4171/AB XX.GP
Zahl: 4400/275 - II/10/98 Wien, am 15. Juli 1998
An den Präsidenten des Nationalrates
Dr. Heinz FISCHER
Parlament
1070 Wien
Die Abgeordneten zum Nationalrat MMag. Dr. Madeleine PETROVIC, Freundinnen
und Freunde haben am 25.05.1998 unter der Nummer 4453/J - NR/1998 an mich eine
schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend ,,Vorgangsweise der Wirtschafts -
polizei in Angelegenheiten des Wohnbauimperiums der FPÖ Niederösterreich” ge-
richtet, die folgenden Wortlaut hat:
1. Wann hat die wirtschaftspolizei - auf welchem Wege auch immer -
Informationen bzw. Verdachtsmomente bzw. Mitteilungen oder Anzeigen
hinsichtlich möglicher Überschuldungstatbestände bei Wohnbaugesellschaften
im Einflußbereich der niederösterreichischen FPÖ erlangt?
2. In welcher Art und Weise hat die Wirtschaftspolzei von den dringenden
Verdachtsmomenten erstmals Kenntnis erlangt und welche Reaktionen (akten -
mäßig dokumentierbar) erfolgten?
3. Können Sie ausschließen, daß unter Bedachtnahme auf die niederöster -
reichischen Landtagswahlen und die Interessen der FPÖ die Einleitung der
rechtlich gebotenen Schritte und die Warnung der Gläubigerschutzverbände
hinausgezögert wurden?
4. Wurde in dieser Angelegenheit von der Wirtschaftspolizei Kontakt mit den
Gläubigerschutzverbänden aufgenommen?
5. Wenn ja, in welcher Art und Weise und mit welchem Ergebnis?
6. Wenn nein, warum nicht?
7. können Sie ausschließen, daß zwischen dem Zeitpunkt der ersten Kennt -
nisnahme der Wirtschaftspolizei von möglichen Überschuldungen und Malver -
sationen und der Flucht des Abgeordneten Rosenstingl weitere Gläubiger des
freiheitlichen Wohnbau - Imperiums zu Schaden gekommen sind?
8. Werden Sie in diesem Zusammenhang eine interne Überprüfung bei der
wirtschaftspolizei veranlassen, ob die rechtlich gebotenen Schritte bis über die
niederösterreichischen Landtagswahlen hinausgezögert worden?
9. Wenn ja, wann ist mit einem Ergebnis zu rechnen?
10. Wenn nein, warum nicht?
11. Werden Sie eine Untersuchung im Hinblick auf mögliche Fälle von Amtsmiß -
brauch veranlassen?
12. Wenn ja, wann ist mit einem Ergebnis zu rechnen?
13. Wenn nein, warum nicht?
14. Der amtierende Klubobmann der Freiheitlichen Partei Niederösterreichs, Herr
Marchat, war bisher Klubsekretär der FPÖ Niederösterreich. In dieser Funktion
waren und sind ihm sämtliche Informationen über Finanzströme der FPÖ
Niederösterreich mit Sicherheit zugänglich, sodaß er über sämtliche
Kontenbewegungen gewußt hat oder hätte wissen können. Beziehen sich die
Untersuchungen der Wirtschaftspolizei auch auf seine Involvierung in die
Causa?
15. Die Aufarbeitung der Vorgänge innerhalb des Freiheitlichen Wohnbau -
Imperiums müssen zumindest ab sofort mit größtem Nachdruck betrieben
werden. Wieviele Bedienstete sind derzeit mit der Angelegenheit befaßt?
16. Reicht die diesbezügliche personelle Ausstattung aus, um eine rasche und
lückenlose Aufklärung herbeizuführen und wann ist mit einem umfassenden
Ergebnis zu rechnen?
17. Angesichts der politischen Brisanz der Angelegenheit muß zur Vermeidung
möglicher Interessenskollisionen sichergestellt sein, daß streng überparteiliche
Expertinnen und Experten die Untersuchungen leiten. wie werden Sie
sicherstellen, daß zumindest in Hinkunft eine politische "Interessenskollision"
nicht auftritt?
18. Durch die gewählten Konstruktionen hat sich die freiheitliche Partei
möglicherweise auch Steuervorteile in Millionenhöhe verschafft, die politischen
Parteien dem Gesetz nach nicht zustehen. Insbesondere müßte auch die Frage
möglicher Malversationen im Zusammenhang mit dem Vorsteuerabzug
(politische Parteien sind nicht vorsteuerabzugsberechtigt, Wirtschaltgesell -
schaften hingegen schon) einer raschen und umfassenden Überprüfung der
zuständigen Finanzbehörden unterzogen werden.
Haben Sie daher veranlaßt,
daß in die erforderlichen Ermittlungen auch die zuständigen Finanzbehörden
einbezogen werden?
19. Wenn ja, wann erfolgte diese Verständigung?
20. Wenn nein, wie rechtfertigen Sie dies?
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu Frage 1 und 2:
Bei der Bundespolizeidirektion Wien - Wirtschaftspolizei - sind keinerlei Anzeigen
oder Informationen hinsichtlich möglicher Überschuldungstatbestände von
Wohnbaugesellschaften, die im Einflußbereich der FPÖ Niederösterreich liegen,
eingelangt.
Die Bundespolizeidirektion St. Pölten wurde von der Staatsanwaltschaft St. Pölten
am 25.05.1998 mit der Durchführung von Sachverhaltserhebungen gegen Verant -
wortliche der Firma Freies Wohnen gemeinnützige Wohnbaugesellschaft mbH
wegen § 153 StGB (Untreue) beauftragt (eingelangt bei der Bundespolizeidirektion
St. Pölten am 27.05.1998).
Bei der Staatsanwaltschaft St. Pölten ging eine Sachverhaltsdarstellung vom Amt
der Niederösterreichischen Landesregierung, Gruppe Finanzen, Abteilung allge -
meine Förderung, datiert mit 20.05.1998, ein, welcher ein Prüfbericht über die regel -
mäßige gesetzliche Prüfung für das Geschäftsjahr 1996 der Freies Wohnen gemein -
nützige Wohnbaugesellschaft mbH angeschlossen war.
Weitere Anzeigen, Mitteilungen oder sonstige Informationen langten bisher bei der
Bundespolizeidirektion St. Pölten nicht ein.
Aufgrund des Erhebungsauftrages der Staatsanwaltschaft St. Pölten wurde von der
Bundespolizeidirektion St. Pölten umgehend mit den erforderlichen Ermittlungen be -
gonnen. Unter anderem wurde auch am 15.06.1998 mit dem Amt der Niederöster -
reichischen Landesregierung, Abteilung allgemeine Förderung, Rücksprache gehal -
ten, wobei auch eine gutachterliche Stellungnahme zum angeführten Prüfungs -
bericht vorgelegt wurde.
Zu Frage 3:
Weder von der Bundespolizeidirektion Wien - Wirtschaftspolizei - noch von der
Bundespolizeidirektion St. Pölten wurden rechtlich gebotene Schritte hinausge -
zögert. Diesbezüglich darf auf die obigen
Ausführungen verwiesen werden.
Zu Frage 4, 5 und 6:
In der gegenständlichen Angelegenheit wurde bisher noch kein Kontakt mit den
Gläubigerschutzverbänden aufgenommen, da sich die bisherigen Ermittlungen auf
den Tatbestand der Untreue beschränken. Weitere Aufträge der Staatsanwaltschaft
St. Pölten liegen noch nicht vor.
Zu Frage 7:
Die Bundespolizeidirektion St. Pölten erlangte erst mit 27.05.1998, also nach der
Flucht des ROSENSTINGL, Kenntnis von angeblichen finanziellen Unregelmäßig -
keiten. Aufgrund des derzeitigen Ermittlungsstandes kann jedoch nicht gesagt
werden, ob es überhaupt zu einer Schädigung von Gläubigern gekommen ist, bzw.
kommen wird.
Zu Frage 8 bis Frage 13:
Eine interne Überprüfung ist derzeit weder bei der Bundespolizeidirektion Wien -
Wirtschaftspolizei - noch bei der Bundespolizeidrektion St. Pölten erforderlich. Da
sämtliche Hinweise auf die angebliche Überschuldung des FPÖ nahen Wohnbau -
imperiums erst mit 27.05.1998, also nach der niederösterreichischen Landtagswahl,
bei der Bundespolizeidirektion St. Pölten eingingen, bestand keine Möglichkeit,
etwaige rechtlich gebotene Schritte über die niederösterreichischen Landtagswahlen
hinauszuzögern.
Zu Frage 14:
Gegen den amtierenden Klubobmann der FPÖ Niederösterreich, Herrn MARCHAT,
werden weder von der Bundespolizeidirektion Wien - Wirtschaftspolizei, im Zusam -
menhang mit dem Ermittlungskomplex ROSENSTINGL, noch der Bundespolizei -
direktion St. Pölten Ermittlungen geführt.
Zu Frage 15 und 16:
Die erforderlichen Erhebungen werden derzeit von 2 Kriminalbeamten der Bundes -
polizeidirektion St. Pölten geführt. Aufgrund des derzeitigen Sachstandes und der
bisher vorliegenden Aufträge der Staatsanwaltschaft St. Pölten ist die derzeitige
personelle Besetzung ausreichend. Sollten sich weitere und umfangreichere Ermitt -
lungsschritte ergeben, wird selbstverständlich eine personelle Aufstockung erfolgen.
Wann mit einem umfassenden Ergebnis, bzw. mit einem Abschluß der Ermittlungen
gerechnet werden kann, ist derzeit nicht absehbar, da noch diverse Gerichts -
beschlüsse zur Herausgabe diverser Unterlagen durch die der FPÖ Niederösterreich
nahestehenden Wohnbaufirmen erforderlich sind.
Zu Frage 17:
Weder bei den bisherigen Ermittlungen durch die Bundespolizeidirektion Wien -
Wirtschaftspolizei - im Zusammenhang mit dem Fall ROSENSTINGL, noch bei den
Ermittlungen durch die Bundespolizeidirektion St. Pölten in Zusammenhang mit den
der FPÖ Niederösterreich nahestehenden Wohnbaufirmen kam es zu einer
politschen "Interessenskollision" und wurden diese, so wie auch alle anderen Ermitt -
lungen, von den jeweiligen Beamten vollkommen objektiv geführt. Somit kann auch
in Hinkunft eine derartige “Kollision” ausgeschlossen werden.
Zu den Fragen 18, 19 und 20:
Seitens der Bundespolizeidirektion St. Pölten wurde mit den zuständigen Finanzbe -
hörden vorerst noch kein Kontakt aufgenommen.
Inwieweit die Finanzbehörden in die derzeitigen Ermittlungen involviert sind, ist mir
nicht bekannt. Diesbezüglich darf ich jedoch auf die Beantwortung der Anfrage (Nr.
4452/J) an den Herrn Bundesminister für Finanzen verweisen.