4008/AB XX.GP
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 4291/J-NR/1998 betreffend Thema einer
Deutscharbeit am BG Freistadt, die die Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Kollegen
am 16. April 1998 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:
1. Welche konkrete Aufgabenstellung für die Deutschschularbeit lag dem beiliegenden
Text zugrunde?
Antwort:
Im Anschluss an eine Vorbereitungszeit im Unterricht von ca. 6 Wochen wussten die Schüler,
dass sie verschiedene Zugänge zum vorgelegten Text wählen konnten.
- Gegenrede
- Problemarbeit mit aktuellen Bezügen
- Reflexion (Österreichbild)
- Redeanalyse
2. Welche konkrete Vorbereitung ging dieser Deutschschularbeit im Unterricht voraus?
Antwort:
Die in der 12. bis 18. Schulwoche im Unterricht durchgenommenen Bereiche waren: Satire,
Stilfiguren, analytisches Textverständnis bzw. Analysemöglichkeiten, inklusive politischer Rede
und politisches Tagesgeschehen.
1) Folgende Lehrplaninhalte liegen diesem Arbeitsbereich zu Grunde:
1.1. Sprachliches Gestalten: Sprechen vor anderen
1.2. Sprachbetrachtung: Kommunikationsformen und - faktoren in Texten untersuchen und
beschreiben (Analyse von Reden und Herausarbeiten der rhetorischen Kommunikation).
Die Funktion von Stilfiguren erarbeiten (Kennenlernen der wichtigsten Stilfiguren und
Überprüfung der Kenntnisse an Textbeispielen, Wirkung von Stilfiguren im Zusammenhang
mit dem Inhalt; Redeabsicht)
1.3. Literaturbetrachtung: Texte nach sprachlichen Gesichtspunkten untersuchen, auch
rhetorische Analysen
1.4. Literaturgeschichtliche Orientierung (den Kontext von Texten untersuchen, biographische,
politische, soziale, kulturelle, religiöse Dimensionen)
Interpretation
1.5. Querverbindungen - Religion
1.6. Auswahl der Reden zum Thema Österreich 1938 bis 1998 - Reflexion 1997 Millenniums -
feier; Tausend Jahre Österreich/Kennenlernen der Gattung Satire
1.7. Didaktische Grundsätze: Der Schüler soll durch die Arbeitstechniken auf Berufs - und
Arbeitswelt vorbereitet werden (Hinausgehen in die Realität z.B. durch das praxisorientierte
Reden vor Mikrophon und Pult)
2) Im Detail gingen folgende Vorbereitungen der Schularbeit voraus:
2.1. Auseinandersetzung mit Reden
2.2. Analytischer Zugang Teil 1
2.2.1 Rede des Brutus bzw. Marc Anton aus Shakespeares Drama “Julius Caesar” Lektüre
und Videoausschnitt - Ziele: Herausarbeiten von Stilfiguren bzw. Schreibabsicht und
Analyse der politischen Situation - Lehrervortrag und Mitschrift über die wichtigsten
Stilfiguren (Wissen).
2.2.2 Diachroner Abriss von politisch bzw. religiös motivierten Reden mit fataler Aus -
wirkung: Krieg
• Martin von Pairis: ,,Kreuzzugspredigt”
• Mosaffer Allah Werdi: “Aufruf zum Kampf‘
• Hartmann von Aue: “Dem kruize zimt wol reiner muot”
• “Die Einnahme von
Jerusalem” (Unbek. Verfasser)
Ziele:RhetorischeAnalysenderRedennachIntentionundStilfiguren.z.T.alsHausübung
2.3. Handlungsorientierter Zugang
2.3.1 Rhetorikworkshop in der AK Freistadt am 10.12.1997 (Mikrophon + Pult) —
ca. 3 Stunden + Viedeoaufzeichnung
Ziele: Alle Schüler halten eine Rede und von mind. 5 Minuten Thema frei wählbar - Einzel -
besprechung (in der Schulbibliothek) der Reden mit Hilfe der Videoaufzeichnung und
rhetorische Tips in den Stunden nach dem Workshop
2.4. Analytischer Zugang Teil 2
“ÖSTERREICH” im Spiegel der Literatur (u. a. auch Reden)
Anlass 1938 - 1998 und Millenniumsjahr 1997
2.4.1 Anton Wildgans: “Rede über Österreich” (Lesebuch Impulse 4 S..61)
2.4.2 E. Ringel: Eine neue Rede über Österreich (CD ORF Wien)
2.4.3 H. Lebert: “Schützt Euer Land selbst” (Lesezirkel 1992)
2.4.4 Th. Bernhard: Rede zur Verleihung des österreichischen Staatspreises (aus: “Österreich
zum Beispiel” - Anthologie. Residenzverlag 1962 S.67 Schulbibliothek des BG/BRG
Freistadt BN 809)
2.4.5 A. Brandstetter: Österreich (Lesebuch Impulse 4 S.65)
2.4.6 G. Fritsch: Österreich (Lesebuch Impulse 4 S.63)
2.4.7 P. Weibel: Österreich - ein Fragment (“Österreich zum Beispiel” S.284)
2.4.8 Die österreichische Psyche “Standard” Nov. 1997 - Zeitungsartikel
2.4.9 Synagoge: Bedenken gegen Gedenken “Standard” Nov.1997 - Zeitungsartikel
Ziele: Auseinandersetzung mit "Österreich - Bildern” verschiedener Autoren in verschiedenen
Textsorten und politischen bzw. sozialen Kontexten, Herausarbeiten der in den Texten
formulierten Wesensmerkmale des "Österreichers”. Diskussion darüber - Gattung SATIRE
erkennen können (z.B. Brandstetter - Text bzw. Th. Bernhard (?) - Kreatives Schreiben über
diese Thematik.
3. Wer ist der Autor dieses Textes bzw. wer zeichnet für den Inhalt verantwortlich oder
woraus wurde er entnommen?
Antwort:
Die Schulbibliothek des BG/BRG Freistadt enthält ein Exemplar: UNGER, Heinz, German for
victims. In: DEMMER, Erich (Hg), Umgevolktes Österreich. Satiren gegen Ausländer -
feindlichkeit.
4. Worin liegt - Ihrer Meinung nach - der didaktische Nutzen des vorliegendes Textes für
eine Deutschschularbeit einer 6. Klasse, der eine sprachliche Mischung aus grammati -
kalisch falschem und mit Germanismen bestückten Englisch, umgangssprachlichem
Deutsch und Schriftdeutsch darstellt?
Antwort:
Der Lehrer, Mag. Manfred Seidl, hat vergessen, den Autor bzw. die Quelle zu zitieren. Er wurde
bereits vom Landesschulrat für Oberösterreich dazu aufgefordert, auf die entsprechende
Quellenangabe keineswegs zu verzichten. Die sprachliche Mischung aus grammatikalisch
Falschem bzw. Umgangssprachlichem ist ein Stilmittel der Satire - nicht nur im
deutschsprachigen Raum, sondern im gesamten Sprachspektrum europäischer Kulturen.
Satire, Kabarett und Kleinkunst greifen immer wieder auf dieses Stilmittel zurück, um die
Sprach - und Sprechsituation von Fremden bzw. mit Fremden in einem Land in überzogener
Form dazustellen.
5. Aus welchem konkreten Grund wurde gerade dieser Text als Vorlage zur Themenaus -
wahl für eine Deutschschularbeit einer 6. Klasse ausgewählt, gab es darüber hinaus
weitere Themen und wenn ja, wie lauteten diese?
Antwort:
Weitere Themen wurden nicht vorgelegt, zumal es zu diesem einen Thema verschiedene
Zugangsmöglichkeiten gab. Als Grund kann gelten, dass die Fähigkeit zu Analyse und Reflexion
über Absicht und Wirkung von Texten mit der genannten Vorlage gut nachgewiesen werden
kann.
6. Wie ist Ihre Meinung, insbesondere in Ihrer Verantwortung als Bundesministerin für
Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, zur Textpassage mit folgendem Wortlaut:
“That would be a founded junk - food for Jörg Haider, a g'fundenes Fressen für die Nazi...”
und was sollte den Schülern damit konkret vermittelt werden?
Antwort:
Zuerst ist festzuhalten, dass dieser Satz nicht vom Lehrer stammt, sondern im Text bereits enthalten
ist. Es handelt sich daher um die Wiedergabe eines satirischen Textes aus der Gegenwartsliteratur.
Auch für die Verwendung solcher Texte gilt, was bereits in der Beantwortung der schriftlichen
parlamentarischen Anfrage Nr. 3832/J-NR/98 ausgeführt wurde:
Bei allen Diskussionen und Meinungsäußerungen in der Schule muss darauf geachtet werden, dass
parlamentarischen Vertretern kein strafrechtlich relevantes Verhalten unterstellt wird. Es muss
gesichert sein, dass eine Erziehung zum korrekten Umgang mit historischen Fakten und zur Sorgfalt
in der Bildung von diesbezüglichen Thesen stattfindet.
Nach den vorhergehenden Ausführungen gehe ich davon aus, dass auch die zitierte Textpassage
einer kritischen Diskussion (in schriftlicher Form) unterzogen wurde.