4235/AB XX.GP

 

Die aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit in Kopie beigeschlossene

schriftliche Anfrage der Abgeordneten Mag. Stoisits, Freundinnen und Freunde an

den Bundesminister für Inneres vom 17. Juli 1998, ZI. 4838/J - NR/1998, betreffend

“europäischer Lastenausgleich bei Flüchtlingen” beantworte ich wie folgt:

Zunächst möchte ich auf die Einleitung der Anfrage eingehen, die generelle Fragen

der europäischen Solidarität in Fällen der Massenfluchtbewegungen anspricht. Wie

hier zutreffend ausgeführt wird, wurde seitens der Europäischen Kommission nach

engen Kontaktnahmen mit der österreichischen Ratspräsidentschaft vor wenigen

Tagen ein aus zwei Teilen bestehender Rechtsakt vorgelegt, der einerseits die

näheren Modalitäten der Aufnahme von Drittstaatsangehörigen in Fällen von

Massenfluchtbewegungen in den Staaten der Europäischen Union zum Gegenstand

hat und andererseits einen Mechanismus des solidarischen Zusammenwirkens der

EU - Mitgliedsstaaten bei solchen Massenfluchtbewegungen vorsieht. Der

österreichische Ratsvorsitz wird mit aller Kraft daran arbeiten, diese beiden

Rechtsakte noch im Laufe dieses Jahres zu finalisieren.

Bis zur Beschlußfassung über diese Rechtsakte gibt es bedauerlicherweise keine

EU - weite Regelung über einen verbindlichen Modus des solidarischen

Zusammenwirkens der Mitgliedsstaaten bei Massenfluchtbewegungen. Dies hat in

der Vergangenheit zu großen Belastungen Österreichs und einiger weniger anderer

Mitgliedsstaaten geführt - eine Situation, die im österreichischen Interesse für die

Zukunft vermieden werden sollte. Grundsätzlich bin ich aber der Auffassung, daß

dann, wenn man von einem Solidarausgleich spricht, nicht in kurzfristigen

Relationen gedacht werden kann, sondern daß die Aufnahmeleistungen von

Aufnahmeländern in einem größeren Zeitraum betrachtet werden müssen. In diesem

Zusammenhang ist es aus österreichischer Sicht von Bedeutung, daß Österreich

aufgrund der Bosnien - Krise einen weit über seine Größe hinausgehenden Anteil bei

der Aufnahme von Kriegsvertriebenen geleistet hat und daher erwarten kann, daß

diese Leistung der vergangenen Jahre - die immer noch dazu führt, daß Österreich

noch beträchtliche Integrationsleistungen insbesondere im Arbeitsmarkt aus diesem

Grunde zu erbringen hat - berücksichtigt werden.

Zu den einzelnen Fragen.

Zu Frage 1:

Statistische Aufzeichnungen der angesprochenen Art werden nicht geführt. Nach

dem mir zum gegenwärtigen Zeitpunkt vorliegenden Zahlenmaterial wurden an den

österreichischen Grenzübergangsstellen in der Zeit vom 1. Jänner bis 31. Mai 1998

insgesamt 1.238 jugoslawische Staatsangehörige aus den unterschiedlichsten

Gründen zurückgewiesen, davon 584 an den Grenzübergangsstellen des

Bundeslandes Burgenland. In dem genannten Zeitraum wurden 302 jugoslawische

Staatsangehörige aufgrund des österreichisch - ungarischen Schubabkommens nach

Ungarn zurückgestellt. In dieser Zahl sind die Ab - und Zurückschiebungen

gemeinsam ausgewiesen. Eine weitere Aufschlüsselung dieser Zahl ist nicht

möglich, da statistische Aufzeichnungen dieser Art nicht geführt werden.

In diesem Zusammenhang darf ich auf meine Ausführungen zur Beantwortung der

Dringlichen Anfrage vom 9. Juli 1998 betreffend “Abschiebung von Kosovo -

Albanern” verweisen.

Zu Frage 2 und 3:

Zum Stichtag 1. Juli 1998 befanden sich 207 jugoslawische Staatsangehörige in

Schubhaft. Von diesen 207 Fremden waren 15 minderjährig.

Zu Frage 4:

Den österreichischen Dienststellen liegen keine exakten ungarischen Zahlen vor.

Aus einer jüngst erstellten Studie eines internationalen Migrationsforschungsinstituts

geht allerdings hervor, daß im Jahr 1998 bis inklusive 5. Juli 327 Kosovo - Albaner in

Ungarn Asylanträge gestellt haben.

Zu Frage 5:

Angesichts des Umstandes, daß die Zahl von Asylwerbern im allgemeinen und die

Zahl von Asylwerbern jugoslawischer Nationalität im besonderen in Ungarn

wesentlich geringer ist als in Österreich, könnte sich die Frage stellen, in welcher

Form eine den relativen Größen der beiden Länder entsprechende Aufteilung

erfolgen kann. Diese Frage werde ich von österreichischer Seite allerdings nicht

aufwerfen. Die Zahlenrelationen machen allerdings deutlich, daß jedenfalls kein

Anlaß dafür besteht, von österreichischer Seite Aktivitäten zu unternehmen, um die

Zahl der in Ungarn befindlichen Kosovo - albanischen Asylwerber zu Lasten

Österreichs zu verringern.

Zu Frage 6:

Österreich hat in den letzten Wochen beträchtliche Anstrengungen unternommen,

die in Albanien tätigen internationalen Organisationen bei ihrer Arbeit zu

unterstützen. In diesem Zusammenhang wurden auch namhafte finanzielle Beiträge

zugesagt bzw. geleistet. Für Finanzierungen von Hilfsprojekten außerhalb

Österreichs liegt allerdings die Zuständigkeit nicht beim Bundesministerium für

Inneres, so daß die exakte Beantwortung dieser Frage lediglich vom

Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten oder vom Bundeskanzleramt

vorgenommen werden kann.

Zu Frage 7:

Wie bereits eingangs und im Zusammenhang mit der Frage 4 ausgeführt, ist auch in

der derzeitigen Migrationsbewegung Österreich eines der am meisten betroffenen

Länder. Die Nachbarstaaten Österreichs im Süden und Osten sind vergleichsweise

von dieser Migrationsbewegung in geringerem Ausmaß betroffen. In diesem Sinne

stellt sich die Situation tatsächlich nicht ausgeglichen dar, Österreich beabsichtigt

allerdings nicht, die Frage des Solidarausgleichs in diese Richtung anzusprechen.

Die Frage der Versorgung und Betreuung von Vertriebenen innerhalb ihres eigenen

Staates oder in der unmittelbaren Grenzregion ist eine Frage, die außerhalb des

Wirkungsbereichs des Bundesministeriums für Inneres liegt.

Zu Frage 8 und 9:

Wie ich bereits eingangs ausgeführt habe, unternimmt Österreich alle erforderlichen

Schritte, um die im Rahmen der Europäische Union vorgelegten Entwürfe für zwei

Rechtsakte rasch zu beraten und diese Rechtsakte zügig zu einem Abschluß zu

bringen.

Wenn der Hintergrund dieser Frage die Anregung ist, eine generelle

Aufnahmeaktion für Kosovo - Albaner in Europa durchzuführen, so haben meine

Kontakte mit den Ressortkollegen aus anderen EU - Mitgliedsstaaten ergeben, daß

zur Zeit unionsweit an solche Aktivitäten nicht gedacht ist. Ein Alleingang

Österreichs kommt aus diversen Gründen nicht in Frage.

Zu Frage 10:

Die Verhängung der Schubhaft richtet sich nach den gesetzlichen Regelungen. Dort,

wo diese ein Absehen von der Schubhaft vorsehen, sind die Fremdenpolizei -

behörden schon von Gesetzes wegen dazu angehalten, keine Schubhaft zu

verhängen. Umgekehrt ist es aber möglich, die Schubhaft dann zu verhängen, wenn

alle gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind. In diesem Zusammenhang weise

ich darauf hin, daß bedauerlicherweise immer wieder seitens der

Fremdenpolizeibehörden die Erfahrung gemacht werden muß, daß jene

Drittstaatsausländer, bei denen vom Absehen von der Schubhaft Gebrauch gemacht

wird, untertauchen und in weiterer Folge beispielsweise von einem der westlichen

Nachbarstaaten - üblicherweise aus Deutschland - nach einem illegalen

Grenzübertritt zurückgestellt werden. Bei einer solchen Konstellation ist es dann im

gesetzlich vorgegebenen Rahmen nicht mehr möglich, abermals von der Schubhaft

abzusehen, da konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, daß sich der Fremde dem

weiteren fremdenrechtlichen Verfahren entziehen wird.

Was die Frage der Situation in ungarischen Auffanglagern anlangt, kommt mir keine

Zuständigkeit zu. Ich habe aber veranlaßt, daß auf Beamtenebene Kontakt mit den

ungarischen Stellen aufgenommen wird und ihnen angeboten wird, daß Österreich

jede im Zusammenhang mit einer allfälligen Sanierung oder Verbesserung der

Situation von Aufnahmelagern notwendige Hilfestellung leistet.

Zu Frage 11:

Da sich die Frage ihrem Inhalt nach auf die Verwaltung Ungarns bezieht und von

mir verlangt, eine Beurteilung der Verwaltungssituation in Ungarn vorzunehmen,

werden Sie Verständnis dafür haben, daß ich sie in der Substanz nicht beantworten

kann. Es kommt dem Innenminister eines Staates nicht zu, beurteilende

Bewertungen der Verwaltungspraxis eines anderen Staates vorzunehmen.