4401_u1/AB XX.GP
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 4648/J - NR/1998 betreffend Disziplinarverfahren
gegen HochschullehrerInnen, die die Abgeordneten Dr. PETROVIC, Freundinnen und Freun -
de am 8. Juli 1998 an mich gerichtet haben und für deren Beantwortung ich mit Schreiben vom
4. September 1998 (GZ 10.001/95 - Pr/1c/98) wegen der damit verbundenen umfangreichen
Erhebungen um Fristerstreckung ersucht habe, beehre ich mich nun wie folgt zu beantworten:
1. Wieviele Disziplinaranzeigen wurden gegen Universitäts - und Hochschulprofessor -
Innen jeweils in den Jahren 1988 bis 1998 erstattet?
In den Jahren 1988 bis 1998 wurden insgesamt 17 Disziplinaranzeigen gegen Ordentliche und
Außerordentliche Universitätsprofessoren sowie 4 Anzeigen gegen Ordentliche Hochschul -
professoren erstattet.
2. Wieviele Disziplinaranzeigen wurden gegen Universitäts - und Hochschulassistent -
Innen jeweils in den Jahren 1988 bis 1998 erstattet?
In den Jahren 1988 bis 1998 wurden insgesamt 3 Disziplinaranzeigen gegen Universitätsassisten -
linnen, 32 gegen Universitätsassistenten sowie eine Anzeige gegen einen Hochschulassistenten
erstattet.
3. Wieviele Disziplinaranzeigen wurden gegen BundeslehrerInnen jeweils in den
Jahren 1988 bis 1998 erstattet?
In den Jahren 1988 bis 1998 wurden insgesamt 2 Diszipunaranzeigen gegen Bundeslehrer an
Universitäten erstattet. Disziplinaranzeigen gegen Bundeslehrer an Kunsthochschulen gab es in
diesem Zeitraum nicht.
4. Wieviele Disziplinaranzeigen wurden gegen Beamte in wissenschaftlicher Verwen -
dung jeweils in den Jahren 1988 bis 1998 erstattet?
In den Jahren 1988 bis 1998 wurden insgesamt 3 Disziplinaranzeigen gegen "Wissenschaftliche
Beamte" an Universitäten sowie je eine Anzeige gegen eine Beamtin und gegen einen Beamten
des Wissenschaftlichen Dienstes an Kunsthochschulen erstattet.
5. Wieviele Disziplinarverfahren wurden gegen Universitäts - und Hochschulprofessor -
Innen jeweils in den Jahren 1988 bis 1998 eingeleitet?
In diesem Zeitraum wurde gegen 5 Universitäts - und gegen 4 Hochschulprofessoren ein Verfah -
ren eingeleitet. In 8 Fällen wurde vom zuständigen Disziplinarsenat beschlossen, kein Disziplinar -
verfahren einzuleiten. In 4 Fällen kam es zu einem Freispruch bzw. zu einer Einstellung des Ver -
fahrens.
6. Wieviele Disziplinarverfahren wurden gegen Universitäts - und Hochschulassistent -
Innen jeweils in den Jahren 1988 bis 1998 eingeleitet?
In diesem Zeitraum wurde gegen 13 Universitätsassistenten und gegen eine Universitätsassisten -
tin ein Verfahren eingeleitet. In 11 Fällen (10 an Universitäten, 1 an einer Kunsthochschule)
wurde vom zuständigen Disziplinarsenat beschlossen, kein Disziplinarverfahren einzuleiten. In 6
Fällen kam es zu einem Freispruch bzw.
zu einer Einstellung des Verfahrens.
7. Wieviele Disziplinarverfahren wurden gegen BundeslehrerInnen jeweils in den
Jahren 1988 bis 1998 eingeleitet?
In einem Fall wurde ein Verfahren eingeleitet, endete aber mit einem Freispruch, im zweiten Fall
wurde das Verfahren eingestellt.
8. Wieviele Disziplinarverfahren wurden gegen Beamte in wissenschaftlicher Verwen -
dung jeweils in den Jahren 1988 bis 1998 eingeleitet?
In zwei Fällen wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet, beide Verfahren wurden aber später
eingestellt. In den anderen drei Fällen wurde vom zuständigen Senat beschlossen, kein Verfahren
einzuleiten.
9. In wievielen Fällen wurden wegen Straftaten des 22. Abschnittes des StGB (§§ 302
StGB (f) gegen Universitäts - und HochschulprofessorInnen jeweils in den Jahren
1988 bis 1998 Disziplinaranzeige erstattet bzw. Disziplinarverfahren eingeleitet?
Welche Delikte des 22. Abschnittes wurden dabei jeweils mit welcher Häufigkeit
zur Anzeige gebracht?
10. In wievielen Fällen wurden wegen Straftaten des 22. Abschnittes des StGB (§§ 302
StGB (1) gegen Universitäts - und HochschulassistentInnen jeweils in den Jahren
1988 bis 1998 Disziplinaranzeige erstattet bzw. Disziplinarverfahren eingeleitet?
Welche Delikte des 22. Abschnittes wurden dabei jeweils mit welcher Häufigkeit
zur Anzeige gebracht?
11. In wievielen Fällen wurden wegen Straftaten des 22. Abschnittes des StGB (§§ 302
StGB CI) gegen BundeslelirerInnen jeweils in den Jahren 1988 bis 1998 Disziplinar-
anzeige erstattet bzw. Disziplinarverfahren eingeleitet? Welche Delikte des 22.
Abschnittes wurden
dabei jeweils mit welcher Häufigkeit zur Anzeige gebracht?
12. In wievielen Fällen wurden wegen Straftaten des 22. Abschnittes des StGB (§§ 302
StGB II) gegen Beamte in wissenschaftlicher Verwendung jeweils in den Jahren
1988 bis 1998 Disziplinaranzeige erstattet bzw. Disziplinarverfahren eingeleitet?
Welche Delikte des 22. Abschnittes wurden dabei jeweils mit welcher Häufigkeit
zur Anzeige gebracht?
Zwei Anzeigen gegen Universitätsassistenten und einer Anzeige gegen einen “Wissenschaftlichen
Beamten" lag ein Vorwurf gem. § 302 StGB zugrunde. Andere Tatbestände des 22. Abschnittes
des StGB waren nicht Gegenstand von Disziplinaranzeigen. Zwei der drei Verfahren sind noch
anhängig, im dritten Fall kam es nach der Einstellung des Gerichtsverfahrens auch zur Einstellung
des Disziplinarverfahrens.
13. In wievielen Fällen wurden gegen diese eingeleiteten Disziplinarverfahren Einsprü -
ehe erhoben?
In insgesamt 6 Fällen (3 Universitäts - bzw. Hochschulprofessoren, 3 Assistenten) wurde gegen
die Einleitung des Disziplinarverfahrens ein Rechtsmittel (in früheren Jahren Beschwerde beim
VwGH, 1998 eine Berufung an die Berufungskommission beim BKA) eingebracht.
14. In wievielen dieser Fälle wurde den Einsprüchen stattgegeben?
In 4 Fällen (1 Hochschulprofessor, 3 Universitätsassistenten) wurde der Beschwerde vom
VwGH stattgegeben.
15. In wievielen Fällen kam es zu disziplinarrechtlichen Maßnahmen?
Siehe die Beantwortung der Fragen 16 bis 20.
Je ein Verfahren gegen Universitätsprofessoren wurde von Gesetzes wegen durch den Austritt
des
Beschuldigten aus dem Bundesdienst bzw. durch Amtsverlust (§ 27 Abs.1
StGB) beendet.
Alle 3 gegen Universitätsassistentinnen eingeleitete Verfahren endeten von Gesetzes wegen
durch den Austritt der Beschuldigten aus dem Bundesdienst, ebenso zwei Verfahren gegen
Universitätsassistenten. Zwei Verfahren gegen Universitätsassistenten endeten durch Amtsverlust
(§ 27 Abs.1 StGB) aufgrund strafgerichtlicher Verurteilung.
An dieser Stelle ist auch darauf hinzuweisen, daß ein erheblicher Teil der gegen Universitätsassi -
stenten (und Universitätsdozenten gem. § 170 BDG 1979) erstatteten Anzeigen Ärzte an Uni -
versitätskliniken betrifft. Der jeweilige Krankenanstaltenträger erstattet im Zusammenhang mit
ärztlichen Fehlleistungen im Spitalsbetrieb, die den Tod oder eine Verletzung eines Patienten zur
Folge haben, Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft. Parallel dazu ist der Rektor der betreffen -
den Universität gezwungen, formell Disziplinaranzeige zu erstatten. In der Mehrzahl dieser Fälle
endet das Gerichtsverfahren durch Zurücklegung der Anzeige durch die Staatsanwaltschaft oder
durch Freispruch. Erst dann ist ein formelles Disziplinarverfahren weiterzuführen, wobei freilich
wenig Raum für einen disziplinär zu ahndenden Tatbestand bleibt.
16. In wievielen Fällen davon kam es zu einem Verweis?
Ein Verfahren endete mit einem Verweis. Der Berufung dagegen wurde aber von der Diszipli -
naroberkommission beim BKA stattgegeben und der Beschuldigte freigesprochen. Hier ist
anzumerken, daß in einigen anderen Fällen, in denen keine Anzeige an die Disziplinarkommission
erstattet wurde, Verweise mittels Disziplinarverfügung durch die Dienstbehörde 1. Instanz (§131
BDG 1979) ausgesprochen wurden.
17. In wievielen Fällen davon kam es zu Geldbußen?
Ein Disziplinarverfahren gegen einen Universitätsassistenten endete mit der Verhängung einer
Geldbuße.
18. In wievielen Fällen davon kam es
zu Geldstrafen?
In keinem Verfahren wurde eine Geldstrafe verhängt.
19. In wievielen Fällen davon kam es zu Suspendierungen?
3 Universitäts - bzw. Hochschulprofessoren und 2 Universitätsassistenten wurden von der Diszi -
plinarkommission suspendiert.
20.In wievielen Fällen davon kam es zu Entlassungen?
Die Disziplinarstrafe der Entlassung wurde in keinem Verfahren ausgesprochen. Alle Verfahren,
in denen sich eine Entlassung als wahrscheinlich abzeichnete, endeten vorzeitig mit dem Austritt
des (der) Beschuldigten aus dem Bundesdienst (siehe § 118 Abs. 2 BDG 1979) bzw. mit dem
Amtsverlust aufgrund einer Verurteilung im parallel gelaufenen strafgerichtlichen Verfahren zu
einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe (§ 27 Abs. 1 StGB).
21. Ist im Bereich Ihres Ressorts das Disziplinarrecht subsidiär gegenüber anderen
Rechtsmaterien? Gibt es eine rechtliche Begründung dafür, das Disziplinarrecht
nicht anzuwenden, wenn etwa Rechtsvorschriften der Gleichbehandlung zur Anwen-
dung kommen?
Es gibt keine Subsidiarität. Bezüglich der Universitäts - und Hochschullehrer muß aber angemerkt
werden, daß das Disziplinarrecht gemäß BDG 1979 nur für die in einem öffentlich - rechtlichen
Bundesdienstverhältnis stehenden Universitäts - und Hochschullehrer gilt. Gegen Universitäts -
angehörige, die in keinem Dienstverhältnis, sondern in einem speziellen öffentlich - rechtlichen
Rechtsverhältnis stehen (insbesondere Lehrbeauftragte, sogenannte "externe" Universitätsdozen -
ten, Honorarprofessoren, Gastprofessoren und Mitarbeiter im Lehrbetrieb (Studienassistenten,
Demonstratoren, Tutoren) gibt es weder ein Disziplinarrecht noch die Möglichkeit einer vor -
zeitigen Auflösung dieses
Rechtsverhältnisses durch den Bund bzw. durch die Universität.
Verletzungen des Bundes - Gleichbehandlungsgesetzes bzw. der Gleichbehandlungsbestimmungen
in den Organisationsgesetzen für die Universitäten (§§ 39 und 40 UOG 1993, § 106a UOG)
und die Universitäten der Künste (§§ 39 und 40 KUOG, § 14b KH - OG, § 25a AOG) durch
Universitätsorgane können disziplinarrechtliche Folgen haben, die nach den Bestimmungen des
BDG 1979 zu behandeln sind. Das Disziplinarrecht ist durch die zitierten Gleichbehandlungs -
bestimmungen nicht eingeschränkt.
22. Erachten Sie das Recht, Mitglieder der Disziplinarkommission ablehnen zu können,
für zeitgemäß?
Wenn ja, warum?
Wenn nein, welche konkreten Änderungen befürworten Sie?
Es mag gerade an Universitäten angesichts der interdisziplinären Zusammenarbeit in der For -
schung sowie im Hinblick auf die Willensbildung in Kollegialorganen zu Fällen der Befangenhei
von Mitgliedern von Disziplinarsenaten kommen können. Dieser Gefahr wurde in der Senats -
und Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Wissenschaft und
Verkehr dadurch Rechnung zu tragen versucht, daß kein Kommissionsmitglied an einem Verfah -
ren gegen einen seiner eigenen Universität angehörenden Beschuldigten mitwirken darf, sondern
durch ein Ersatzmitglied vertreten werden muß. Das Recht einer unbegründete Ablehnung eines
Senatsmitglied (§124 Abs. 3 BDG 1979) wird im Universitäts - und Hochschulbereich nur selten
ausgeübt und erscheint nicht unentbehrlich.
23. Welchen Reformbedarf sehen Sie selbst beim derzeit gültigen Disziplinarrecht?
Nach den Erfahrungen mit Disziplinarangelegenheiten im Bereich der Universitäten und der
künstlerischen Hochschulen (nunmehr Universitäten der Künste) sind als besondere Probleme zu
nennen:
a. Die Dienst - und Disziplinarbehörden verfügen in Relation zu den Befugnissen der ordentli -
ehen Gerichte und der
Sicherheitsbehörden nur über sehr eingeschränkte
Möglichkeiten der
Untersuchung der in Disziplinaranzeigen oder in rechtlich als Aufsichtsbesehwerden zu quali -
fizierenden Eingaben Dritter enthaltenen Anschuldigungen.
b. Hauptberuflich mit Disziplinarangelegenheiten befaßte Beamte gibt es im Bereich des Bun -
desministeriums für Wissenschaft und Verkehr nicht und kann es bei den Universitäts - und
Hochschullehrern schon begrifflich nicht geben. Die Mitglieder der Disziplinarkommission
und die Disziplinaranwälte üben diese Aufgaben rechtlich als (unbezahlte) Nebentätigkeit
aus. Nicht erst durch die durch Budgetrestriktionen verursachten Personalengpässe, sondern
schon vorher haben die Universitäts - und Hochschullehrer oft nicht ausreichend Zeit für eine
rasche und umfassende Erledigung der anstehenden Disziplinarfälle gehabt. Dies gilt naturge-
mäß in besonderem Maße für Zeiten besonderer Belastungen im Lehr - und Prüfungsbetrieb.
Nicht nur Beamten der Allgemeinen Verwaltung, sondern auch Universitäts - und Hochschul -
lehrern fehlt häufig die Praxis und Erfahrung mit der Handhabung des Disziplinarrechts; dies
gilt auch für manche in rechtswissenschaftlichen Fächern tätige Universitätslehrer.
24. Welche konkreten Reformmaßnahmen im Bereich des Disziplinarrechtes werden
Sie in welchem konkreten Zeitraum vorlegen?
Das Disziplinarrecht ist ein Teil des BDG 1979 und gilt für alle Besoldungsgruppen. Entwürfe für
Änderungen fallen daher in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Finanzen.