4075/AB XX.GP

 

Die Abgeordnete Dr. Martina Gredler, Partnerinnen und Partner haben am 28. Mai 1998

unter der Nummer 4493/J - NR/1998 an mich eine schriftliche Anfrage gerichtet, welche

den folgenden Wortlaut hat:

1. “Wie schätzen Sie die Aussichten für einen raschen Abschluß der Verhandlungen in

Genf zu dem Überwachungsprotokoll ein?

2. Welche Position nimmt Österreich, welche die EU insgesamt bei den Verhandlungen

ein?

3. In welchen Bereichen gibt es noch Probleme mit welchen Ländern, die einem raschen

Abschluß im Wege stehen?

4. Welchen Beitrag leistet Österreich, um die Schwierigkeiten zu überwinden?

5. Welche Haltung hat die österreichische Industrie zu den Verhandlungen

eingenommen?

6. Wie wird Österreich seinen EU - Vorsitz nützen, um den Verhandlungsprozeß für das

Verifikationsprotokoll voranzutreiben?

7. Zum Zeitpunkt der Beantwortung dieser Anfrage wird eine Expertenkonferenz, die

derzeit in Wien zur B - Waffenkonvention stattfindet, beendet sein. Welche Ergebnisse

hat sie erbracht?”

Ich beehre mich, diese Anfrage wie folgt zu beantworten:

Zu Frage 1:

Die Genfer Ad - Hoc - Verhandlungsgruppe behandelt seit 1994 die Frage der Erstellung

eines Verifikationsprotokolls zur Biologiewaffenkonvention 1972. Als zentrale Punkte der

Verhandlungen wurden die zwingende Abgabe von Erklärungen zu Aktivitäten

militärischer und ziviler Anlagen, Verdachtsinspektionen bei Vorliegen begründeten

Verdachtes des Verstoßes gegen zentrale Verpflichtungen (d.h. Einsatz oder Produktion

biologischer Waffen, Produktion oder Lagerung relevanter biologischer Substanzen in

nicht rechtfertigbaren Mengen) und die Vornahme von Besuchen von militärischen und

zivilen Anlagen zur Verifikation festgelegt. Der nunmehr vorliegende Verhandlungstext ist

mit einer Vielzahl von Klammerausdrücken versehen, die noch offene Fragen anzeigen.

1998 sind im Juni/Juli drei, im August/September vier Verhandlungswochen vorgesehen,

sodaß noch 1998 ein weitgehender Fortschritt in den Verhandlungen zu erwarten ist. Ein

Abschluß der Textverhandlungen ist frühestens mit Frühjahr 1999 zu erwarten.

Zu Frage 2:

Österreich strebt den raschen Abschluß der Verhandlungen an, um die bestehende

Verifikationslücke im Bereich der Biologiewaffen zu füllen. Entsprechende Mechanismen

bestehen bereits im Chemiewaffenbereich durch die Chemiewaffenkonvention bzw. die

internationale Kontrollbehörde in Den Haag, aber auch im Nuklearbereich durch das neue

Zusatzprotokoll zu den bestehenden IAEO - Sicherheitskontrollabkommen.

Österreich setzt sich im Rahmen der Verhandlungen insbesonders für die Aufnahme

umfassender Besuchsrechte der künftigen Kontrollbehörde ein, um eine glaubhafte

Einhaltung der Vertragsbestimmungen gewährleisten zu können. Weiters koordiniert

Österreich die sensiblen Fragen der Exportkontrolle für die Westliche Gruppe.

Die EU befürwortet einen raschen Abschluß der Verhandlungen und fordert eine

Fertigstellung des Textentwurfes bis Ende 1998. Im Rahmen eines gemeinsamen

Standpunktes vom 25. Februar 1998 drückte die EU ihre Hauptanliegen für das künftige

Protokoll aus, die Meldungen biologischer Agenzien, Verdachtsinspektionen, Besuche

und die Schaffung einer kostengünstigen sowie kleinen Überwachungsbehörde umfassen.

Der EU kommt die zentrale Verhandlungsrolle im Rahmen der Genfer Verhandlungen zu.

Zu Frage 3:

Auffassungsunterschiede bestehen vor allem noch zu Fragen des Besuchsregimes, der

friedlichen Zusammenarbeit, der künftigen Kontrollorgan isation sowie Exportkontrollen.

Zum Besuchsregime nehmen eine Reihe von Staaten noch eine skeptische Haltung ein,

wobei etwa der Schutz von Industrieinteressen und der Umfang der Zugangsrechte zu

den Diskussionspunkten gehören.

Westliche Staaten unterstützen eine Ausweitung der Zusammenarbeit. Vermieden werden

soll aus westlicher Sicht eine Duplizierung bestehender Kooperationen auf multilateraler

(WHO, UNEP, UNDP etc) und bilateraler Ebene. Staaten der Dritten Welt stellen

hingegen Maximalforderungen auf, die aufgrund patentrechtlicher sowie organisatorischer

Gründe nicht erfüllbar sind. Es ist von entsprechenden Kompromissen, vor allem mit

Bezug auf Exportkontrollen, auszugehen.

Zur künftigen Kontrollorganisation war vor allem russischer Widerstand gegenüber einer

eigenen Kontrollbehörde feststellbar, da Rußland eine zentrale Rolle des VN -

Sicherheitsrates bevorzugte. Nunmehr stehen Fragen der Größe der Organisation, ihrer

genauen Befugnisse bzw. jener ihrer Organe im Vordergrund der Verhandlungen.

Zu Exportkontrollen verlangen Staaten der Dritten Welt deren Multilateralisierung sowie

eine Auflösung bestehender Exportkontrollregime. Westliche Staaten sehen solche

Exportkontrollen als Erfüllung ihrer einschlägigen Vertragsverpflichtungen an. Ein

Kompromiß wird erst zu einem späten Verhandlungszeitpunkt möglich sein.

Zu Frage 4:

Österreich nimmt aktiv an den Verhandlungen teil und hat insbesonders schriftliche

Beiträge zu den Themen Besuche, Exportkontrollen und organisatorische Fragen

eingebracht. Gemeinsam mit sogenannten ,,like - minded countries”‘ (Schweden, Kanada,

Schweiz, UK, Australien) erstellt Österreich neue Textentwürfe zum Besuchsregime.

Darüberhinaus hat Österreich am 28. - 29. Mai 1998 ein internationales

Biologiewaffensymposium in Wien abgehalten und nimmt für August 1998 einen

Probebesuch eines österreichischen Industrieunternehmens mit ausländischer Beteiligung

in Aussicht. Darüberhinaus wird Österreich als EU - Vorsitz aktiv die Position der Union

weiterentwickeln helfen, insbesondere zu technischen Fragen (Agenzien, Ausrüstungen)

und organisatorischen Bereichen (Zugangsrechte, Inspektionsmodalitäten, u .a.).

Zu Frage 5:

Die österreichische Industrie nimmt eine positive Haltung zu den Verhandlungen ein. In

reger Zusammenarbeit zwischen dem Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten

und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten einerseits und der

Industrie andererseits wurde eine sehr gute Gesprächsbasis etabliert, die zur Teilnahme

von Industrievertretern an diversen Veranstaltungen (EU -Industriekonferenz am 13. Mai in

Bn‘ssel, Wiener Symposium) und zu einem ständigen Informationsfluß geführt hat.

Weiters stellt die Bereitschaft eines österreichischen Biotechnologieunternehmens, einen

Probebesuch in seinen Anlagen zuzulassen, einen konkreten Beitrag dar, der in der Folge

- insbesonders im Lichte der internationalen Teilnahme - als wichtiger Beitrag in die

Genfer Verhandlungen eingebracht werden kann.

Zu Frage 6:

Für die Österreichische EU - Präsidentschaft ist insbesondere an eine laufende

Koordinierung der EU - Position sowohl im Rahmen der zuständigen Arbeitsgruppe

CODUN als auch einer eigens eingesetzten Expertengruppe zu technischen Detailfragen

gedacht. Dabei wird auf der gemeinsamen Position sowie den bisher gemeinsam

eingebrachten EU - Arbeitspapieren zu Fragen des Besuchsregimes, der künftigen

Kontrollbehörde, der Agenzienliste und der Ausrüstungsliste aufzubauen sein. Weiters

werden die Genfer Verhandlungen dazu benützt werden, im Rahmen von Troika - Treffen

die Verhandlungsposition anderer Staaten zu beeinflussen und somit einen

raschestmöglichen Abschluß der Verhandlungen sicherzustellen. Daneben wird

Österreich den Dialog mit der europäischen Industrie weiterführen.

Zu Frage 7:

Die angesprochene Expertenkonferenz wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche

Angelegenheiten, der Universität für Bodenkultur und dem Bundesministerium für

auswärtige Angelegenheiten gemeinsam veranstaltet und kann als Erfolg gewertet

werden. Über 100 Experten aus der ganzen Welt nahmen daran teil, wobei es erstmals zu

einem interdisziplinären Zusammentreffen von Genfer Verhandlern, Industrievertretern

und Vertretern aus Wissenschaft und Forschung zu Fragen der Implementierung der

Biologiewaffenkonvention gekommen ist. Als Ergebnisse können eine strukturierte

Neuschreibung des Besuchsregimes, ein verstärktes Abstellen auf bestehende regulative

Mechanismen im Industrie - und Forschungsbereich, eine Identifizierung der Grenzen der

Industriekontrolle sowie der Aufbau eines neuen Kommunikationsflusses zwischen den

genannten Personengruppen aufgezählt werden. Die Ergebnisse des Wiener Treffens

wurden im Juni des Jahres im Rahmen der Genfer Verhandlungen vorgestellt.