4443/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen haben am 16. Juli 1998

unter der Nr. 4713/J - NR/1998 an mich eine schriftliche Anfrage gerichtet, welche den

folgenden Wortlaut hat:

 

1. Unter welchen Umständen unterliegt eine Militärperson eines ausländischen Staates

    nach dem PfP - SOFA der österreichischen Strafgerichtsbarkeit?

2. Ist sichergestellt, daß zumindest bei gemeingefährdenden Strafdelikten (wie etwa

    jenem in Cavalese) der Täter österreichischem Strafrecht unterliegt und vor ein

    österreichisches Gericht gestellt werden kann?

3. Welche Vorbehalte haben andere PfP - Staaten hinsichtlich des NATO - SOFAs

    angemeldet?

4. Trifft es zu, daß andere PfP - Staaten hinsichtlich Art. III des NATO - SOFAs

    weitergehendere Vorbehalte angemeldet haben?

5. Wenn ja, wieso hat sich Österreich diesem Vorgehen nicht angeschlossen?

6. Ist aufgrund des PfP - SOFAs zumindest sichergestellt, daß die Militärmacht, deren

    Angehöriger einen Unglücksfall verursacht, Schadenersatz leistet?

7. Selbstverständlich muß alles daran gesetzt werden, daß Katastrophenfälle wie jener in

    Cavalese von vornherein vermieden werden. Gleichzeitig zeigt sich aber, daß derartige

    Vorfälle im militärischen Übungsbereich nie völlig ausgeschlossen werden können.

    können Sie es vor diesem Hintergrund politisch verantworten, durch den Abschluß des

    PfP - SOFAs der Republik Österreich die Möglichkeit zu nehmen, den oder die Täter

    strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen?

Ich beehre mich, die Anfrage wie folgt zu beantworten:

 

Zu Frage 1:

 

Die Aufteilung der Strafgerichtsbarkeit zwischen Aufnahmestaat und Entsendestaat wird

in Art. VII NATO - SOFA getroffen. Dabei kommt gemäß Art. VII Abs. 1 lit. a Österreich als

Aufnahmestaat die Gerichtsbarkeit dann zu, wenn es sich um Verstöße gegen das

österreichische Strafrecht handelt und nicht um Verstöße gegen das Militärrecht des

Entsendestaates, die dessen Straf - und Disziplinargerichtsbarkeit unterliegen. Dazu

kommt die alleinige Gerichtsbarkeit Österreichs als Aufnahmestaat in Bezug auf

Handlungen, die nur nach dem Recht des Aufnahmestaates strafrechtlich zu verfolgen

sind (Art. VII Abs. 2 lit. a). In der Folge sieht Art. VII einige Ausnahmen von der

allgemeinen Zuständigkeit des Aufnahmestaates vor. So hat der Entsendestaat die

Gerichtsbarkeit über Straftaten, die sich ausschließlich gegen das Vermögen oder die

Sicherheit des Entsendestaates oder gegen das Leben oder das Vermögen eines

Mitgliedes der Truppe, des zivilen Gefolges oder eines Angehörigen des Entsendestaates

richten oder die sich aus einer Handlung oder Unterlassung in Ausübung des Dienstes

ergeben (Art. VII Abs. 3 lit. a).

 

Art. VII Abs. 3 lit. c sieht jedoch für einen zuständigen Staat die Möglichkeit vor, auf die

Ausübung der Strafgerichtsbarkeit zu verzichten, wobei Ersuchen auf einen derartigen

Verzicht wohlwollend zu prüfen sind. Weiters schließt der österreichische Vorbehalt zum

PfP - SOFA - Erklärung Österreichs anläßlich der Ratifikation des “Übereinkommens

zwischen den Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrages und den anderen an der

Partnerschaft für den Frieden teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung der

Truppen ("PfP - SOFA")" - die Ausübung der Gerichtsbarkeit durch Gerichte des

Entsendestaates in Österreich aus.

 

Zu Frage 2:

 

In Bezug auf die Ausübung der Gerichtsbarkeit trifft das SOFA keine Unterscheidung, die

an die Straftatbestände anknüpft.

 

Zu Frage 3:

 

Neben Österreich haben auch Schweden, Finnland, die Niederlande, Spanien und

Norwegen Vorbehalte zum PfP - SOFA abgegeben, wobei zu berücksichtigen ist, daß die

Niederlande, Spanien und Norwegen in einer von Österreich grundsätzlich verschiedenen

Position sind. Niederlande, Spanien und Norwegen sind auch NATO - Mitglieder und

deshalb Vertragsparteien des NATO - SOFA. Sie haben in ihren Vorbehalten zum

Ausdruck gebracht, daß sie das PfP - SOFA nur gegenüber jenen Staaten anwenden

werden, die das Zusatzprotokoll betreffend die Vollstreckung der Todesstrafe ratifiziert

haben. Da es kein ähnliches Zusatzprotokoll zum NATO - SOFA gibt und daher für die

genannten Staaten im Gegensatz zu Österreich das NATO - SOFA gegenüber anderen

NATO - Staaten uneingeschränkt zur Anwendung kommt, ist dieser Vorbehalt nur

gegenüber nicht der NATO angehörigen PfP - Teilnehmern anwendbar, die das

Zusatzprotokoll nicht ratifiziert haben (z.Zt. Aserbaidschan und Ukraine), aber nicht

gegenüber NATO - Staaten, die die Todesstrafe nicht abgeschafft haben (z.B. USA und

Türkei).

 

Schweden und Finnland haben Vorbehalte zu Art. VII abgegeben, die inhaltlich dem

österreichischen Vorbehalt weitgehend entsprechen.

 

Zu den Fragen 4 und 5:

 

Nein.

 

Zu Frage 6:

 

Verursacht ein Mitglied einer Truppe in Ausübung des Dienstes einen Schaden an einem

Dritten, ist das Verfahren des Art. VIII Abs. 5 NATO - SOFA anwendbar. Art. VIII Abs. 5

lit. a normiert, daß in diesem Falle die Geltendmachung, Festsetzung und Erledigung des

Anspruches nach den Vorschriften des Aufnahmestaates, so als ob der Schaden von

seinen eigenen Streitkräften verursacht worden wäre, erfolgt. Im Falle des Schadens

durch ein Flugzeug wären demnach die Bestimmungen des Luftfahrtgesetzes (LFG),

BGBl. Nr.253/1957 idgF, in Bezug auf Flüge durch das Bundesheer anwendbar. Gemäß

§ 146 Abs. 1 LFG haftet der Halter eines Luftfahrzeuges verschuldensunabhängig für den

Ersatz von Schaden, der durch einen Unfall beim Betrieb des Luftfahrzeuges

herbeigeführt wurde. § 151 LFG sieht für diesen Fall eine der Höhe nach unbegrenzte

Haftung des Bundesheeres vor.

 

Geschädigte könnten in so einem Fall etwa Klage gegen die Republik Österreich vor

einem österreichischen Gericht gemäß den Vorschriften des Amtshaftungsgesetzes 1949

führen. Wurde ein derartiger Anspruch und dessen Höhe festgestellt, steht es dem

Aufnahmestaat jedoch auch offen, Ansprüche zu regeln, das heißt etwa außergerichtlich

eine Einigung darüber herbeizuführen, aber auch Ansprüche ganz oder teilweise zu

befriedigen.

 

Hat der Aufnahmestaat, sei es auf Grund einer außergerichtlichen Regelung oder einer

gerichtlichen Entscheidung, einen Anspruch befriedigt, so obliegt es ihm, den beteiligten

Entsendestaaten einen Bericht hierüber zu übermitteln (Art. VIII Abs. 5 lit. d). Gemäß den

in lit. e festgelegten Schlüsseln wird der Schadenersatz unter den beteiligten Staaten

aufgeteilt, die den auf sie fallenden Betrag bei vorheriger Zahlung gemäß lit. b dem

Aufnahmestaat zu ersetzen haben.

 

Wurde der Schaden nicht in Ausübung des Dienstes verursacht, ist Art. VIII Abs. 6

anwendbar. Darin wird die Möglichkeit vorgesehen, daß der Entsendestaat nach

Vorliegen eines diesbezüglichen Berichtes des Aufnahmestaates die Forderung durch

eine Ex - gratia - Zahlung befriedigt. Sollte dies nicht erfolgen oder der Geschädigte die

Zahlung als nicht ausreichend empfinden, steht ihm die Möglichkeit offen, den Schädiger

vor einem österreichischen Gericht zu klagen.

Zu Frage 7:

 

Anläßlich der parlamentarischen Genehmigung des PfP - SOFA hat eine Güterabwägung

stattgefunden, wobei auch erörtert wurde, daß das teilweise Verbleiben der

Gerichtsbarkeit beim Entsendestaat vor allem österreichische Soldaten im Ausland

schützt. In diesem Zusammenhang darf auf die Berichte über die Einleitung der

ordnungsgemäßen strafrechtlichen Verfolgung der für das Unglück in Cavalese zur

Verantwortung zu ziehenden Piloten vor den zuständigen Gerichten in den USA

verwiesen werden.