4377/AB XX.GP
Die Abgeordneten Mag. Stoisits, Freundinnen und Freunde haben an mich am 17. Juli 1998
die schriftliche Anfrage Nr. 4832/J - NR/1998,betreffend “Spitzelakte in der MA 62” mit
folgendem Wortlaut gerichtet:
1. Ist es richtig, daß es bei der MA 62 sogenannte “Spitzelakte” gibt, die “aus
Staatsräson erledigt werden”?
2. Wieviele Fälle ähnlicher Art, wie der vom Standard in seinem Artikel vom 24.6.1998
auf Seite 8 zitierte, sind dem Innenministerium bekannt?
3. Aus welchen konkreten Gründen werden “Akte aus Staatsräson erledigt”?
4. Bei welchen anderen Behörden werden ebenfalls ‚,Akte aus Staatsräson erledigt”?
5. Wie rechtfertigen Sie diese Vorgangsweise, zumal gleichzeitig zahlreiche Anträge
unter restriktivster Anwendung der Gesetzesbestimmungen abgelehnt werden?
6. Erfolgte diese Erledigung über Weisung Ihres Ministeriums oder einer anderen
vorgesetzten Stelle?
7. Wenn ja, was ist der Grund für diese Weisung?
8. Wenn nein, was wird von Ihnen gegen dieses rechtswidrige Handeln der Beamten
unternommen?
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
zu Frage 1:
Dazu ist vorab auszuführen, daß die verwendeten Begriffe “Spitzelakte” und “Staatsräson” zu
einer Mißinterpretation der tatsächlichen
Situation führen.
Es gibt Fallkonstellationen, bei denen öffentlichen Interessen am weiteren oder zu
begründenden Aufenthalt einer Person fremder Staatsangehörigkeit im Bundesgebiet
bestehen. In solchen Fällen ist es möglich und sinnvoll, daß die zuständigen Behörden diese
Interessen an die Aufenthaltsbehörde herantragen. Ein einfaches Beispiel mag dies
verdeutlichen: Wenn das Aufenthaltsrecht eines wichtigen Zeugen in einem Strafverfahren
abläuft, kann es notwendig sein, eine Verlängerung über den Prozeßtermin hinaus
vorzunehmen, damit das Strafverfahren ordnungsgemäß durchgeführt werden kann.
Bei der in der Anfrage angesprochenen Fallkonstellation dürfte es sich um solche
Sachverhalte handeln.
zu Frage 2:
Da ich keine unmittelbare Kenntnis der Aktenverwaltung der Behörden der ersten Instanz
habe, kann ich keine Auskunft darüber geben, in welcher Weise bei der MA 62 Akten
systematisch erfaßt werden, in denen Sachverhaltselemente wie die zu Frage 1
angesprochenen relevant sind. Mangels einer besonderen Systematik, zumal ein Fall dieser
Art nur durch eine gesonderte Prüfung jedes Einzelfalles eruierbar wäre, kann diese Frage
auch nicht unter der Angabe der Zahl von Fällen beantwortet werden.
zu Frage 3 und 5:
Die Sicherheitsbehörden dürfen sich nur insoweit für eine Erteilung einer
Aufenthaltsberechtigung aussprechen, als diese dem Gesetz entspricht. Es geht dabei um die
Möglichkeit, Lösungen unter Berücksichtigung der gesetzlichen Schranken - jedoch unter
Bedachtnahme eines vorhandenen Ermessensspielraumes - zu erzielen. Bei der Sicherung des
Aufenthaltsrechts von Zeugen kann dies eine Rolle spielen, aber auch in den
staatspolizeilichen Tätigkeitsfeldern ,,Ausländerextremismus” und “internationaler
Terrorismus”, wo das Gewinnen von Vertrauenspersonen in verschiedenen
Bevölkerungsschichten ein unerläßliches Mittel ist, um die Phänomene besser zu verstehen
und gefährlichen Tendenzen rechtzeitig vorbeugen zu können. Auch im Bereich der
Suchtgiftkriminalität und Organisierten Kriminalitat ist es unumgänglich geboten,
Vertrauenspersonen zu gewinnen.
Im Zusammenhang mit dem Aufenthaltsrecht von Zeugen, Opfern und Auskunftspersonen
wenden sich daher Organe von Sicherheitsbehörden - auch solche der EDOK und der EBT -
sporadisch an die Aufenthaltsbehörden, teilen diesen den relevanten Sachverhalt mit und
ersuchen um eine Berücksichtigung dieses Sachverhaltes bei der Entscheidung. Es ist
angewiesen, daß solche Kontaktnahmen durch Mitarbeiter des Bundesministeriums für
Inneres nur über die für das Fremdenwesen zuständigen Fachabteilungen erfolgen dürfen.
Weisungen dürfen ausschließlich von diesen Fachabteilungen erteilt werden.
Eine aus Anlaß dieser Anfrage durchgeführte Prüfung der Akten hat hergeben, daß seitens der
für den Vollzug des AufG (nunmehr FrG 1997) zuständigen Fachabteilung keine Weisung an
die MA 62 ergangen ist, die ihren Grund in einem diesbezüglichen einschlägigen Ersuchen
von EDOK oder EBT gehabt hätte.
zu Frage 4:
Wie zur Frage 1 ausgeführt, liegen keine Akte aus “Staatsräson” vor, weshalb schon
begrifflich eine Antwort nicht möglich ist.
zu Fragen 6 bis 8:
Zu dem im angeschlossenen Zeitungsartikel angesprochenen Sachverhalt ist auszuführen, daß
die abweisliche Verlängerungsentscheidung der erstinstanzlichen Behörde vom
Bundesministerium für Inneres im Berufungswege deshalb nicht bestätigt wurde, da diese
nach den Bestimmungen des AufG erfolgt war, aber im Berufungsverfahren bereits die neuen
Bestimmungen des FrG 1997 über die bindende Vorgangsweise bei der Erteilung von
weiteren Aufenthaltstiteln angewendet werden mußten. In diesem Fall war daher keine
Weisung für die Erteilung der Aufenthaltsberechtigung ausschlaggebend, sondern die
geänderten Bestimmungen über die Aufenthaltsverfestigung des FrG 1997. Es handelte sich
daher um kein rechtswidriges Handeln und sind Maßnahmen gegen die Beamten nicht zu
treffen.