4249/AB XX.GP
zur Zahl 4530/J - NR/1998
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Kurt Gaßner und Genossen haben an mich
eine schriftliche Anfrage, betreffend Weiterbestand des Bezirksgerichtes Unterwei -
ßenbach, gerichtet und folgende Fragen gestellt:
“1. Sind Sie für die Erhaltung des Standortes Unterweißenbach als Bezirksge -
richt?
2. Wenn nein: wie begründen Sie die Ablehnung?
3. Wenn ja: wovon hängt der Weiterbestand aus Sicht des BMJ ab?
4. Wie beurteilen Sie die Möglichkeit einer multifunktionalen Nutzung des derzeit
teilweise leerstehenden Gebäudes, in dem das Bezirksgericht untergebracht
ist?
5. Wie beurteilen Sie das vorliegende Angebot der Investorengruppe zur Sanie -
rung des Hauses?
6. Wird Ihr Ressort mit der Investorengruppe und der Marktgemeinde Unterwei -
ßenbach in Verhandlung treten?
7. Wenn nein: warum nicht?
8. Wenn ja, wann und mit welcher Zielsetzung?"
Ich beantworte diese
Fragen wie folgt:
Zu 1 bis 3:
Eine der wichtigsten Aufgaben der Justizverwaltung liegt in der Erhaltung und Ver -
besserung der Rahmenbedingungen für eine funktionierende und effiziente Ge -
richtsbarkeit.
Die österreichische Gerichtsbarkeit weist - im Vergleich zu anderen Behördenstruk -
turen - eine große räumliche Aufsplitterung auf. Bundesweit bestehen mehr als dop -
pelt so viele Bezirksgerichte wie Bezirkshauptmannschaften, obwohl der Bürger im
Laufe seines Lebens ungleich häufiger eine Bezirkshauptmannschaft aufsucht als -
wenn überhaupt jemals - ein Bezirksgericht. Von allen Bundesländern ist die in
Oberösterreich gegebene, im wesentlichen noch aus dem vorigen Jahrhundert
stammende Gerichtsstruktur mit 43 Bezirksgerichten die ungünstigste. Von diesen
sind 11 Bezirksgerichte so klein, daß ihr richterlich zu erledigender Rechtspre -
chungsanfall nicht einmal einen Richter zur Gänze auslastet, weitere 6 Bezirksge -
richte haben einen und weitere 11 Bezirksgerichte weniger als 2 Richter.
Im Vergleich dazu bestehen in allen unseren Nachbarstaaten auf der Ebene der
Eingangsgerichte wesentlich größere Einheiten. So beträgt etwa in Bayern die
durchschnittliche Amtsgerichtsgröße 8 Richter, in Tschechien 7 Richter. Die österrei -
chische und insbesondere die oberösterreichische Bezirksgerichtsstruktur stellt da -
her im europäischen Vergleich geradezu eine Anomalie dar.
Zur möglichsten Aufrechterhaltung der dezentralen Struktur der Justiz und als Ge -
genmaßnahme gegen die konzentrationstendenzen zu den Ballungsräumen hat die
Justiz in den letzten Jahren eine massive, bis an die Grenze des Vertretbaren nor -
mierte kompetenzverlagerung sowohl im strafrechtlichen als auch im zivilrechtlichen
Bereich von der Gerichtshofebene zu den Bezirksgerichten veranlaßt.
Gerade die immer weiter ausgedehnten, durchaus auch besonders sensible Le -
bensbereiche berührenden Kompetenzen der Bezirksgerichte verlangen auch eine
besondere Leistungsstärke dieser Gerichtseinheiten. Dies erfordert - wie bei jedem
Unternehmen - nicht nur eine kompetente Führung durch managementorientierte
Richterpersönlichkeiten, gut aus - und fortgebildete Mitarbeiter und eine moderne
Büroausstattung, sondern auch eine gewisse Mindestgröße des Bezirksgerichtes.
Nur eine gewisse Mindestgröße ermöglicht eine heute auch in der Rechtsprechung
notwendige, zumindest ansatzweise Spezialisierung (im Zivil recht, Strafrecht, Fami -
lienrecht und in der Justizverwaltung), eine unkomplizierte wechselseitige Vertretung
im Verhinderungsfalle
und das möglichst ständige Antreffen wenigstens eines Rich -
ters bei Gericht. Kleinstgerichte, deren richterlich zu erledigender Rechtsprechungs -
anfall nicht einmal die Arbeitskraft eines Richters auslastet, machen die Ernennung
des Richters zu einem zweiten Bezirksgericht erforderlich, was dazu führt, daß er
nur einzelne Tage in der Woche bei dem einen bzw. anderen Bezirksgericht anzu -
treffen ist, was naturgemäß den Kontakt zwischen den Rechtsuchenden und dem
Richter erschwert.
Schließlich ist auch zu bedenken, daß an den Standorten der Kleinstgerichte längst
keine Anwälte mehr niedergelassen sind, so daß anwaltliches Einschreiten dort
selbst für die Bevölkerung mit erhöhten Kosten verbunden ist.
Die Verbesserung der Leistungskraft der Justiz auf der Bezirksgerichtsebene durch
Vergrößerung der kleinen Betriebseinheiten ist daher nicht durch weitere Kompe -
tenzverlagerungen, sondern nur durch eine Änderung der Bezirksgerichtsstruktur,
also eine maßvolle Zusammenlegung von Kleinst - und Kleinbezirksgerichten mög -
lich. Dies wird dadurch erleichtert, daß sich die Verkehrsverhältnisse in den letzten
Jahrzehnten stark verbessert haben und auch ganz allgemein die Mobilität der Be -
völkerung ungleich höher als früher ist und daß schließlich das Grundbuch nunmehr
von überall abrufbar ist.
Auch der Rechnungshof hat sich in seinem Tätigkeitsbericht über das Jahr 1996
deutlich für eine gewisse - über die Absichten der Justiz hinausgehende - Konzen-
tration auf Bezirksgerichtsebene ausgesprochen. Für den Bereich des Oberlandes -
gerichtssprengels Linz hat er ermittelt, daß dadurch rund 4,5 Richterplanstellen und
etwa 22,5 nichtrichterliche Planstellen personell angespannt ausgestatteten Gerich -
ten zugute kommen und damit zu einer größeren Verteilungsgerechtigkeit führen
könnten. Auch beim Sachaufwand und natürlich beim Bau - und Instandhaltungsauf -
wand ergebe sich ein beachtliches Einsparungspotential. Auch diese Mittel könnten
an anderer Stelle zweckmäßiger eingesetzt werden.
Was nun das Bezirksgericht Unterweißenbach im besonderen anlangt, sind folgen -
de Anfalls - bzw. Erledigungszahlen signifikant:
• Im gesamten Jahr 1997 wurden beim Bezirksgericht Unterweißenbach nur
31 Zivilsachen “streitig” erledigt; lediglich 11 Streiturteile waren auszufertigen.
• In Strafsachen sind im Jahre 1997 nur 21 Urteile ergangen, von denen wieder -
um nur ein einziges (!) schriftlich ausgefertigt werden mußte; bei den 20 übri -
gen Strafurteilen
wurden keine Rechtsmittel angemeldet, sodaß sie mit Proto -
kollsvermerk und gekürzter Urteilsausfertigung erledigt werden konnten. Des
weiteren mußten im Jahr 1997 nur 13 Strafverfügungen erlassen werden.
Bei Zwangsversteigerungen von Liegenschaften sind im gesamten Jahr 1997
nur drei Verfahren beim Bezirksgericht Unterweißenbach angefallen.
Die Auslastung des beim Bezirksgericht Unterweißenbach eingesetzten Richters mit
richterlich zu erledigendem Rechtsprechungsanfall hat im Jahre 1997 nur 0,35 einer
Vollzeitkraft betragen.
Trotz der - bereits erwähnten - weitreichenden kompetenzverschiebungen in den
letzten zehn Jahren von den Landesgerichten zu den Bezirksgerichten ist beim Be-
zirksgericht Unterweißenbach kein wesentlicher Mehranfall eingetreten. Ich sehe
keine weitere Möglichkeit, die richterliche Auslastung beim Bezirksgericht Unterwei -
Benbach zu erhöhen. Aus der Sicht des Bundesministeriums für Justiz ist daher das
Bezirksgericht Unterweißenbach mit dem Bezirksgericht Freistadt zusammenzule -
gen. In diesem Sinne hat sich auch nachdrücklich der Rechnungshof in seinem Tä -
tigkeitsbericht für das Jahr 1996 (S 113) ausgesprochen.
Zu 4 bis 8:
Im Hinblick auf den sanierungsbedürftigen Zustand des Gerichtsgebäudes Unter -
weißenbach und die beabsichtigte Zusammenlegung mit dem Bezirksgericht Frei -
stadt halte ich die Veräußerung des bundeseigenen Gerichtsgebäudes in 4273 Un -
terweißenbach, Markt 1, für eine wirtschaftlich zweckmäßige Maßnahme. Bei einem
Verkauf des Gebäudes noch vor der beabsichtigten Zusammenlegung wird die ord -
nungsgemäße Unterbringung des Bezirksgerichtes Unterweißenbach für die Dauer
seines Bestandes vertraglich festzulegen sein.
Der Präsident des Oberlandesgerichtes Linz ist im Einvernehmen mit dem für die
Veräußerung zuständigen Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten
mit Erlaß vom 29. Juni 1998, JMZ 157.351/1 - III 2/98, ersucht worden, die erforderli -
chen Schritte für einen Verkauf der Liegenschaft in 4273 Unterweißenbach, Markt 1,
einzuleiten.