4189/AB XX.GP
353.290/71 - 1/6/98
An den
Präsidenten des Nationalrates
Dr. Heinz FISCHER
Parlament
1017 Wien
Wien, am 23. Juli 1998
Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Petrovic, Moser, Stoisits, Freundinnen und
Freunde haben am 26. Mai 1998 unter der Nr. 4464/J an mich eine schriftliche parla -
mentarische Anfrage betreffend “falsche öffentliche Beschilderung im Bereich der
Baubranche und der Gastronomie; zivilrechtliche Irreführung der Bevölkerung” ge -
richtet, deren Wortlaut in der Beilage angeschlossen ist.
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu den Fragen 1 bis 4:
Die in der Anfrage geschilderten Praktiken sind mir bekannt. Ich möchte jedoch da -
rauf hinweisen, daß in der Praxis Verbraucherinteressen dadurch kaum beeinträch -
tigt werden.
Das auf Baustellen häufig zu findende Schild “Betreten verboten. Eltern haften für
ihre Kinder” entspricht nicht der tatsächlichen Rechtslage und ist insofern als zu
weitgehend anzusehen, als eine solche Haftung nur für den Fall der Verletzung
der Obsorgepflicht durch einen Elternteil eingreift.
Diese Haftungsregelung kann im Einzelfall aber auch durch eine anderslautende
Beschilderung nicht beeinflußt werden. Daß sich eine rechtsunkundige Person
allein durch diese Beschilderung zu einer allfälligen Schadensdeckung veranlaßt
sieht, ist unwahrscheinlich.
Nach den mir vorliegenden Informationen verbraucherberatender Einrichtungen ist
eine Beeinträchtigung rechtsunkundiger Personen durch diese Praxis praktisch
nicht gegeben.
Gastwirtschaften und Restaurants - also Betriebe, welche keine Fremden beher -
bergen - unterliegen nicht der in der Anfrage angeführten Gefährdungshaftung der
§§ 970ff ABGB. Insoweit entspricht eine derartige Information des Gastwirtes der
Rechtslage.
Ein Haftungsanspruch gegen die bezeichneten Gastwirte ist somit nur bei Vorlie -
gen eines Verschuldens entweder auf einen deliktischen Schadenersatzanspruch
oder im Zusammenhang mit einem Verwahrungsvertrag auf eine Pflichtverletzung
des Gastwirtes zu stützen.
In diesen Fällen werden sich selbst rechtsunkundige VerbraucherInnen nicht von
einer Verfolgung ihrer Ansprüche durch eine derartige Beschilderung abhalten
lassen.
Zu den Fragen 5 bis 7:
Ich werde die vorliegende Anfrage zum Anlaß nehmen, mit der Baubranche in Kon -
takt zu treten, um diese von der Unrichtigkeit dieser Beschilderung zu informieren
und dieser damit in Zukunft entgegenzuwirken.
Zu den Fragen 8 bis 12:
Nach Definition des § 28 Konsumentenschutzgesetz - der Grundlage der Verbands -
klage nach Konsumentenschutzgesetz - kann derjenige, der "im geschäftlichen Ver -
kehr in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die er von ihm geschlossenen Verträ -
gen zugrundelegt, oder in hiebei verwendeten Formblättern für Verträge Bedingun -
gen vorsieht, die gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstoßen
auf Unterlassung geklagt werden".
Dieses Instrument stellt somit auf das Eingehen eines Vertragsverhältnisses zwi -
schen UnternehmerInnen und VerbraucherInnen ab und ist somit mangels Vorlie -
gens dieser Voraussetzung ungeeignet, um gegen die im Baugewerbe verwendeten
Schilder “Eltern haften für ihre Kinder” vorzugehen. Weiters ist in diesem Zusammen -
hang anzumerken, daß diese Schilder auch im privaten Hausbaubereich aufgestellt
werden. Da Rechtsverhältnisse zwischen Privatpersonen aber nicht in den Geltungs -
bereich des Konsumentenschutzgesetzes fallen, ist eine Verbandsklage in diesem
Bereich nicht möglich.
Aus der Definition des § 28 Konsumentenschutzgesetz ergibt sich auch, daß die
Verbandsklage nur gegen gesetz - oder sittenwidrige Haftungsausschlüsse angewen -
det werden kann. Unter Berücksichtigung der oben erwähnten Ausführungen liegt
ein solcher beim Aushang einer Tafel “Für Garderobe wird nicht gehaftet” in einer
Gastwirtschaft oder einem Restaurant nicht vor.
Das Büro für Konsumentenfragen sowie andere Einrichtungen bieten Konsumentin -
nen umfassende lnformationsmöglichkeiten - individuelle Rechtsberatung, Broschü -
ren, lnformationsveranstaltungen - auch im Bereich des Haftungsrechts.
Gegen gesetz - sowie sittenwidrige Haftungsausschlüsse wird in Zusammenarbeit mit
dem Verein für Konsumenteninformation durch das Abmahn - bzw. Verbandsklags -
verfahren vorgegangen (ich verweise auf den Bericht zur Lage der VerbraucherInnen
1997).
Wie erwähnt, werde ich mit der Baubranche in Kontakt treten, um dieser Beschilde -
rung entgegenzuwirken. Darüber hinaus sehe ich aufgrund der mangelnden fakti -
schen Beeinträchtigung von Verbraucherinteressen durch die besprochenen Prak -
tiken keinen Handlungsbedarf.