4264/AB XX.GP
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 4584/J - NR/1998, betreffend Diskriminierung von
Rollstuhlfahrern in öffentlichen Verkehrsmitteln, die die Abgeordneten Rauch - Kallat und
Kollegen am 18. Juni 1998 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:
1. Ist es richtig, daß beim Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr ein Antrag
gemäß § 52 Abs. 3 Eisenbahngesetz der Wiener Stadtwerke - Verkehrsbetriebe vom 9.
April 1997 eingelangt ist, der u.a. auf eine Beseitigung der Pflicht zur Begleitung von
Rollstuhlfahrern durch eine erwachsene Person in U - Bahnen, Niederflurstraßen bali -
nen sowie Niederflurbussen abzielte?
Mit Antrag vom 9. April 1997, Zl. DZ 5102/97/4, begehrten die Wiener Stadtwerke - Verkehrs -
betriebe gemäß § 22 Abs. 5 Wisenbahngesetz 1957 (EisbG) die Genehmigung der Änderung der
Beförderungsbedingungen. Dieser Antrag zielte unter anderem darauf ab, die Pflicht zur
Begleitung von Rollstuhlfahrern durch erwachsene Personen in U - Bahnen, Niederflurstraßen -
bahnen und Niederflurbussen ohne technische oder organisatorische Vorkehrungen zu beseiti -
gen und gleichzeitig jegliches Risiko auf Rollstuhlfahrer überzuwälzen. Dieser Antrag wurde
seither mehrmals unwesentlich abgeändert und ergänzt.
2. Ist es richtig, daß das Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr diesen Antrag
der Wiener Stadtwerke - Verkehrsbetriebe in der Frage der Pflicht zur Begleitung voll
Rollstuhlfahrern
negativ beschieden hat?
Es ist nicht richtig, daß ich diesen Antrag der Wiener Stadtwerke - Verkehrsbetriebe abgelehnt
habe. Gemäß § 22 Abs. 5 EisbG hat der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr als
zuständige Behörde zu prüfen, ob dem Antrag öffentliche Interessen entgegenstehen. Das
Verfahren ist noch im Gange.
Zu 3., 4. und 5.
Welche Gründe sprechen aus Sicht des Bundesministeriums für Wissenschaft und
Verkehr grundsätzlich gegen die selbständige Inanspruchnahme öffentliche Verkehrs -
mittel durch Rollstuhlfahrer?
Welche Gründe sprechen aus Sicht des Bundesministeriums für Wissenschaft und
Verkehr insbesondere gegen die selbständige Inanspruchnahme von U - Bahnen, Nie -
derflurstraßenbahnen sowie Niederflurbussen durch Rollstuhlfahrer?
Bestehen seitens des Bundesministeriums für Wissenschaft und Verkehr Pläne, die auf
die Beseitigung dieser weithin als diskriminierend wahrgenommenen Bestimmung
abzielen, bzw. welche Voraussetzungen müssen aus Sicht des Bundesministeriums für
Wissenschaft und Verkehr im Hinblick auf die Beseitigung dieser weithin als dis -
kriminierende wahrgenommenen Bestimmung vorliegen?
Grundsätzlich sprechen keine Gründe gegen die selbständige Inanspruchnahme von U - Bahnen,
Niederflurstraßenbahnen sowie Niederflurbussen durch Rollstuhlfahrer.
Zum konkreten Verfahren ist aber festzuhalten, daß insbesondere für den Punkt Q Abschnitt 3
im Antrag der Wiener Stadtwerke - Verkehrsbetriebe folgende Ergänzung vorgesehen ist:
“Besteigt ein Rollstuhlfahrer einen U - Bahnwagen, Niederflurstraßenbahnwagen oder
Niederflurbus ohne Begleitperson, so muß er in diesen Fällen in Kauf nehmen, daß
allenfalls die Hilfestellung für ihn in einem Notfall unmöglich ist oder erschwert wird
oder allenfalls für ihn Gefahren wegen einer unzureichenden Sicherung des Roll -
stuhles im Beförderungsmittel eintreten können.
Sieht man davon ab, daß diese Bestimmung im Widerspruch zum EKHG stünde (das eine
verschuldensunabhängige Haftung des Verkehrsunternehmens vorsieht), erscheint es mit den
öffentlichen Interessen insbesondere nicht vereinbar, wenn Sicherheitsmaßnahmen durch
Haftungsregelungen,
die dem Gesetz widersprechen, ersetzt werden sollen und damit bauliche,
betriebliche und organisatorische Maßnahmen zur fahrgastgerechten Ausstattung der Eisenbahn
vermieden werden können.
Aus meiner Sicht reicht es nämlich nicht aus, wenn durch Verkehrsunternehmen bloß Beför -
derungsbedingungen abgeändert werden, ohne begleitende Maßnahmen zu ergreifen, die auch
für eine sichere und faktisch mögliche Inanspruchnahme der Verkehrsmittel durch Roll -
stuhlfahrer ohne Begleitperson vorsorgen. Es ist auch zu beachten, daß bei Außerachtlassung
von Begleitmaßnahmen nicht nur eine Gefährdung der Rollstuhlfahrer selbst, sondern auch eine
Gefährdung anderer Fahrgäste möglich ist. Insbesondere ist es nicht nachvollziehbar, wenn
durch die Beförderungsbedingungen bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Risiken auf
Rollstuhlfahrer überwälzt werden sollen.
Aus diesen Gründen konnte der von den Wiener Stadtwerken - Verkehrsbetrieben vorgelegte
Antrag auf Änderung der Beförderungsbedingungen nicht ohne weiteres genehmigt werden.
Derzeit werden noch Gespräche mit den Wiener Stadtwerken - Verkehrsbetrieben geführt,
damit ein modifizierter, zielführender Antrag vorgelegt wird, der dann auch rasch genehmigt
werden kann.
Hinsichtlich der konkreten Pläne für die Erleichterung des Zugangs zu öffentlichen Verkehrs -
mitteln für Rollstuhlfahrer darf auch auf die vom Herrn Bundeskanzler einberufene inter -
ministerielle Arbeitsgruppe verwiesen werden, die Fragen der Gleichbehandlung behinderter
Menschen analysiert.
Weiters soll der dem Nationalrat in absehbarer Zeit zur Beschlußfassung vorzulegende Ge -
setzesvorschlag betreffend Ordnung und Finanzierung des öffentlichen Personennah - und
Regionalverkehrs (ÖPNRVG 1998) einen wichtigen Akzent für die Realisierung der im Behin -
dertenkonzept der Österreichischen Bundesregierung beabsichtigten Ziele insoweit enthalten,
als die Vergabe öffentlicher Zuschüsse an Verkehrsunternehmen oder Besteller von Verkehrs -
diensteverträgen vermehrt von der Berücksichtigung der Bedürfnisse von in ihrer Mobilität
beeinträchtigten Bürger/Innen sowie von einer benutzerfreundlichen Konzipierung der Fahr -
zeuge abhängig sein soll (siehe § 15 Abs. 1 des Ministerialentwurfes zum ÖPNRVG 1998).