4478/AB XX.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Stadler, DI Hofmann und Kollegen haben am 17. Juli
1998 unter der Nr. 4820/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend “eines
Urteils des Oberlandesgerichts Wien vom 4. Mai 1998 zu 18 Bs 384/97, betreffend das
'Dokumentationszentrum des österreichischen Widerstandes‘ (DÖW)” gerichtet, die folgenden
Wortlaut hat:
1.) Hat Ihr Ministerium bzw. haben nachgeordnete Ihrem Ministerium unterstehende Stellen
jemals mit dem “Dokumentationszentrum des österreichischen Widerstandes”
zusammengearbeitet? - Wenn ja, wann, wie oft, von welchen Abteilungen und in welchen
Angelegenheiten?
2.) Wird Ihr Ministerium bzw. werden nachgeordnete Ihrem Ministerium unterstehende Stellen
weiterhin mit dem ,,Dokumentationszentrum des österreichischen Widerstandes” (laut
Gerichtsurteil "kommunistische Tarnorganisation”) und dessen Leiter Dr. Wolfgang
Neugebauer (laut Gerichtsurteil “Denunziant") zusammenarbeiten? - Wenn ja, warum?
3.) Sind Sie bereit, den zwischen Ihnen, Ihren Amtsvorgängern und (laut Gerichtsurteil
Denunziant") Dr. Wolfgang Neugebauer stattgefundenen Schriftverkehr dem Nationalrat
vorzulegen? - Wenn nein, warum nicht?
4.) Welchen Gesamtbetrag hat das "Dokumentationszentrum des österreichischen
Widerstandes” (laut Gerichtsurteil eine "kommunistische Tarnorganisation”) über die letzten
15 Jahre als Förderung aus Ihrem Ressort erhalten?”
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Es trifft nicht zu, daß das OLG Wien in seinem Urteil vom 4. Mai 1998, 18 Bs 384/97, die in
der Einleitung der Anfrage getroffenen Feststellungen getroffen hat. Es gibt somit kein
Gcrichtsurteil, das festgestellt hat, daß das "Dokumentationszentrum des österreichischen
Widerstandes” (richtig:
“Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes”) eine
“kommunistische Tarnorganisation” und daß deren Leiter Dr. Wolfgang NEUGEBAUER ein
"Denunziant” sei.
Richtig ist vielmehr, daß das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht mit dem genannten
Urteil den Autor eines sich mit dem "Dokumentationsarchiv des Österreichischen
Widerstandes” und dessen Leiter befassenden Medienberichtes wegen einer in diesem Bericht
enthaltenen Feststellung wegen Vergebens der üblen Nachrede zu einer Geldstrafe
verurteilt hat. Bereits im Ersturteil hatte das Landesgericht für Strafsachen Wien festgestellt,
daß es sich bei der Bezeichnung des “Dokumentationsarchives des Österreichischen
Widerstandes” als “kommunistische Tarnorganisation” um ein Werturteil handle, wie es in
bezug auf Politiker auch in einer Weise, die als verletzend, schockierend oder irritierend
empfunden werden möge, (straflos) zulässig sei. Eine analoge Feststellung hat das
Oberlandesgericht Wien im Berufungsurteil hinsichtlich der Bezeichnung des Privatanklägers
Dr. Wolfgang NEUGEBAUER als “Denunzianten” getroffen.
Die Gerichte sind damit einer mit der einschlägigen österreichischen Rechtstradition
brechenden Judikatur gefolgt, die durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes
für Menschenrechte entwickelt worden ist. Dieser hatte in mehreren Verfahren - unter anderem
auch in jenem, in dem ein österreichischer Politiker als "Trottel” bezeichnet worden war - zum
Ausdruck gebracht, daß “die Grenzen akzeptabler Kritik in bezug auf einen Politiker, der in
seiner öffentlichen Funktion handelt, weiterzuziehen seien, als in bezug auf eine Privatperson.
Die Anforderungen an den Schutz des guten Rufes eines Politikers müßten gegenüber den
Interessen an einer offenen Diskussion politischer Fragen abgewogen werden; Ausnahmen von
der Freiheit der Meinungsäußerung seien daher eng auszulegen.”
Entgegen der dieser Anfrage zugrundeliegenden Einschätzung halte ich das
“Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes” für einen wichtigen Hüter der
durch die antifaschistische Ausrichtung der österreichischen Bundesverfassung
(Unabhängigkeitserklärung, Verfassungsüberleitungsgesetz, Verbotsgesetz und Staatsvertrag
betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreichs)
gesicherten Abgrenzung Österreichs gegen rechtsradikale Tendenzen und den - bekannt
sachkundigen - wissenschaftlichen Leiter dieser Einrichtung, Prof Dr. Wolfgang
NEUGEBAUER, für einen Mitbürger,
dessen persönliche Integrität außer Zweifel steht.
Im übrigen beantworte ich die einzelnen Fragen wie folgt:
Zu Frage 1:
Das Bundesministerium für Inneres hat die Sachkunde des “Dokumentationsarchivs des
Österreichischen Widerstandes” in der Vergangenheit mehrfach genutzt. Als Beispiele für diese
Kooperation seien folgende Projekte genannt:
1. Angesichts seiner umfangreichen einschlägigen Literatursammlung und der detaillierten
Auswertung von NS - Schriften und Dokumenten wird das "Dokumentationsarchiv des
Österreichischen Widerstandes” von der Generaldirektion der öffentlichen Sicherheit, Gruppe
Staatspolizei, in deren Aufgabenbereich die Bekämpfung des Rechtsradikalismus fällt, seit
Jahren vorwiegend zum Zwecke der vergleichenden Analyse in Anspruch genommen.
Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit wurde daher mit dem
“Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes” im Juli 1994 ein Werkvertrag
abgeschlossen. Demnach beschafft das "Dokumentationsarchiv des Österreichischen
Widerstandes” für das Bundesministerium für Inneres in - und ausländische Zeitungen und
sonstige Publikationen sowie Unterlagen wie Videocassetten, PC - Disketten etc. und tätigt
Abfragen des Internet sowie von in - und ausländischen Mailboxen in bezug auf
Rechtsextremismus, Neonazismus, Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit.
2. Aus Anlaß der 60. Wiederkehr des Datums des “Anschlusses Österreichs” an das
Nationalsozialistische Deutschland im Jahre 1938 hat das "Dokumentationsarchiv des
Österreichischen Widerstandes” für das Bundesministerium für Inneres eine seit vergangenen
Mai in der Gedenkstätte Mauthausen gezeigte Ausstellung zum Thema “1938 NS - Herrschaft in
Österreich” mit sämtlichen einschlägig ausgewiesenen Historikern Österreichs erarbeitet. Die
Ausstellung findet regen Zuspruch.
Zu Frage 2:
Ja, da sich die bisherige Zusammenarbeit
bewährt hat.
Zu Frage 3:
Ich gehe davon aus, daß ein Interesse an einem allfälligen Schriftverkehr meiner
Amtsvorgänger mit Dr. NEUGEBAUER nur dann besteht, wenn letzterer tatsächlich “laut
Gerichtsurteil” ein “Denunziant” wäre. Da dies nicht zutrifft, sehe ich keine Veranlassung
einen allfälligen Schriftverkehr zur Verfügung zu stellen.
Zu Frage 4:
Das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes hat im angeführten Zeitraum
seitens des Innenministeriums keine Förderung erhalten.