4015/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Kier, Partnerinnen und Partner haben am 16. April

1998 unter der Nr. 4318/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend

"Abschiebung von Ausländern in Staaten, in welchen ihnen Verfolgung droht” gerichtet,

die folgenden Wortlaut hat:

“1. Wie lassen sich Ihre Beteuerungen, daß die Fremdenpolizeibehörden das

Refoulement - Verbot dem Fremdengesetz entsprechend überprüfen, mit dem hier zitierten

VfGH - Erkenntnis in Einklang bringen?

2. Ist davon auszugehen, daß die betroffene Somalierin eine Aufenthaltserlaubnis erhält?

Wenn nein, warum nicht?

3. Wie viele Bescheide, mit denen eine Abschiebung bzw. die Zulässigkeit einer

Abschiebung gegen Somalierinnen und Somalier verfügt wurde, sind nach dem zitierten

VfGH - Erkenntnis aufzuheben?

4. Wie viele Abschiebungen von Somalierinnen und Somaliern in ihr Heimatland sind in

den Jahren 1995 - 1998 (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren) erfolgt?

5. Nach welchen Kriterien haben bisher die Fremdenpolizeibehörden über Abschiebungen

in Hinblick auf die Gefährdungslage in den Herkunftsländern der betroffenen Fremden

entschieden?

6. Werden Sie dem Bundesasylamt einerseits, den Fremdenpolizeibehörden (die über

Abschiebungen - in Nicht - Asyl - Fällen - zu entscheiden haben) andererseits gemäß dem

VfGH - Erkenntnis die Weisung erteilen, ihre Entscheidungen nicht nur auf das Vorbringen

der Ausländer zu stützen, sondern sich auch mit der allgemeinen politischen und

menschenrechtlichen Lage in dem Herkunftsland oder auch dem Drittstaat, aus dem sie

eingereist sind, auseinanderzusetzen? Wenn nein, warum nicht?

7. Existiert bei den für Ausländerangelegenheiten zuständigen Behörden eine

Länderdokumentation, aus der die jeweilige politische und menschenrechtliche Lage aller

Staaten dieser Welt ersichtlich ist? Wenn ja, mit welchen Informationen wird diese

gespeist? Wenn nein, warum nicht?

8. Aus welchem Grund wurde die vom VfGH eingemahnte Vorgangsweise bisher

offensichtlich nicht generell angewendet?

9. Welche Ausbildung besitzen die Fremdenpolizeibehörden, um über das Refoulement -

Verbot gemäß FrG zu entscheiden? Welche Fortbildungsmaßnahmen werden in diesem

Bereich gesetzt?”

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Zu den Fragen 1 und 8:

Die bisherige Praxis der Fremdenpolizeibehörden orientierte sich an der ständigen

Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Demnach hatte der Fremde im Rahmen eines

Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG 1992 das Bestehen einer aktuellen, also im Falle

der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen,

durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinne des § 37 FrG 1992

glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die

Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel

untermauerter Angaben darzutun war. Selbstverständlich hatten sich die

Fremdenpolizeibehörden im Vergleich mit dem konkreten Vorbringen auch mit der

allgemeinen, im betreffenden Staat herrschenden Situation auseinanderzusetzen.

Das in der Anfrage genannte Verfassungsgerichtshof - Erkenntnis weicht von diesem

Standpunkt des Verwaltungsgerichtshofes insoferne ab, als sich die Behörden in einem

solchen Feststellungsverfahren ungeachtet eines konkreten Vorbringens des Fremden mit

der allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Lage in dem betreffenden Land

auseinanderzusetzen oder ihrer Entscheidung geeignete Erkenntnisquellen

zugrundezulegen haben. Für diese Beurteilung sei auch zu prüfen, ob im betreffenden

Staat eine ständige Praxis grober, offenkundiger oder massenhafter Verletzungen der

Menschenrechte herrscht.

Im Zusammenhang mit dem in der Anfrage genannten Fall ist anzumerken, daß im

Verfahren gemäß § 54 FrG 1992 der letztinstanzliche Bescheid am 16.12.1996 erlassen

wurde. Die im obigen Verfassungsgerichtshof - Erkenntnis zitierte Entscheidung des

Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, in welcher hinsichtlich Somalia

festgestellt wurde, daß solche Gefahren vorliegen, ist am 17.12.1996, also einen Tag

nach diesem Bescheid ergangen und konnte daher naturgemäß in diesem Verfahren nicht

berücksichtigt werden.

Zu Frage 2:

Nach den mir vorliegenden Berichten der zuständigen Behörden ist die betreffende

somalische Staatsangehörige, nachdem sie seit dem Jahre 1978 in Saudi Arabien gelebt

hatte, im Jahre 1992 über Libyen, Ägypten und Ungarn nach Österreich gelangt.

Nach Abweisung des Asylantrages wurde die Ausweisung verfügt. Die dagegen

eingebrachte Verwaltungsgerichtshofbeschwerde ist nach wie vor zur Entscheidung

anhängig. Dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wurde

stattgegeben.

Überdies ist zu bemerken, daß der Verfassungsgerichtshof mit dem in Rede stehenden

Erkenntnis den Berufungsbescheid zwar hinsichtlich der Feststellung gemäß § 37 Abs. 1

FrG 1992 aufgehoben, jedoch die Entscheidung hinsichtlich § 37 Abs. 2 FrG 1992 dem

Verwaltungsgerichtshof überlassen hat und letzteres Verfahren noch anhängig ist.

Aufgrund dieser beim Verwaltungsgerichtshof offenen Verfahren kann derzeit keine

bindende Aussage über den zukünftigen aufenthaltsrechtlichen Status der betreffenden

somalischen Staatsangehörigen gemacht werden.

Zu Frage 3:

Grundsätzlich hat die Aufhebung eines Bescheides durch den Verfassungsgerichtshof nur

unmittelbar auf den Anlaßfall Auswirkung. Andere, bereits rechtskräftig abgeschlossene,

Verwaltungsverfahren sind davon nicht betroffen.

Allerdings wird das zitierte Verfassungsgerichtshoferkenntnis bei der

Entscheidungsfindung in noch nicht abgeschlossenen einschlägigen Verfahren

berücksichtigt werden.

Zu Frage 4:

Vorweg ist zu bemerken, daß nach den einschlägigen EU - Richtlinien eine gemeinsame

Statistik für Ab - und Zurückschiebungen geführt wird und nur eine Differenzierung nach

der Beförderungsart - Land - oder Luftweg - erfolgt.

In den Jahren 1995 bis 1998 wurde folgende Anzahl von somalischen Staatsangehörigen

ab - bzw. zurückgeschoben:

 

 

Landweg

 Luftweg

 gesamt

1995

 1

 2

 3 Personen

1996

 1

 0

 1 Person

1997

 1

 0

 1 Person

1998 (Jänner - April)

 1

 0

 1 Person

 

 

Es ist davon auszugehen, daß in diesem Zeitraum 2 Personen in ihr Heimatland

abgeschoben wurden.

Zu den Fragen 5 und 7:

Nach dem Fremdengesetz 1992 waren die Fremdenpolizeibehörden für

Feststellungsverfahren gemäß § 54 zuständig. Diesen standen sämtliche dem

Bundesasylamt überlassene lnformationsmaterialien, wie zum Beispiel Gutachten des

Ludwig - Boltzmann - Institutes, ausgewertete Medienberichte, Botschaftsberichte,

Informationen der schweizerischen und deutschen Asylbehörden, Berichte und Gutachten

von Amnesty International usw. zur Verfügung. Falls kein einschlägiges

Informationsmaterial vorlag, war es gängige Praxis, solches in Einzelfällen durch Anfragen

an das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten oder durch Einholung

konkreter Berichte von österreichischen Vertretungsbehörden, allenfalls im Wege von

Vertrauensanwälten, zu beschaffen.

Seit Inkrafttreten des Fremdengesetzes 1997 mit 1.1.1998 ist für Feststellungen der

Unzulässigkeit der Abschiebung in ein bestimmtes Land grundsätzlich das Bundesasylamt

zuständig.

Derartige Feststellungen, die nicht im Zusammenhang mit der Abweisung von

Asylanträgen zu treffen sind, fallen in die Zuständigkeit der Fremdenpolizeibehörden.

Diesen wird durch § 75 Abs. 3 FrG 97 die Möglichkeit eingeräumt, eine Äußerung des

Bundesasylamtes zum Vorliegen einer Bedrohung einzuholen.

Zu Frage 6:

Das in Rede stehende Verfassungsgerichtshoferkenntnis wurde sowohl den

Fremdenpolizeibehörden als auch den Asylbehörden zur Kenntnis gebracht, die es bei der

Entscheidungsfindung zu berücksichtigen haben werden.

Zu Frage 9:

Im Zuge der Reform des Fremdenrechtes und des Inkrafttretens des Fremdengesetzes

1997 wurden österreichweit Schulungen durchgeführt.

Überdies finden regelmäßig Besprechungen auf Ebene der Sicherheitsdirektionen statt,

um im jeweiligen Zuständigkeitsbereich eine einheitliche Vollziehung und die Umsetzung

von Entscheidungsrichtlinien zu gewährleisten.