4159/AB XX.GP
14. Juli 1998
GZ 2220.205/0003e - l.7/98
An den
Herrn Präsidenten des Nationalrates
Parlament
1017Wien
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Terezija Stoisits und Freundinnen und
Freunde haben am 28. 5. 1998 unter der ZI. 4498/J - NR/1998 an mich eine schriftli -
che Anfrage betreffend bestialische Verletzungen der Menschenrechte homosexu -
eller Männer in Afghanistan gerichtet, welche den folgenden Wortlaut hat:
1. Halten Sie die oben genannten Medienberichte für zutreffend, und wie stellt sich
Ihnen der Sachverhalt dar?
2. Wie viele Fälle von Folter und/oder Hinrichtungen von Homosexuellen sind Ihnen
bzw. Ihrem Ressort bekannt?
3. Aufgrund welcher rechtlichen und/oder religiösen Bestimmungen können Homo -
sexuelle in Afghanistan zu Haft -, Körper - und Todesstrafen verurteilt werden? Wie
ist der Wortlaut dieser Bestimmungen?
4. Welche Maßnahmen zur Verbesserung der Menschenrechtssituation von Homo -
sexuellen in Afghanistan haben Sie ergriffen oder werden Sie ergreifen bzw. wel -
che Initiativen haben Sie in der Bundesregierung in dieser Richtung ergriffen bzw.
welche werden Sie ergreifen?
4.a. Wenn Sie keine Maßnahmen oder Initiativen ergriffen haben oder ergreifen
wollen, warum nicht?
5. Werden Sie im Rahmen des EU - Vorsitzes im 2. Halbjahr dieses Jahres
• Initiativen ergreifen, damit die Europäische Union auf diplomatischem Wege
formellen Protest gegen diese Greuel an Homosexuellen in Afghanistan einlegt,
• darauf dringen, daß die Europäischen Union anläßlich der Sondersitzung der
Generalversammlung der Vereinten Nationen am 10. 12. 1998 auch eine Resolu -
tion zur Lage der Menschenrechte in Afghanistan einbringt und dabei die men -
schenrechtliche Situation homosexuell l(i)ebender Menschen berücksichtigt?
5.a. Wenn nein, warum nicht?
6. Ist Ihnen bekannt, ob Homosexuelle aus Afghanistan Asylantrag in der Vergan -
genheit in Österreich gestellt haben, bzw. sind Ihnen laufende Asylverfahren von
Homosexuellen aus Afghanistan bekannt? Wurden Sie oder Ihr Ressort hiezu sei -
tens der Asylbehörden zur Menschenrechtslage in Afghanistan kontaktiert?
7. Vertreten Sie die Auffassung der Fragesteller, daß die Situation für Homosexu -
elle aus Afghanistan in asylrechtlicher Hinsicht mit der im Iran vergleichbar ist?
7.a. Wenn nein, warum nicht?
8. Sehen Sie Abschiebehindernisse bei Homosexuellen aus Afghanistan?
8.a. Wenn nein, warum nicht?
Ich beehre mich, die Anfrage wie folgt zu beantworten:
Zu Frage 1:
Die Medienberichte dürften zutreffen, wenngleich eine Verifizierung durch
österreichische Stellen vor Ort in Afghanistan nicht möglich ist.
Zu Frage 2:
Nach Angaben des Büros der Hochkommissarin für Menschenrechte der Vereinten
Nationen in Islamabad sind bisher 12 Fälle von Hinrichtungen homosexueller
Männer bekanntgeworden.
Zu Frage 3:
Laut einer der Österreichischen Botschaft erteilten Rechtsauskunft des Sharia -
Bundesgerichtshofs in Islamabad wird Homosexualität wie jeder außereheliche
Geschlechtsverkehr in Anwendung des koran bzw. der Shari´a mit Steinigung bis
zum Tode bestraft (,,anybody found guilty of adultery should be stoned to death”).
Zu den Fragen 4 und 5:
Die an Homosexuellen in Afghanistan begangenen Menschenrechtsverletzungen
stehen im Kontext einer großen Zahl gravierender Verletzungen bürgerlicher,
kultureller, politischer, sozialer und wirtschaftlicher Rechte der afghanischen
Bevölkerung durch die Taliban.
Im Rahmen der 54. Tagung der Menschenrechtskommission der Vereinten Natio -
nen in Genf wurde im April d.J. eine von Österreich miteingebrachte Resolution zur
Menschenrechtslage in Afghanistan verabschiedet, in der ausdrücklich auch die in
der parlamentarischen Anfrage genannten Fälle von Hinrichtungen verurteilt wur -
den. Weiters wurde mit dieser Resolution das Mandat des Sonderberichterstatters
der Vereinten Nationen zu Afghanistan um ein Jahr verlängert, das ihm u.a. ermög -
licht, in seinen Kontakten mit den afghanischen Stellen auch die genannten Vorfälle
aufzugreifen und darüber die Staatengemeinschaft zu informieren. In der auch von
Österreich mitverhandelten Erklärung der Europäischen Union vor der Menschen -
rechtskommission zur Lage der Menschenrechte in verschiedenen Ländern der
Welt wurde ebenfalls explizit die Verhängung und Vollstreckung von Todesurteilen
in Afghanistan aufgrund sexueller Orientierung verurteilt.
Österreich wird im Rahmen der EU - Präsidentschaft und auf der Basis der Gemein -
samen Position des Rates vom 26. Jänner 1998 zu Afghanistan der Menschen -
rechtslage in Afghanistan weiterhin große Aufmerksamkeit schenken. Bereits im
Rahmen einer Mission der EU - Troika nach Kabul am 21./22.
Juni d.J. zur Unter -
stützung der Bemühungen des Sondergesandten der Vereinten Nationen, Lakhdar
Brahimi, an welcher der österreichische Botschafter in Islamabad teilnahm, wurden
vom österreichischen Delegierten auch die Menschenrechtsverletzungen durch die
Taliban zur Sprache gebracht und die österreichische Position dargelegt. Bereits in
den Wochen davor wurde bei Demarchen der EU - Troika in lslamabad und den
anderen Hauptstädten der an Afghanistan angrenzenden Länder auch die Menschenrechtslage in Afghanistan thematisiert.
Österreich wird eine eventuelle Resolution zur Menschenrechtslage in Afghanistan
in der 53. Generalversammlung unterstützen. Die Einbringung einer Resolution im
Rahmen der Sondersitzung der Generalversammlung am 10.12.1998 ist weder zu
Afghanistan noch zu anderen Ländersituationen geplant, da diese Sondersitzung
lediglich den 50. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zum
Gegenstand haben wird.
Zu den Fragen 6 bis 8:
Da diese Fragen nicht in den Bereich der Vollziehung des Bundesministeriums für
auswärtige Angelegenheiten fallen, bitte ich um Verständnis, wenn ich von einer
Beantwortung absehe.