4194/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat DI HOFMANN, Mag. HAUPT und Kollegen haben am

27. Mai 1998 unter der Nummer 4481/J an mich die schriftliche parlamentarische Anfrage

betreffend “den - im Zusammenhang mit der Einstellung des Vereins Dichterstein

Offenhausen” - bekanntgewordenen Verdacht des Verbrechens der Verletzung des

Briefgeheimnisses gern Artikel 10 StGG, Art 8 MRK bzw. § 118 StGB durch Angehörige des

Bundesministeriums für Inneres” gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:

“1.) Ist der Behörde der Briefkontakt Trötschers mit Manfred Roeder bereits seit dem

Jahre 1982 bekannt?-

Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen haben die zuständigen Behörden bereits

damals eingeleitet, um die Tätigkeit des Vereins “Dichterstein Offenhausen” gem. §

25 Abs. 2 VereinsG einzustellen oder ist der Umstand, daß (der 1984 verstorbene)

Trötscher mit dem Verein “Dichterstein Offenhausen" damals in Verbindung stand,

der Behörde damals in keiner Weise belastend erschienen, so daß gegen den Verein

“Dichterstein Offenhausen” damals keine Schritte zu seiner Auflösung eingeleitet

wurden bzw. warum erscheint dieser Umstand der Behörde im Jahren 1998 so

bedeutungsvoll, daß sie entsprechende Schritte umgehend - nach sechzehn Jahren -

plötzlich in aller Eile “als einstweilige polizeiliche Sicherungsmaßnahme” für

notwendig erachtet und einleitet?-

Wenn nein, wann wurde der Behörde jener Briefkontakt bekannt?

2.) Befinden sich in dem umfangreichen Aktenbestand des BMI betreffend Robert

Trötscher Unterlagen, aus denen hervorgeht, ob dieser jemals von einem

ordentlichen Gericht verurteilt oder freigesprochen wurde?-

Wenn ja, welcher Vergehen oder Verbrechen hat er sich schuldig gemacht bzw.

welcher Vergehen oder Verbrechen wurde er zunächst angeklagt?

3.) Gab es jemals Anzeigen gegen Robert Trötscher?-

Wenn ja, welchen Vorwurf enthielten sie, wer waren die Anzeiger und was geschah in

der Folge mit diesen Anzeigen?

4.) Befinden sich im Aktenbestand Trötscher in Ihrem Ministerium auch Unterlagen

dahingehend, daß Robert Trötscher in seiner Eigenschaft als Lehrer jemals nach

1949 disziplinarrechtlich zur Verantwortung gezogen wurde?-

Wenn ja, welche Maßnahmen wurden aus welchen Gründen ergriffen?

5.) War Trötscher 1982 jemals eines oder mehrerer Verbrechen verdächtig?-

Wenn ja, welcher?

6.) Wurde von den Sicherheitsbehörden jemals ein Ersuchen an ein ordentliches Gericht

gerichtet, den Briefverkehr Trötschers überwachen zu lassen?-

Wenn ja, wann, von welcher Behörde, hinsichtlich welcher verdächtigter

Verbrechen?-

Wenn nein, warum nicht?

7.) Wurde jemals von einem diesbezüglich zuständigen U - Richter ein Beschluß

ausgefertigt, in welchem die Überwachung des Briefverkehrs genehmigt wurde? -

Wenn ja, wann, in welcher Rechtssache und von welchem U - Richter und von

welchem Gericht? -

Wenn nein, warum nicht?

8.) Ist. es üblich, die Akten längst verstorbener Staatsbürger im Innenministerium

aufzubewahren? -

Wenn ja, auf welcher gesetzlichen Grundlage geschieht dies und wie lange werden

die Akten über deren Tod hinaus aufbewahrt? -

Wenn nein, warum befand sich der Trötschersche Aktenbestand noch im

Innenministerium?

9.) Werden die Akten verstorbener Staatsbürger, wenn ihre Aussonderung bestimmt und

verfügt wurde, tatsächlich vernichtet? -

Wenn ja, welche Abteilung führt diese Vernichtung durch und von wem wird diese

gegebenenfalls überwacht? -

Wenn nein, was geschieht dann mit diesem Aktenbestand?

10.) Ist es zutreffend, daß Akten bzw. Aktenteile betreffend Robert Trötscher vom

“Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes” (DÖW) angefordert bzw.

von diesem bereitgestellt wurden? -

Wenn ja, um welche Aktenteile handelte es sich bzw. auf der Grundlage welchen

Gesetzes hat sich dieser Vorgang abgespielt?

11.) War es nach dem Erkenntnisstand Ihres Ministeriums den Organen des Vereines

“Dichterstein Offenhausen” bekannt bzw. hätte es den Organen des Vereins

“Dichterstein Offenhausen” bekannt sein müssen, daß Robert Trötscher 1930 in die

damals völlig legale und erst vier Jahre zuvor der reichsdeutschen NSDAP

unterstellten österreichischen NSDAP (Hitlerbewegung) eingetreten ist bzw. 1936

nach einer Verordnung aus dem Jahre 1933 (“Verordnung der Bundesregierung vom

19. Juni 1933, womit der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei

(Hitlerbewegung) und dem Steirischen Heimatschutz (Führung Kammerhofer) jede

Betätigung in Österreich verboten wird” - BGBl. Nr. 240/1933), die auf dem

,,Kriegwirtschaftlichen Ermächtigungsgesetz” vom 24. Juli 1917 beruhte, von einer

Bezirksverwaltungsbehörde zu drei Monaten Haft verurteilt wurde”? -

Wenn ja, ist dieser Kenntnisstand für den Verein so belastend, daß dessen Tätigkeit

in dem Augenblick hätte eingestellt werden müssen, als Robert Trötscher dort

Mitglied wurde bzw. ist eine von den Behörden des Ständestaates (so wie er als

“Bundesstaat Österreich” zwischen dem 1. Mai 1934 und dem 12. März 1938

bestand) vorgenommene Verurteilung eines Mitgliedes nach dem obgenannten

Gesetz dem Verein als solchen rechtlich zurechenbar, so daß eine Vereinsauflösung

so dringend geboten ist, daß ein Verein unbedingt aufgelöst werden muß? -

Wenn nein, auf Grund welcher gesetzlichen Verpflichtung heraus hätte sich der

Vereinsvorstand von diesen Dingen unterrichten müssen bzw. hätte Ihr Ministerium

auf ein diesbezügliches Gesuch hin dem Vereinsvorstand eine entsprechende

Akteneinsicht gewährt?

12.) War es nach dem Erkenntnisstand Ihres Ministeriums den Organen des Vereines

“Dichterstein Offenhausen” bekannt bzw. hätte es den Organen des Vereins

“Dichterstein Offenhausen" bekannt sein müssen, daß Robert Trötscher brieflichen

Kontakt mit Manfred Roeder unterhalten hat? -

Wenn ja, ist dieser Kenntnisstand für den Verein so belastend, daß dieser schon

damals aufgelöst hätte werden müssen bzw. ist ein den Behörden unliebsamer

Briefverkehr eines Mitgliedes dem Verein als solchen rechtlich zurechenbar, so daß

eine Vereinsauflösung so dringend geboten ist, daß ein Verein unbedingt aufgelöst

werden muß? -

Wenn nein, auf Grund welcher gesetzlichen Verpflichtung heraus hätte sich der

Vereinsvorstand von diesen Dingen unterrichten müssen bzw. hätte Ihr Ministerium

auf ein diesbezügliches Gesuch hin dem Vereinsvorstand eine entsprechende

Akteneinsicht gewährt?

13.) Sind Sie bereit, den gegenständlichen Akt der zuständigen Staatsanwaltschaft zur

rechtlichen Beurteilung des geschilderten Sachverhaltes vorzulegen? -

Wenn nein, warum nicht?”

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Zu Frage 1:

Dem Bundesministerium für Inneres ist der Briefkontakt Trötschers mit Manfred Roeder seit

dem Jahr 1982 bekannt. Im übrigen verweise ich auf meine Antwort zur parlamentarischen

Anfrage Nr. 4402/J mit dem Bemerken, daß zwar die dort erwähnte Beschwerde an den

Verfassungsgerichtshof inzwischen zurückgezogen wurde, aber noch andere

Rechtsmittelverfahren in bezug auf die Einstellung der Vereinstätigkeit anhängig sind.

Zu den Fragen 2 - 5:

Die Wahrung der Persönlichkeitsrechte Verstorbener im Sinne des ABGB und die

Amtsverschwiegenheit, mit der die gesetzlich geschützten Rechte von Parteien (umfaßt auch

Angehörige und Nachkommen) gewahrt werden, erlauben nicht, diese Fragen zu

beantworten.

Zu Frage 6:

Nein.

Zu Frage 7:

Nein.

Zu Frage 8:

Ja, wenn darin noch lebende Personen oder bestehende Organisationen behandelt werden

und die Voraussetzungen nach dem Sicherheitspolizeigesetz vorliegen.

Zu Frage 9:

Ja, gemäß den Richtlinien in den Skartierungsbestimmungen.

Zu Frage 10:

Nein.

Zu den Fragen 11 - 13:

Ich verweise hiezu auf meine Antwort zur parlamentarischen Anfrage Nr. 4402/J mit dem

Bemerken, daß zwar die dort erwähnte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof

inzwischen zurückgezogen wurde, aber noch andere Rechtsmittelverfahren in bezug auf die

Einstellung der Vereinstätigkeit anhängig sind.