vergleich sei angeführt, daß von den Gerichten

  rund 650.000 Grundbuchabschriften abgerufen und rund 130.000 Firmenbuchab -

  fragen durchgeführt wurden.

• Auskunftsstelle beim Bundesministerium für Justiz, die während der Dienststun -

  den ständig besetzt ist und fernmündlich aus ganz Österreich zum Ortstarif er -

  reichbar ist.

• Rechtsauskünfte in Notariatskanzleien: In jeder Notariatskanzlei erhält man eine

  umfassende Rechtsberatung, wobei die erste Rechtsauskunft in allen einschlägi -

  gen Tätigkeitsbereichen der Notare kostenlos ist.

• "Erste anwaltliche Auskunft”: In jedem Bundesland ist von der zuständigen

  Rechtsanwaltskammer eine "Erste anwaltliche Auskunft" eingerichtet, die der

  rechtsuchenden Bevölkerung kostenlos zur Verfügung steht. Beratungsort und

  Beratungszeit werden von der zuständigen Rechtsanwaltskammer bekanntgege -

  ben.

• Anwaltlicher Journaldienst: Von den meisten Rechtsanwaltskammern wurde ein

  anwaltlicher Journaldienst an Wochenenden und Feiertagen eingerichtet, der al -

  lerdings kostenpflichtig ist.

• Im Rahmen der Schriftenreihe "Das Bundesministerium für Justiz informiert” ste -

  hen folgende Kurzinformationen zur Verfügung:

o Mietrechtsgesetz heute,

o Eltern und Kinder - Rechte und Pflichten,

o Schöffen und Geschworene in Österreich,

o Die Organisation der Rechtsberufe in Österreich,

o Die rechtlichen Folgen der Scheidung,

o Die Unterbringung psychisch Kranker,

o Sachwalterschaft für behinderte Personen,

o Strafrechtspflege in Österreich,

• Informationsbroschüre "Nimm´s in die Hand” mit dem Untertitel "Information für

  Jugendliche im Umgang mit Justiz und Polizei”, die vom Verein für Bewährungs -

  hilfe und soziale Arbeit mit Unterstützung des Bundesministeriums für Justiz und

  des Bundesministeriums für Inneres herausgegeben wurde.

• Informationsbroschüren "Verbesserter Zugang zum Recht - unentgeltliche

  Rechtsauskunft”, die vom Bundesministerium für Justiz bundesländerweise her -

  ausgegeben wurden und in denen die Anschriften, Telefonnummern und jeweili -

  gen Amtstagszeiten der Bezirksgerichte sowie allfällige Gerichtstagszeiten ange -

  geben sind.

Amts - und Gerichtstage sowie die Auskunftsstelle des Bundesministeriums für Justiz

können grundsätzlich kostenlos in Anspruch genommen werden; ebenso werden die

angeführten Broschüren kostenlos ausgefolgt. Die Broschüre "Schöffen und Ge -

schworene in Österreich” wird der ersten Ladung zu Gericht angeschlossen.

Die Zeiten des Amtstages sind aus den Anschlägen auf den Amtstafeln der einzel -

nen Gerichte ersichtlich, wobei durch einen Ministerratsbeschluß sichergestellt ist,

daß grundsätzlich bei allen Bundesdienststellen jedenfalls der Dienstag Vormittag

als Amtstag zur Verfügung steht. Die Amtstagszeiten können auch fernmündlich bei

den einzelnen Dienststellen erfragt werden; bei vielen Gerichten wird auch die War -

tezeit bei fernmündlichen Anrufen dazu genützt, um mit Tonbandschleifen über die

Zeiten der Amtstage und des Parteienverkehrs zu informieren.

Die Zeiten der Gerichtstage werden auch auf den Amtstafeln der betreffenden Ge -

meinden bekannt gemacht; darüber hinaus erfolgen durch die einzelnen Gemeinden

auch individuelle Verlautbarungen über die Gerichtage.

Zu 4:

Das Bundesministerium für Justiz beteiligt sich an dem - vom Bundesministerium für

Finanzen initiierten - Projekt "@mtshelfer online”, das der Bereitstellung von Basisin -

formationen über Amtswege im Internet dient. Dieses im Projektstadium befindliche

Bürgerservice ist unter "www.help.gv.at” im Internet abrufbar und soll die Abwick -

lung von Amtswegen durch Informationen über zuständige Behörden, Amtsstunden,

erforderliche Unterlagen etc., aber auch über rechtliche Aspekte verschiedener Le -

benssachverhalte erleichtern.

In diesem Zusammenhang weise ich auch darauf hin, daß im Auftrag der österrei -

chischen Bundesregierung für die Zeit der österreichischen EU - Präsidentschaft im

Internet eine eigene Präsidentschafts - Homepage eingerichtet wurde, zu der jedes

Ressort einen Beitrag leistet. Der Beitrag des Justizressorts enthält neben einer ge -

nerellen Darstellung der Aufgaben des Justizressorts das Arbeitsprogramm der Ju -

stiz für die bevorstehende österreichische EU - Präsidentschaft. Die darin enthaltenen

Informationen über Legislativprojekte und während der Präsidentschaft stattfindende

Konferenzen werden laufend aktualisiert.

Vom Justizressort ist in Aussicht genommen, die derzeit in der Broschüre “Verbes -

serter Zugang zum Recht - unentgeltliche Rechtsauskunft” zusammengefaßten In -

formationen über die aktuellen Adressen, Telefon - und Faxnummern sämtlicher Ge -

richte und deren Amtstagszeiten im Rahmen einer geplanten Justiz - Homepage zur

Verfügung zu stellen.

Zu 5.

Über die Inanspruchnahme der Amts - und Gerichtstage sind im Rahmen des - unter

Heranziehung eines Schweizer Management - Beratungsunternehmens - durchge-

führten Projektes "Personalanforderungsrechnung” genaue Erhebungen durchge -

führt wurden, wobei Auswertungen darüber erfolgen, inwieweit die Amts - und Ge -

richtstage in laufenden Gerichtsverfahren sowie außerhalb von anhängigen Verfah -

ren in Anspruch genommen wurden. Dabei hat sich gezeigt, daß durch die

Amtstagstätigkeit außerhalb von anhängigen Gerichtsverfahren jährlich bei den Be -

zirksgerichten die Arbeitskapzität von 28,02 Richtern und von 22,14 Rechtspflegerin

in Anspruch genommen wird. Bei den Landesgerichten beträgt die in Anspruch ge -

nommene Arbeitskapazität 1,71 Richter und 2,29 Rechtspfleger.

Für die Gerichtstage, die ausschließlich von Richtern wahrgenommen werden, er -

gibt sich bei den Bezirksgerichten einschließlich der Reisezeiten eine jährliche Inan -

spruchnahme richterlicher Arbeitskapazität von 2,23 Richtern und bei den Landes -

gerichten im Ausmaß von 2,36 Richtern.

Zu 6:

Als zusätzliches Angebot steht derzeit eine Broschüre (mit rund 40 Seiten Umfang)

zur Verbrechensopferberatung vor ihrer Fertigstellung. Es ist geplant, diese Bro -

schüre über die Gerichte und die Sicherheitsdienststellen an Verbrechensopfer aus -

folgen zu lassen.

Als weitere Maßnahme zur Erweiterung des Serviceangebots bei Gericht wird bei ei -

nigen Bezirksgerichten in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Gesund -

heit, Umwelt und Familie der Modellversuch "Familienberatung bei Gericht” durch -

geführt. Im Rahmen dieses Modellversuchs steht im Gerichtsgebäude während der

gerichtlichen Amtstagsstunden eine unabhängige Familienberatungsstelle zur Verfü -

gung. Eine bundesweite Ausdehnung des Projektes ist - bei Sicherstellung der Fi -

nanzierung - in Aussicht genommen.

Zu 7:

Die Anbringung von Orientierungshilfen und die Durchführung diesbezüglicher Ver -


 

besserungsmaßnahmen fallen in die Zuständigkeit des Präsidenten des Gerichtes -

hofes bzw. des Vorstehers des Bezirksgerichtes, der dabei vom jeweiligen Vorste -

her der Geschäftsstelle unterstützt wird. Die zweckmäßige und sinnvolle Anbringung

von Orientierungshilfen wird auch im Rahmen der Innenrevision (das Revisions -

handbuch der Justiz umfaßt ein eigenes Prüfungsfeld "Erscheinungsbild des Gerich -

tes”, wobei die entsprechende Check - Liste ausdrücklich die Frage enthält: “Orientie -

rungshilfen, Hinweise oder Wegweiser für Parteien?") sowie im Rahmen der Amts -

nachschauen durch die vorgesetzten Präsidenten überprüft.

Zu 8:

Der angesprochene Erfahrungsaustausch erfolgt im Rahmen der in jedem Oberlan -

desgerichtssprengel zumindest zweimal jährlich abzuhaltenden Präsidentenkonfe -

renzen, bei denen die Sicherung der personellen und sachlichen Voraussetzungen

für den Betrieb der Gerichte, die aktuellen Fragen der Dienstaufsicht und die in Be -

tracht kommenden Förderungen der Rechtspflege zu erörtern sind. Darüber hinaus

berufen auch die Präsidenten der Gerichtshöfe erste Instanz die Vorsteher der un -

terstellten Bezirksgerichte und deren Vorsteher der Geschäftsstellen regelmäßig zu

Dienstaussprachen ein. Wichtig für den Erfahrungsaustausch sind auch die Zusam -

menkünfte der Leitenden Visitatoren und der ihnen unterstellten Visitatoren. Erfah -

rungsaustausch findet selbstverständlich auch bei den laufenden Aus - und Fortbil -

dungsveranstaltungen für Richter, Rechtspfleger und Kanzleibedienstete statt.

Zu 9:

Verbesserungen im Zugang zum Recht wären vor allem durch die - auch vom Rech -

nungshof dringend empfohlene - Zusammenlegung von kleinen Bezirksgerichten,

bei denen der Richter nur an einzelnen Tagen der Woche anwesend sein kann,

möglich. Durch die Zusammenlegung dieser kleinen Bezirksgerichte wäre sicherge -

stellt, daß bei den aufnehmenden Bezirksgerichten während der gesamten Woche

zumindest ein Richter für die rechtschutzsuchende Bevölkerung zur Verfügung

steht.