4167/AB XX.GP
An den
Herrn Präsidenten des Nationalrates
Wien
zur Zahl 4465/J - NR/1998
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Dr. Petrovic, Moser, Mag. Stoisits, Freun -
dinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend falsche öf -
fentliche Beschilderung im Bereich der Baubranche und der Gastronomie; zivilrecht -
liche Irreführung der Bevölkerung, gerichtet und folgende Fragen gestellt:
1. Sind Ihnen die in der Anfrage geschilderten Praktiken bekannt?
2. Wenn ja, wie beurteilen Sie diese Irreführung und was gedenken Sie dagegen
zu unternehmen?
3. Befürchten Sie durch die Falschinformationen de facto eine Verschlechterung
der Rechtsstellung von nicht rechtskundigen Bürger/innen, die den Inhalt der
Hinweisschilder für korrekt halten?
4. Wenn ja, werden Sie die Öffentlichkeit über die notorischen Falschinformatio -
nen in Kenntnis setzen?
5. Werden Sie mit den Interessenvertretungen der betroffenen Branchen Kontakt
aufnehmen, um in Hinkunft Falschinformationen der Öffentlichkeit zu verhin -
dern?
6. Wenn ja, wann wird dies geschehen?
7. Wenn nein, warum nicht?
8. Ist Ihnen bekannt, warum die öffentlich - rechtlichen Körperschaften, die einen
Auftrag zum Schutz der Konsument/inn/en und die Möglichkeit von Verbands -
klagen haben, in diesen Bereichen bisher wenig unternommen
haben?
9. Werden Sie diesbezüglich mit diesen Einrichtungen in Kontakt treten, um in
Hinkunft für eine Verbreitung richtiger Informationen zu sorgen?
10. Wenn ja, wann?
11. Wenn nein, warum nicht?
12. Halten Sie die derzeitigen Möglichkeiten der Verbandsklagen für ausreichend
im Lichte der Tatsache, daß im Zusammenhang mit Falschbeschilderungen
bisher kaum Aktivitäten gesetzt worden sind?”
Ich beantworte diese Fragen wie folgt:
Zu 1 bis 4:
Die in der Anfrage dargestellten Usancen sind dem Bundesministerium für Justiz be -
kannt. Allerdings sollte die tatsächliche Bedeutung dieser “Praktiken” nach meinem
Dafürhalten nicht überbewertet werden.
Weiters kann auch nicht pauschal und allgemein von einer “Irreführung” der Bevöl -
kerung gesprochen werden, zumal solche Hinweise bisweilen doch auch rechtliche
Relevanz haben können: Für einen Gastwirt, der keine Fremden beherbergt, gilt die
besondere Haftung nach den §§ 970 ff. ABGB und dem Bundesgesetz über die Haf -
tung der Gastwirte und anderer Unternehmer, BGBI Nr.638/1921, (die sogenannte
“Gastwirtehaftung”) nämlich nicht. Der Inhaber eines solchen Gastgewerbebetriebs
haftet (abgesehen von den allgemeinen deliktischen Schadenersatzpflichten) nur
dann, wenn er mit dem Gast einen Verwahrungsvertrag geschlossen und die daraus
entspringenden Obsorgepflichten schuldhaft verletzt hat. Nach der Rechtsprechung
kann das bloße Anbringen einer Kleiderablage in der Regel nicht als stillschweigen -
des Angebot zum Abschluß eines Verwahrungsvertrags angesehen werden; aller -
dings wird auch die Auffassung vertreten, daß der Gast die Möglichkeit haben müs -
se, die abgelegten KIeidungsstücke auf zumutbare Weise selbst zu überwachen. Ein
entsprechend wahrnehmbar angebrachtes Hinweisschild kann daher bewirken, daß
allein aus dem Vorhandensein von Kleiderhaken an einer nicht vom Gast überwach -
baren Stelle nicht auf ein Anbot des Wirtes auf Überwachung dieser Stelle geschlos -
sen werden kann.
Soweit die Gastwirtehaftung aber Anwendung findet (also u.a. für Gastwirte, die
Fremde beherbergen, den von ihnen aufgenommenen Gästen
gegenüber), kann
sich der Wirt auf einen allenfalls angebrachten Aushang zu seiner Entlastung nicht
berufen, weil Anschläge, durch die die Haftung für abhanden gekommene Gardero -
bestücke abgelehnt wird, gemäß § 970a ABGB ohne rechtliche Wirkung sind.
Daß aus der Praxis des Anbringens solcher Schilder eine Verschlechterung der
Rechtsstellung von nicht rechtskundigen Bürgern und Bürgerinnen resultieren könn -
te, ist meines Erachtens nicht zu befürchten. Einerseits ist nämlich die Gastwirtehaf -
tung weitgehend bekannt; andererseits kann wohl davon ausgegangen werden, daß
ein Geschädigter nicht wegen eines derartigen Anschlags von vornherein davon ab -
sieht, rechtliche Beratung einzuholen und Ersatzansprüche geltend zu machen.
Bei den vornehmlich auf Baustellen zu findenden “Warnhinweisen”, in denen - un -
richtig - eine generelle Haftung von Eltern für das Verhalten ihrer Kinder behauptet
wird, ist es ebenfalls unwahrscheinlich, daß daraus Nachteile für Rechtsunkundige
entstehen. Grundsätzlich können Eltern für ein schädigendes Verhalten ihrer Kinder
nur dann zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie ihrer Aufsichtspflicht nicht
oder nicht ausreichend nachgekommen sind. Es steht außer Zweifel, daß durch der -
artige Hinweisschilder die Haftung keinesfalls über die gesetzlichen Grenzen hinaus
erweitert werden kann. Im Einzelfall ist auch nicht zu erwarten, daß die Eltern eines
Kindes, das einen Schaden herbeigeführt hat, dafür Ersatz leisten würden, ohne
sich zuvor über die Rechtslage näher zu informieren. Vor allem halte ich es für un -
realistisch, daß die Eltern (allein) auf Grund des Hinweises meinen könnten, zu ei -
ner solchen Ersatzleistung verpflichtet zu sein. Darüber hinaus ist in solchen Fällen
davon auszugehen, daß eine allfällige Schadensabwicklung regelmäßig über die
(Haftpflicht-) Versicherungen der Beteiligten erfolgen wird, weshalb aus mangelnder
Rechtskenntnis erwachsende Nachteile hier kaum denkbar sind.
Zu dem können solche Hinweisschilder immerhin auch bewirken, den Eltern in Erin -
nerung zu rufen, daß sie ihre Kinder im Rahmen ihrer Aufsichtspflicht vor Schäden,
besonders vor Verletzungen, zu bewahren haben und daß sie im Fall eines für ei -
nen Schaden des Kindes kausalen Verstoßes gegen diese Aufsichtspflicht zivilrecht -
lich in Anspruch genommen und allenfalls auch strafrechtlich zur Verantwortung ge -
zogen werden können.
Zu 5 bis 7:
Eine Kontaktaufnahme mit den Interessenvertretungen der betroffenen Branchen,
um in Hinkunft “Falschinformationen der Öffentlichkeit” zu verhindern, scheint im
Hinblick auf die Ausführungen zu den Fragen 1 bis 4 entbehrlich.
Zu 8 bis 12:
Soweit ersichtlich, hatten sich zumindest die Rechtsmittelinstanzen der österreichi-
schen Gerichte bisher noch nicht mit Baustellen - Haftungsfällen im Zusammenhang
mit den in der Anfrage kritisierten Hinweisschildern zu befassen. Nach den mir vor -
liegenden Informationen spielten bislang auch die auf Baustellen angebrachten
"Haftungshinweise" in der Beratungspraxis von Konsumentenschützern keine rele -
vante Rolle. Ähnlich scheint es sich bei den im Gastgewerbe üblichen “Haftungs -
schildern” zu verhalten.
Das bestimmten Verbänden eingeräumte Recht, auf Unterlassung der Verwendung
von Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder von Vertragsformblättern, die gegen
ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen, bzw. auf Unterlas -
sung von unlauteren Wettbewerbshandlungen zu klagen, kann auf die angesproche -
nen Verhaltensweisen einzelner Bauunternehmer oder Gastwirte nicht angewendet
werden. Ein Bedarf nach einer Möglichkeit zur Erhebung von Verbandsklagen ist -
anders als in den Fällen von vertraglichen Haftungsausschlüssen, die von den Kon -
sumentenverbänden mit Verbandsklage bekämpft werden - im vorliegenden Zusam -
menhang wegen der fehlenden tatsächlichen Relevanz dieser Praktiken nicht gege -
ben. Daher sind legislative Maßnahmen zur Ausdehnung des Anwendungsbereichs
der Verbandsklage auch auf diese Vorgänge nicht erforderlich.
17. Juli 1998