4107/AB XX.GP
Die Abgeordneten Peter, Partnerinnen und Partner haben am 12.5.1998 unter der
Nr. 4398/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend
"Zurückweisung slowakischer Staatsbürger am Grenzübergang Kittsee" gerichtet, die
folgenden Wortlaut hat;
1. Wie stellt sich der beschriebene Fall aus Ihrer Sicht dar?
2. Trägt beschriebener Fall aus Ihrer Sicht Merkmale einer gewissen Willkür von
seiten des zuständigen Beamten? Wenn nein, warum nicht?
3. Inwiefern gilt bei der Anwendung von Zurückweisungen das rechtsstaatliche
Prinzip der Unschuldsvermutung?
4. Welcher Tatbestand muß erfüllt sein, um Ausländer an der Grenze wegen des
Verdachts, sie würden in Österreich einer Erwerbstätigkeit nachgehen,
zurückzuweisen? Ist aus Ihrer Sicht das Auffinden von Lebensmitteln und Rei -
setaschen im Auto der Betroffenen ausreichend? Wenn ja warum?
5. Welche Konsequenzen bezüglich eines Aufenthaltsrechts in Österreich haben
Zurückweisungen, wie im oben geschilderten Fall, für die betroffenen Auslän -
der?
6. a) Wieviele Zurückweisungen von Nicht - EU - Bürgern - aufgeschlüsselt nach
Nationalität - wurden im Zeitraum 1.1.1997 bis dato gemäß § 52 Abs. 3 Frem -
dengesetz mit welchen Begründungen (Störung der öffentlichen Ordnung, Ver -
dacht der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, Verdacht der Schlepperei) trotz
Berechtigung auf sichtvermerksfreie Einreise vorgenommen?
7. Welche Maßnahmen haben Sie gesetzt, um eventuelle Willkürakte von seiten
Ihrer Beamten im Zusammenhang mit Zurückweisungen zu verhindern?
8. Welcher Art ist die Kompetenzaufteilung zwischen Innenministerium und Fi -
nanzministerium betreffend Zurückweisungen an der Grenze? Dürfen Beamte
beider Ressorts diese Zurückweisungen aussprechen? Wenn ja, warum?
9. Welche Möglichkeiten bestehen für Ausländer, die keine schriftliche Informa -
tion (geschweige denn einen Bescheid) erhalten und die nicht die Hilfe von
Österreichern in Anspruch nehmen können, gegen eine Zurückweisung Be -
schwerde einzubringen?"
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu den Fragen 1 und 2:
Nach dem mir vorliegenden Bericht der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See
kann von folgendem Sachverhalt ausgegangen werden:
Am 4.11.1997 um ca. 6.30 Uhr stellten sich die beiden slowakischen Staatsangehö -
rigen an der Grenzübergangsstelle Kittsee zur Eingangsabfertigung. Über den Zweck
ihrer Fahrt nach Österreich und die Dauer ihres Aufenthaltes befragt, gaben sie an,
nach Wien fahren zu wollen, um dort gebrauchte Autoersatzteile zu kaufen, wobei
sie gemeinsam an Barmitteln den Betrag von ÖS 3.500,-- vorwiesen und betonten,
noch am selben Tag wieder rückreisen zu wollen.
Bei der anschließenden Fahrzeugrevision wurden im Wageninneren Reisetaschen
mit Bekleidung und Leibwäsche, persönliche Utensilien, wie Waschzeug und Rasier -
zeug und zum Teil schon zubereitete Lebensmittel für einen zumindest einwöchigen
Aufenthalt gefunden.
Neuerlich über den Zweck ihrer Reise und die beabsichtigte Aufenthaltsdauer be -
fragt, blieben die beiden slowakischen Staatsangehörigen bei ihrer Angabe, lediglich
nach Wien fahren zu wollen, um Autoersatzteile zu kaufen.
Aufgrund des geschilderten Sachverhaltes wurden sie in der Folge gemäß § 32 Abs.
2 Z 2 lit. b Fremdengesetz 1992 zurückgewiesen.
Im Hinblick auf die behauptete Willkür ist anzumerken, daß die Bezirkshauptmann -
schaft Neusiedl am See als zuständige Grenzkontrollbehörde den gegenständlichen
Fall sofort nach Intervention des in der Anfrage genannten Herrn Tichatschek über -
prüft hat, wobei jedoch kein behördliches Fehlverhalten festgestellt wurde. Sowohl
die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See, als auch die Grenzkontrollorgane
selbst wiesen die beiden slowakischen Staatsangehörigen auf die Möglichkeit der
Einbringung einer Beschwerde beim Unabhängigen Verwaltungssenat Burgenland
hin. Die in der Folge eingebrachte Beschwerde wurde vom Unabhängige Verwal -
tungssenat Burgenland nach einer am 15.4.1998 durchgeführten mündlichen Ver-
handlung als unbegründet abgewiesen.
Zu den Fragen 3 und 4:
Die bisher im § 32 Fremdengesetz 1992 geregelte Zurückweisung wegen des Ver -
dachtes der illegalen Erwerbstätigkeit wurde mit dem Fremdengesetz 1997 präzi -
siert. Demnach ist ein Fremder zurückzuweisen, wenn er zwar für den von ihm an -
gegebenen Aufenthaltszweck zur sichtvermerksfreien Einreise berechtigt ist, aber
bestimmte Tatsachen vorliegen, die die Annahme gerechtfertigt erscheinen lassen,
daß er ohne die hiefür erforderlichen Bewilligungen die Aufnahme einer Erwerbstä -
tigkeit im Bundesgebiet beabsichtigt.
Die in diesem Zusammenhang vorliegende Judikatur des Verwaltungsgeriohtshofes
legt hinsichtlich der Frage einer "Beweislastverteilung" eindeutig fest, daß ein Grenz -
kontrollorgan nicht zu Erhebungen verpflichtet ist. Stattdessen hat der Fremde auf
die Fragen des Grenzkontrollorganes über den Zweck der beabsichtigten Einreise
den entsprechenden Sachverhalt in einer solchen Form darzulegen und erforderli -
chenfalls unter Beweis zu stellen, daß es ihm
gelingt, einen Verdacht auf das Vorhe -
gen eines Zurückweisungsgrundes sofort an Ort und Stelle zu entkräften, andernfalls
die Zurückweisung gerechtfertigt ist. Schon Zweifel an der tatsächlichen Einreisebe -
rechtigung, die vom Einreisewilligen nicht an Ort und Stelle entkräftet werden kön -
nen, genügen, daß ein Grenzkontrollorgan zu Recht eine Zurückweisung ausspre -
chen darf.
Betrachtet man die näheren Umstände des konkreten Falles, ist daher festzuhalten,
daß die Zurückweisung zu Recht erfolgt ist.
Zu Frage 5:
§ 28 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 legt fest, daß Fremde, die gemäß § 52 Abs. 2 Z 3
Fremdengesetz 1997 zurückgewiesen wurden, für den Zeitraum eines Jahres nach
einer Zurückweisung zur Einreise in das Bundesgebiet und zum Aufenthalt in diesem
eines Visums bedürfen.
Zu Frage 6:
Eine Statistik über die Anzahl der Zurückweisungen von Nicht - EU - Bürgern - aufge -
schlüsselt nach Nationalitäten - wird nicht geführt. Es können daher nur folgende
Gesamtzahlen bekanntgegeben werden:
1.1. - 31.12.1997
|
ZURÜCKWEISUNGSGRUND |
ANZAHL DER PERSONEN |
|
§ 32Abs.1FrG(ohne Paß oder Sichtvermerk ) |
72.646 |
|
§ 32 Abs. 2 Z 1 FrG Aufenthaltsverbot |
1.621 |
|
§ 32 Abs. 2 Z 2 lit. aFrG (Öffentl. Sicherheit) |
884 |
|
§ 32 Abs. 2 Z2 lt. bFrG (Verdacht der illegalen Erwerbstätigkeit) |
1.906 |
|
§ 32 Abs. 2 Z2 lit. cFrG (Schlepperei) |
120 |
|
§ 32 Abs. 2 Z3 FrG (Unterhaltsmittel) |
3.431 |
|
§ 32 Abs. 2 Z4 FrG (Finanzvergehen) |
98 |
|
GESAMT |
80.706 |
1.1.1998 - 31.5.1998:
|
ZUROCKWEISUNGSGRUND |
ANZAHLDER PERSONEN |
|
§ 52 Abs. 1FrG (ohne Paß oder Sichtvermerk) |
7.393 |
|
§ 52 Abs. 2 Z1 FrG (Aufenthaltsverbot) |
926 |
|
§ 52 Abs. 2 Z2 FrG (SIS - Ausschreibung) |
1.127 |
|
§ 52 Abs. 2 Z3 lt. aFrG (Öffentl. Sicherheit) |
405 |
|
§ 52 Abs. 2 Z 3 lt. b FrG (Verdacht der illegalen Erwerbstätigkeit |
802 |
|
§ 52 Abs. 2 Z 3 lit c FrG (Schlepperei) |
38 |
|
§ 52 Abs. 2 Z 4 FrG (Unterhaltsmittel) |
827 |
|
§ 52 Abs. 2 Z 5 FrG (Finanzvergehen) |
52 |
|
GESAMT: |
11.570 |
Zu Frage 7:
In Vorbereitung der Inkraftsetzung der Schengener Verträge für Österreich mit
1.12.1997 und des Inkrafttretens des neuen Fremdengesetzes 1997 mit 1.1.1998
wurden alle Beamten meines Ressorts umfassend geschult. Aufbauend auf den bei
der täglichen Arbeit gewonnenen Erfahrungen sowie unter Berücksichtigung der Ju -
dikatur werden regelmäßig Nachschulungen durchgeführt. Da es sich bei Zurück -
weisungen um verfahrensfreie Maßnahmen der verwaltungspolizeilichen Befehls -
und Zwangsgewalt handelt, wurden alle Grenzkontrollorgane schließlich angewiesen,
über jede Zurückweisung ein Protokoll zu führen. Diese Protokolle ermöglichen, er -
folgte Zurückweisung im nachhinein gegebenenfalls auf ihre Rechtmäßigkeit bzw.
auf eventuelle Unklarheiten zu überprüfen.
Zu Frage 8:
Die Kompetenzaufteilung zwischen dem Bundesministerium für Inneres und dem
Bundesministerium für Finanzen in Grenzkontrollangelegenheiten ergibt sich aus § 9
Grenzkontrollgesetz, BGBl. Nr. 435/1996, und der gemäß § 9 Abs. 3 leg. cit. erlas -
senen Verordnung, BGBl. II Nr. 176/1997.
Bei den in der Verordnung taxativ aufgeführten Grenzübergangsstellen kommt Zoll -
wacheorganen die Stellung von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu,
womit sie genau wie diese das Recht haben, entsprechend den in den jeweiligen
Materiengesetzen enthaltenen Ermächtigungen vorzugehen, was u. a. auch das
Aussprechen von Zurückweisungen beinhaltet.
Zu Frage 9:
Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß die Möglichkeit, gegen eine aus dem
Blickwinkel des Betroffenen ungerechtfertigt ausgesprochene Zurückweisung mittels
Beschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat vorzugehen, in den einschlä -
gigen Gesetzen normiert und damit der Öffentlichkeit zugänglich ist.
Es ist aber gängige Praxis, daß sich derartige Betroffene auch im Wege der Außen -
ministerien oder der Botschaften und konsularischen Vertretungen direkt an mein
Ressort wenden. Die Beamten meines Ressorts sind gerade bei derartigen Schrei -
ben bestrebt, allen in diesem Zusammenhang auftauchenden Fragen nachzugehen,
Unklarheiten zu überprüfen und auch - im Falle von objektiv gerechtfertigten Män -
geln oder Fehlern - getroffene Entscheidungen im
Bedarfsfalle auch richtigzustellen
bzw. zu beheben. Bei der Häufung von Fragen bzw. Unklarheiten wurden auch spe -
zielle Besuche an verschiedenen Grenzabschnitten durchge,führt1 um Vollzugspro -
bleme oder Informationsdefizite vor Ort zu erkennen und zu beheben.
Die daraus gewonnenen Erfahrungen sollen nunmehr in einen für den Herbst ge -
planten und derzeit in Zusammenarbeit mit der Österreich - Werbung in Ausarbeitung
befindlichen Folder einfließen, der mithelfen soll, etwaige Mißverständnisse zu ver -
meiden und Betroffenen notwendige Informationen zur Verfügung zu stellen