4058/AB XX.GP
zur Zahl 4348/J - NR/1998
Die Abgeordneten zum Nationalrat Freund, Dr. Höchtl und Kollegen haben an mich
eine schriftliche Anfrage, betreffend Vorhaben zu einer Änderung des Vereinsrechts,
gerichtet und folgende Fragen gestellt:
"1. Wie weit sind Ihre Überlegungen zur Schaffung eines "Vereinsprivatrechts" ge -
diehen?
2. Welche Gesetze würden hievon konkret betroffen sein?
3. Wie sollen die von Ihnen öffentlich verlangten Mindestanforderungen an Mit -
gliederrechte und Vereinsorganisation gestaltet werden?
4. Welche Vorschriften sind Ihrer Meinung nach zur Regelung der Rechtsstellung
der Mitglieder von Vereinen erforderlich?
5. Wie soll nach Ihren Vorstellungen die Gründung von Vereinen gestaltet wer -
den, um sicherzustellen, daß klar gestellt wird, wann ein Rechtssubjekt ent -
standen ist?
6. Für welche Vereine sollen nach Ihrer Vorstellung verschärfte Rechnungsle -
gungsvorschriften eingeführt werden?
7. Wie soll der von Ihnen mögliche Mißbrauch der Vereinsform verhindert wer -
den?
8. Wie soll der Gläubigerschutz nach Ihren Vorstellungen ausgestaltet werden?
9. Wie sollen die von Ihnen geforderten Bestimmungen über die Auflösung und
Abwicklung von Vereinen gestaltet werden?
10. Sind diesbezüglich auch Unterschiede zwischen großen und kleinen Vereinen
vorgesehen?
11. Wie soll das dem Firmenbuch vergleichbare Vereinsregister, das Sie für Zwek -
ke der Publizität der Aktivitäten und der Verantwortlichen der Vereine gefordert
haben, ausgestaltet werden?
12. Wie begründen Sie Ihre Auffassung, daß beim Umfang der von Ihnen in Aus -
sicht genommenen Regelungen für Vereine eine Bürokratisierung des Vereins -
lebens nicht zu befürchten ist?
13. Inwieweit sind diese Regelungen von der Novellierung des Vereinsgesetzes
abhängig, wie sie von der Arbeitsgruppe dargestellt wurden?
14. Sind Sie in diesem Zusammenhang mit dem für das Vereinsgesetz zuständi -
gen Bundesministerium für Inneres im Gespräch?
15. Was ist Gegenstand dieser Gespräche?
16. Wann kann gegebenenfalls mit legislativen Vorschlägen gerechnet werden?
Ich beantworte diese Fragen wie folgt:
Zu 1:
Bereits anläßlich der in der Anfragebegründung erwähnten Enquete der Österreichi -
schen Juristenkommission habe ich ausführlich die Gründe dargelegt, die für die
Schaffung eines ‚“Vereinsprivatrechts”
sprechen. Derzeit werden auf Fachebene er -
ste Überlegungen darüber angestellt, wie die - insbesondere hinsichtlich der unter -
nehmerisch tätigen Vereine - als notwendig erkannte Reform konkret angegangen
werden kann. Diese Überlegungen werden in dieser Legislaturperiode zu keiner Ge -
setzesinitiative führen. Eine solche wäre wohl nur dann sinnvoll, wenn über die
Sachregelung ein breiter Konsens vorherrscht, was derzeit aber offenbar nicht der
Fall zu sein scheint
Zu 2:
Für ein Vereinsprivatrecht müßte wohl ein eigenes neues Gesetz geschaffen wer -
den.
Zu 3 und 4:
Das geltende Vereinsrecht verlangt nur, daß in den Statuten eine Auflistung der
Rechte und Pflichten der Mitglieder enthalten ist; ein inhaltlicher Mindeststandard
wird aber nicht vorgegeben. Meines Erachtens sollte sichergestellt sein, daß die
Vereinsmitglieder zumindest mittelbar durch aktive und passive Wahlrechte an der
vereinsinternen Willensbildung teilhaben können. Eine Ungleichbehandlung von Mit -
gliedern sollte nur aus sachlichen Gründen gestattet werden. Die Informationsrechte
der Mitglieder wären ausdrücklich zu umschreiben.
Das geltende Vereinsgesetz sieht - was Organe des Vereins anlangt - auch nur vor,
daß diese in den Statuten angeführt sind. Gesetzliche Regelungen über Art und Wir -
kungskreis der Vereinsorgane, ihr Verhältnis zueinander, die Bildung der Organe,
die Wahl und Abberufung der Mitglieder der Organe gibt es derzeit nicht, wären
aber wünschenswert. Dafür hat sich in der Praxis ein Kernbestand von Regeln ent -
wickelt, der Basis für die neu zu schaffenden Bestimmungen sein könnte. Demnach
wären zum einen ein willensbildendes Organ (die Mitgliederversammlung), ein Lei -
tungs- und Geschäftsführungsorgan (der Vorstand) und in bestimmten Fällen wohl
auch ein Aufsichtsorgan, zum anderen aber auch ein Rechnungsprüfer und ein
Schlichtungsorgan zu verlangen. Die Willensbildung im grundsätzlichen wird in der
Mitgliederversammlung zu geschehen haben, der bestimmte zentrale Aufgaben zu -
zuweisen wären.
Zu 5:
Das Problem des sogenannten "Vorvereins" beschäftigt Juristen schon lange sehr
kontroversiell. Hiezu sollte klargestellt werden, daß ein Verein erst mit seiner Eintra -
gung als Rechtsperson entsteht, die Eintragung also konstitutiv ist.
Zu 6:
Das Vereinsgesetz enthält derzeit keine Regelungen über die Rechnungslegung.
Zur Diskussion stehen Rechnungslegungsbestimmungen - inhaltlich ist dabei im
Kern an die Anwendung der handelsrechtlichen Rechnungslegungsbestimmungen
und deren Kontrolle zu denken - für "sehr große Vereine" (gemessen am Jahresum -
satz), für Spendenvereine (deren Mittel überwiegend dadurch aufgebracht werden,
daß durch Werbung bei einem bestimmten Adressatenkreis Spenden gesammelt
werden) ab einer gewissen Größe, für Publikumsvereine (bei denen aufgrund der
großen Anzahl der Mitglieder die Durchführung einer Mitgliederversammlung nicht in
Betracht kommt) und allenfalls auch für Subventionsvereine (die ihren Vereinszweck
überwiegend nur mit Hilfe unterstützender Leistungen eines bestimmten Rechtsträ -
gers oder mehrerer Rechtsträger erfüllen können). Es handelt sich dabei durchwegs
um Vereine, deren Größe, Umsatz, Mittelbeschaffung oder umfassende Teilnahme
am Geschäftsverkehr es sachlich geboten erscheinen lassen, für sie sowohl im
wohlverstandenen Eigeninteresse (der Vereine und ihrer Mitglieder) als auch im In -
teresse ihrer Arbeitnehmer, Geschäftspartner und Gläubiger und zur Vermeidung
von Rechtsstreitigkeiten eine strukturell vorgegebene Rechnungslegung vorzuse -
hen. Der hier skizzierte Kreis jener Vereine, die von den intendierten Regelungen
erfaßt sein sollen, ergibt sich jedenfalls weitgehend aus einem der tragenden
Grundgedanken all dieser Überlegungen: Für einen Verein, der wie eine handels -
rechtliche Gesellschaft oder etwa eine Genossenschaft werbend und nachhaltig am
Wirtschaftsleben teilnimmt oder sich dort als wirtschaftlich potent präsentiert, sollen
nicht bloß wegen seiner Rechts- und Organisationsform völlig andere - nämlich we -
sentlich niedrigere - Rechtsstandards gelten als für andere, wirtschaftlich gleichzu -
haltende Rechtsträger.
Zu 7 und 8:
Mißbräuche können - wie menschliches Fehlverhalten schlechthin - durch gesetzli -
che Maßnahmen nie gänzlich verhindert werden,
doch können stringente gesetzli -
che Vorschriften wesentlich zu ihrer Erschwerung und Eindämmung beitragen. im
hier angesprochenen Zusammenhang wären Bestimmungen zum Mitglieder - und
Gläubigerschutz von Bedeutung, nämlich - die zu Frage 6 bereits erwähnten - Be -
stimmungen über die Rechnungslegung und die damit verbundene Publizität, Infor -
mations- und Kontrollrechte der Mitglieder sowie mittelbar auch klare Organisations -
bestimmungen, Mindestanforderungen an die Vereinsorgane und Haftungsregelun -
gen.
Zu 9:
Zunächst wäre klarzustellen, wann die Rechtsfähigkeit des eingetragenen Vereins
endet; dafür bietet sich der Zeitpunkt der Löschung aus dem Vereinsregister an.
Diese Löschung würde wohl die Auflösung des Vereins und gegebenenfalls die
Durchführung der Abwicklung voraussetzen.
Die Auflösung sollte entweder vom Verein freiwillig vorgenommen oder durch die
Behörde angeordnet werden können. Im Fall der freiwilligen Auflösung hätte der
Verein, im Fall der behördlichen Auflösung die Behörde einen Abwickler zu bestim -
men. Sowohl die Qualifikationserfordernisse für den Abwickler als auch seine Aufga -
ben sollten gesetzlich festgelegt werden; letztere sollten die Vertretung des Vereins,
die Abwicklung der laufenden Geschäfte, die Einziehung der Forderungen und Ver -
silberung des Vermögens, den Gläubigeraufruf sowie die Information und Befriedi -
gung der Gläubiger umfassen. Schließlich wären dem Gesellschaftsrecht nachgebil -
dete Bestimmungen über das Ineinandergreifen von Abwicklung und einer allfälligen
Insolvenz des Vereins zu schaffen.
Zu 10:
Für den Fragenkreis der Auflösung und Abwicklung ist eine Unterscheidung zwi -
schen großen und kleinen Vereinen grundsätzlich nicht erforderlich. Faktisch würde
sich jedoch die Abwicklung eines kleinen Vereins mangels ins Gewicht fallender
Forderungen oder Verbindlichkeiten in der Regel als sehr einfach erweisen.
Zu 11:
Die ADV - gestützte Führung eines zukünftigen Vereinsregisters würde Vereinfachun -
gen und Erleichterungen für den arbeitstechnischen
Ablauf der Registerführung, vor
allem aber auch ein besseres Service für die an Vereinsdaten Interessierten erbrin -
gen, weil dadurch auf einfache Weise rasch und zuverlässig in das Register Einsicht
genommen werden könnte. Zu diskutieren wäre noch, ob in ein solches Register al -
le oder doch nur die zu Frage 6 umschriebenen Vereine eingetragen werden sollten.
Für den Fall einer in diesem Sinn eingeschränkten Registrierung wäre weiters zu
überlegen, ob ein eigenes Vereinsregister neu geschaffen oder die Eintragung der
zu registrierenden Vereine in das Firmenbuch ermöglicht werden sollte. Ersteren -
falls wären die Bestimmungen über ein solches Vereinsregister wegen der Ähnlich -
keit der Materie den bewährten Regelungen über das Firmenbuch nachzubilden.
Zu 12:
Der traditionellen Gestaltung des österreichischen Gesellschafts - und Kulturlebens
in Vereinsform kommt in all ihrer Vielfalt enorme soziale Bedeutung zu. Darauf gilt
es bei den dargestellten Regelungsüberlegungen besonders Bedacht zu nehmen.
Ziel einer künftigen Regelung muß daher jedenfalls sein, die Vereine nicht mit über -
zogenen, bürokratischen Vorschriften zu belasten. Ich gehe davon aus, daß ein
künftiges Vereinsprivatrecht für die weit überwiegende Zahl der Vereine, insbeson -
dere für die vielen kleinen und mittleren Vereine, keine nennenswerten Erschwernis -
se mit sich bringen wird. Für große Vereine, insbesondere solche, die unternehme -
risch tätig sind oder über größeres Vermögen verfügen, scheinen mir aber klare ver -
einsprivatrechtliche Regelungen im Interesse der Mitglieder und der Gläubiger erfor -
derlich zu sein. Bei all dem übersehe ich freilich nicht, daß bereits das geltende bür -
gerliche Recht gewisse Verhaltenspflichten und Sanktionen vorsieht, die schon der -
zeit auch für Vereine, ihre Organe und Organwalter gelten.
Zu 13:
Zur Verwirklichung der dargestellten Regelungsüberlegungen wäre eine Novellie -
rung des geltenden Vereinsgesetzes - allenfalls mit Ausnahme noch zu prüfender
Anpassungsbedürfnisse - nicht zwingend notwendig.
Zu 14 und 15:
Wie bereits ausgeführt, werden erste Überlegungen meines Ressorts zur Schaffung
eines Vereinsprivatrechts derzeit noch auf Fachebene
angestellt.
Auch ich vertrete - so wie der Herr Bundesminister für Inneres in seiner Beantwor -
tung der Anfrage zur Zahl 3920/J - NR/1998 - die Meinung, daß Bundesregierung und
Nationalrat nur dann mit einer Reform des Vereinsrechts befaßt werden sollen,
wenn über die Neuregelung dieser Materie ein breiter Konsens vorherrscht. Ein sol -
cher ist aber, da die Haltungen zu den hier behandelten Fragen noch nicht ausrei -
chend ausdifferenziert sind, zur Zeit noch nicht erreicht.
Zu 16:
In dieser Gesetzgebungsperiode wird es nicht zu legislativen Vorschlägen kommen.
Im übrigen verweise ich auf meine Antwort zu Frage 1.