4180/AB XX.GP
41.200/116 - II/15/98
Wien, am 21. Juli 1998
An den
Präsidenten des Nationalrates
Dr. Heinz FISCHER
Parlament
1017 Wien
Die Abgeordneten DI HOFMANN, Mag. HAUPT und Kollegen haben am 28. Mai 1998 unter
der Nummer 4488/J an mich die schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend “einige
merkwürdige Ungereimtheiten in der Begründung im Bescheid der Bezirkshauptmannschaft
Wels - Land zu SichO - 111 - 1998-PE/ZE; Sich - 8009/1963 vom 24. April 1998 hinsichtlich des
flämischen Schriftstellers Robert VERBELEN” gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:
1.) Ist der “Ständige Kriegsrat der Provinz Brabant” ein ordentliches Gericht, im Sinne der
österreichischen Rechtsordnung? -
Wenn ja, wann wurde das Urteil von den österreichischen Behörden vollzogen? -
Wenn nein, wurden die vom “Ständigen Kriegsrat der Provinz Brabant”, von allen
sonstigen “Ständigen Kriegsräten‘” oder aber auch die vom “Internationalen
Militärtribunal” in Nürnberg ausgesprochenen “Urteile” je von den Behörden der
Republik Österreich anerkannt und vollzogen?
2.) War der Bezirkshauptmannschaft Wels - Land bekannt oder hätte es ihr bekannt sein
müssen, daß der österreichische Staatsbürger, Robert Verbelen, am 21. Dezember
1965 von einem österreichischen Geschworenengericht vom Vorwurf der “Mitschuld,
der Teilnahme und der Bestellung zum Mord” im Zuge der Bekämpfung der
Frankiteurs in Belgien während des Zweiten Weltkrieges freigesprochen wurde? -
Wenn ja, wie ist diese bezirksverwaltungsbehördliche Verfahrensweise im Lichte des
§ 37 AVG zu bewerten?
3.) War der Bezirkshauptmannschaft Wels - Land bekannt oder hätte es ihr bekannt sein
müssen, daß die StA Wien zwar gegen diesen Freispruch Nichtigkeitsbeschwerde
erhoben hatte (der der OGH teilweise Folge gab und den Fall neuerlich zur
Verhandlung und Entscheidung an das Geschworenengericht zurückverwies), der
Staatsanwalt jedoch am 19. Juni 1978 gem. § 227 (1) StPO von der Anklage
zurücktrat? -
Wenn ja, wie ist diese bezirksverwaltungsbehördliche Verfahrensweise im Lichte des
§ 37 AVG zu bewerten?
4.) Gibt es eine ständige Übung in der Verwaltung, wonach Staatsbürger, die von einem
österreichischen Gericht von einem bestimmten Vorwurf freigesprochen wurden,
selbst acht Jahre nach ihrem Tode nicht wegen ihrer literarischen Tätigkeit von
Vereinen oder sonstigen Rechts - aber auch natürlichen Personen grundsätzlich
geehrt werden dürfen und ihnen die bürgerlichen Ehrenrechte sohin über den Tod
hinaus aberkannt werden? -
Wenn ja, welche Vereine wurden dafür bisher aufgelöst, aus welchen Gründen
erfolgte diese Auflösung, wie viele Personen wurden deswegen von den
Bezirksverwaltungsbehörden in Österreich den ordentlichen Gerichten zur Anzeige
gebracht oder mit Verwaltungsstrafen belegt und auf Grund welcher Rechtsgrundlage
erfolgten diese Maßnahmen? -
Wenn nein, wie ist diese bezirksverwaltungsbehördliche Verfahrensweise im Lichte
des § 37 AVG zu bewerten?
5.) Sind die vom flämischen Schriftsteller, Robert Verbelen, verfaßten Bücher im Sinne
der von der Bezirkshauptmannschaft Wels - Land herangezogenen Begründung
“einschlägig” und war diese ,,Einschlägigkeit” jemals im Sinne der österreichischen
Rechtsordnung erheblich? -
Wenn ja, in welcher Weise äußerte sich diese "Einschlägigkeit"? -
Wenn nein, wie ist diese bezirksverwaltungsbehördliche Verfahrensweise im Lichte
des § 37 AVG zu bewerten?
6.) Wie viele Bücher und Beiträge, die Robert Verbelen je verfaßt hat, kamen der
Behörde zur Kenntnis, so daß sie nach kritischer Beurteilung des Inhaltes dieser
Bücher und Beiträge zu ihrer im Bescheid angeführten Begründung gelangen konnte?
7.) Wie lauten die Titel und die Inhalte der Bücher und Beiträge, der die Behörde die
entsprechende "Einschlägigkeit" beimißt?
8.) Wurden jemals gegen ein von Verbelen verfaßtes Buch staatsanwaltliche oder
sonstige behördliche Ermittlungen eingeleitet? -
Wenn ja, gegen welche Bücher und Beiträge wurde zu seinen Lebzeiten ermittelt,
welche Bücher und Beiträge wurden bei der Staatsanwaltschaft angezeigt, um welche
inkriminierten Stellen handelte es sich dabei, wurden die Anzeigen zurückgelegt oder
weiterverfolgt und zutreffendenfalls, welche Bücher wurden beschlagnahmt, gegen
welche Bücher wurde urteilsmäßig nach welchen Gesetzesstellen erkannt und wurde
die Behörde von Amts wegen oder auf Grund von Anzeigen tätig und wie lauteten die
Namen der Anzeiger? -
Wenn nein, wie ist diese bezirksverwaltungsbehördliche Verfahrensweise im Lichte
des § 37 AVG zu bewerten?
9.) Wäre angesichts des Umstandes, daß der österreichischen Rechtsordnung die
Zensur fremd ist und daher auch kein amtlicher Index, etwa im “Amtsblatt zur Wiener
Zeitung”, erscheint, der dem Leser verbotene Bücher gehörig kundmacht, ein
Nichtwissen möglicher diesbezüglicher Verfehlungen Verbelens dem Verein und dem
Vereinsvorstand zurechenbar gewesen, so daß die Behörde zu Recht hätte davon
ausgehen dürfen, daß nur etwaige, den Boden der österreichischen Rechtsordnung
verlassende, Abschnitte Grundlage für die Würdigung sein würden? -
Wenn ja, wie lautet die gesetzliche Grundlage dieser Zurechenbarkeit? -
Wenn nein, wie ist diese bezirksverwaltungsbehördliche Verfahrensweise im Lichte
des § 37 AVG zu bewerten?
10.) Was versteht die österreichische Rechtsordnung unter “revisionistischen” Vorträgen?
11.) Hat Verbelen überhaupt jemals Vorträge “revisionistischen” Inhalts gehalten, die im
Sinne der österreichischen Rechtsordnung strafbar
waren? -
Wenn ja, wieviel "revisionistische" Vorträge sind der Behörde bekanntgeworden,
wann, wo und vor welchem Publikum wurden sie gehalten, wurde Verbelen jemals
dafür angezeigt, erhielt er dafür jemals eine Verwaltungsstrafe, gegebenenfalls auf
Grund welcher rechtlichen Grundlage, wie oft und von welchen
Verwaltungsbehörden, oder wurde er gar gerichtlich deswegen belangt und verurteilt,
zutreffendenfalls wie oft, von welchem Gericht, nach welcher Gesetzesstelle, mit
Strafausmaß in welcher Höhe? -
Wenn nein, wie ist diese bezirksverwaltungsbehördliche Verfahrensweise im Lichte
des § 37 AVG zu bewerten?
12.) Hat Robert Verbelen jemals die "NS - Zeit glorifizierende Vorträge" gehalten? -
Wenn ja, wie oft, wann, wo und bei welchem Anlaß wurden diese Vorträge gehalten,
wie lautete ihr Titel, was war der Inhalt, wie lauten die inkriminierten Stellen, wurden
diese Vorträge angezeigt oder ermittelte die Behörde von Amts wegen, wurden
Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet, wieviel und bei welcher Behörde, wurden
Straferkenntnisse ausgesprochen, zutreffendenfalls nach welcher Gesetzesstelle
oder wurden Einstellungen verfügt, wurde schließlich die Anklage vor den
ordentlichen Strafgerichten erhoben und zutreffendenfalls, bei welchen Gerichten war
dies, wurden die Verfahren mit Urteilen beendet und gegebenenfalls nach welcher
Gesetzesstelle erfolgte die Verurteilung und welche Höhe hatte das Strafmaß? -
Wenn nein, wie ist diese bezirksverwaltungsbehördliche Verfahrensweise im Lichte
des § 37 AVG zu bewerten?
13.) Wie erklären Sie den Umstand, daß - obwohl die Tagungen des Vereins “Dichterstein
Offenhausen während 34 Jahren regelmäßig von der Abteilung 1 der SD für
Oberösterreich beobachtet wurden und es dabei zu keinerlei Beanstandungen
hinsichtlich des Vereines “Dichterstein Offenhausen” kam und daher die
Wahrscheinlichkeit auch und gerade im Sinne des "komplexen Handelns" dafür
gesprochen hätte, daß dies auch im 35. Jahr seines Bestehens so bleiben werde -
die Bezirkshauptmannschaft Wels - Land - ohne erkennbaren sachlichen Anlaß und
ohne zumindest dahingehend Erkundigungen gem. § 39 (2) i.V.m. § 37 AVG
angestellt oder den Verein bzw. seinen Vorstand gem. § 37 AVG befragt zu haben,
welcher Art die Ehrung des Schriftstellers Robert Verbelen sein werde, und obwohl
die Bezirksverwaltungsbehörde wußte oder wissen mußte, daß die zuständige
Abteilung 1 der SD für OÖ beim Hauch einer strafbaren Handlung die Veranstaltung
jederzeit unter - oder sogar ganz abgebrochen hätte - die Behörde nichtsdestotrotz
gleichsam in einer überstürzten "Nacht - und Nebelaktion" dem geschäftsführenden
Obmann des Vereins am Samstag, den 25. April 1998, den diesbezüglichen Bescheid
durch Eilboten zustellen ließ, im Lichte des Grundsatzes der Gesetzmäßgkeit der
Verwaltung nach Art 18 B - VG?”
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Die Beantwortung der Frage 1 fällt für sich genommen nicht in meinen Aufgabenbereich.
Im übrigen verweise ich zu dieser Frage wie zu den Fragen 2 bis 13 auf meine Antwort zur
parlamentarischen Anfrage Nr. 4402/J mit dem Bemerken, daß zwar die dort erwähnte
Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof inzwischen zurückgezogen wurde, aber noch
andere Rechtsmittelverfahren in Bezug auf die Einstellung der Vereinstätigkeit anhängig
sind.