430/AB
Die Abgeordneten zum Nationalrat DDr. Niederwieser, Mag. Guggenberger, Wurm,
Tegischer und Genossen haben an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend Öffent-
lichkeitsarbeit der Gerichte - Umgang mit Ersttätern, gerichtet und folgende Fragen
gestellt:
''1 . Wie beurteilen Sie vor dem Hintergrund der (in der Anfrage) geschilderten
Sachlage die Sinnhaftigkeit der Bestimmungen des Strafrechtes, wonach
Ersttäter unter die Begünstigungen der Strafregisterauskunft fallen und dem-
nach die Verurteilung nur Gerichten und Behörden bekannt sein soll?
2. Halten Sie das Vorgehen des diensthabenden Staatsanwaltes, die Medien in
einem solchen Fall über eine BerufungsverhandIung zu informieren (einzula-
den), für vertretbar?
3. Gibt es Kriterien, nach denen die Pressestelle der Staatsanwaltschaften Me-
dienvertreter von bevorstehenden Prozessen verständigen?
4. Wenn ja, ist eine Verständigung auch bei Berufungsverhandlungen wegen
der Höhe der Strafe vorgesehen?
5. Das Medieninteresse und in der Folge der Vertrauensverlust der Fahrgäste
sind nicht ohne psychische Folgen für die genannte Fahrzeuglenkerin geblie-
ben. Werden Sie Maßnahmen veranlassen, die einen sensibleren Umgang
von im Gerichtsbereich tätigen Personen und Vertretern der Presse, gerade
bei bedingten Verurteilungen von Ersttätern, garantieren?''
lch beantworte diese Fragen wie folgt:
Zu 1 bis 4:
Aus dem aus Anlaß dieser Anfrage eingeholten Bericht der Staatsanwaltschaft lnns-
bruck ergibt sich, daß der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft die einschlägigen
Berichterstatter von Printmedien sowie des ORF wöchentlich im vorhinein über
Strafverhandlungen - darunter auch Berufungsverhandlungen - in solchen Fällen in-
formiert, in denen ein ins Gewicht fallendes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit
zu erkennen ist. Dies ist nicht nur bei DeIikten besonderer Schwere, sondern etwa
auch bei solchen Straftaten der Fall, über die bereits vor dem Strafverfahren in den
Medien berichtet worden war. Mit dieser Vorgangsweise soll einer Berichterstattung
nach dem ZufalIsprinzip, die häufig wenig interessante, für eine Veröffentlichung
kaum geeignete FälIe zum Gegenstand hätte, entgegengewirkt werden. lm Rahmen
der Zusammenarbeit mit den Medienvertretern wird diesen gegenüber auch immer
wieder auf die Notwendigkeit hingewiesen, eine Erkennbarkeit der BeschuIdigten bei
der Berichterstattung zu vermeiden.
Diese Art der Medieninformation dient der ausgewogenen lnformation aller interes-
sierten Medienvertreter und steht auch nicht etwa im Widerspruch zum Erlaß des
Bundesministeriums für Justiz vom 14. März 1984 betreffend ''Zusammenarbeit mit
den Medien; Errichtung von Justizpressestellen'', JMZ 4514/1-Pr 2/1984; sie ist da-
her grundsätzlich nicht zu beanstanden. Überdies obliegt es gemäß § 7a Medienge-
setz dem Medium bzw. dem Medieninhaber, im Rahmen der Prozeßberichterstat-
tung die u.a. auch durch § 6 Tilgungsgesetz (beschränkte Auskunft aus dem Strafre-
gister) geschützten Interessen insbesondere eines Ersttäters zu wahren.
Was den in der Anfrage angesprochenen Verkehrsunfall anlangt, so weist die
Staatsanwaltschaft lnnsbruck darauf hin, daß bereits am Tag nach dem Unfall - also
lange vor der Hauptverhandlung und dem späteren Berufungsverfahren - in mehre-
ren Zeitungen über das Geschehen berichtet worden ist, wobei das Verkehrsunter-
nehmen jeweils namentlich genannt und auch der Umstand erwähnt wurde, daß der
Bus durch eine Frau gelenkt worden war. Allfällige Rückschlüsse auf die ldentität
der Lenkerin wären daher schon auf Grund dieser Zeitungsberichte möglich gewe-
sen. Gerade wegen der bereits erfolgten Berichterstattung über diesen Verkehrsun-
fall entschloß sich der Leiter der Pressestelle der Staatsanwaltschaft lnnsbruck, die
Berufungsverhandlung im Strafverfahren gegen die Buslenkerin in die wöchentliche
Liste der Fälle mit Öffentlichkeitsinteresse aufzunehmen.
Zu 5:
Das Bundesministerium für Justiz hat gerade in jüngster Zeit dem sensiblen Um-
gang der im Gerichtsbereich tätigen Personen mit den schützenswerten Interessen
(insbesondere) von Ersttätern vermehrtes Augenmerk zugewendet. Sichtbarer Aus-
druck dessen sind etwa InformationsveranstaItungen für einschlägig tätige Richter
und Staatsanwälte, wie etwa die vom Oberlandesgericht Linz am 22. und 23. April
1996 durchgeführte Tagung zum Thema ''Öffentlichkeit in der Justiz - Justiz in der
Öffentlichkeit''. lm Rahmen solcher Veranstaltungen sowie im Zuge laufender Kon-
takte des Bundesministeriums für Justiz mit den Pressestellen der Gerichte und
Staatsanwaltschaften wird im besonderen auch auf die seit der Mediengesetznovel-
le 1992 geänderten bzw. präzisierten Maßstäbe des Gesetzgebers zum Persönlich-
keitsschutz aus Anlaß von Strafverfahren hingewiesen.