4523/AB XX.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Freundinnen und
Freunde, haben an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend Auswahl neuer Rich -
teramtsanwärter/innen, gerichtet und folgende Fragen gestellt:
“1. Werden Sie die Kritikpunkte am Auswahlverfahren die Ernennung neuer Rich -
teramtsanwärter/innen aufnehmen und auch umsetzen?
2. Werden Sie für eine größere Transparenz im Zuge des Auswahlverfahrens
sorgen, indem dargestellt wird,
o wann die jeweiligen Prüfungen stattfinden, welche Personengruppen (Dauer
der zurückgelegten Gerichtspraxis, Beurteilungserfordernis) dafür zugelas -
sen wird und wann man sich dafür anmelden muß;
o wann die Ergebnisse der jeweiligen Prüfung bekanntgegeben werden, ins -
besondere wann bekanntgegeben wird, welche Personen verlängert werden
und welche nicht;
o wann die Besetzungsvorschläge (die “Liste”) dem Ministerium vorgelegt
wird;
o wann die Entscheidung des Bundesministers fällt;
o wie lange jeweils die erfolgreichen bzw. die nicht erfolgreichen Bewerber/in -
nen verlängert werden?
3. Werden Sie dafür sorgen, daß bei gleicher Qualifikation Frauen bevorzugt in
den Richterdienst
übernommen werden?
4. Werden Sie dafür sorgen, daß die Bevorzugung von Angehörigen von Rich -
ter/inne/n nicht weiter fortgesetzt wird und auch Familienangehörige nur nach
ihrer Qualifikation übernommen werden?”
Ich beantworte diese Fragen wie folgt:
Zu 1:
Obwohl von den Interessenten für eine Aufnahme in den richterlichen Vorberei -
tungsdienst nur ein kleiner Teil zu Richteramtsanwärtern ernannt werden kann, liegt
mir nur eine einzige Eingabe eines ehemaligen Rechtspraktikanten vor, in der Kritik
am Auswahlverfahren geäußert wird. Diese Eingabe liegt offenkundig der vorliegen -
den Anfrage zugrunde.
Die in dieser Eingabe geäußerten Kritikpunkte sind nicht zutreffend. Zu der Behaup -
tung, dem Auswahlverfahren fehle eine klare gesetzliche Grundlage, weise ich auf
die §§ 1 bis 5 des Richterdienstgesetzes, insbesondere auf § 2 betreffend die Auf -
nahmeerfordernisse und § 3 betreffend das Aufnahmeverfahren, hin. Die letztge -
nannten Bestimmungen sind mit dem BGBl. Nr. 230/1988 nach eingehenden Ver -
handlungen und Beratungen im Justizausschuß neu gefaßt worden.
§ 3 Abs 1 RDG legt fest, daß der Präsident des Oberlandesgerichtes das Vorliegen
der (im § 2 RDG umschriebenen) Aufnahmeerfordernisse zu prüfen hat. Der Prü -
fung sind die Äußerungen der während der Gerichtspraxis mit der Ausbildung des
Aufnahmewerbers beauftragt gewesenen Richter und der Leiter der Übungskurse
für Rechtspraktikanten zugrunde zu legen. In jedem Fall hat sich der Präsident des
Oberlandesgerichtes persönlich oder durch beauftragte Richter in einem Gespräch
mit dem Aufnahmewerber von dessen Eignung zu vergewissern und sich einen Ein -
druck über die Gesamtpersönlichkeit zu verschaffen. Nach § 3 Abs 2 RDG hat der
Präsident des Oberlandesgerichtes nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden
Planstellen dem Bundesminister für Justiz Aufnahmewerber zur Ernennung vorzu -
schlagen. Der Vorschlag ist zu begründen und samt den Aufnahmegesuchen und
den Nachweisen über die Aufnahmeerfordernisse vorzulegen. Nach § 3 Abs 3 RDG
ist unter mehreren Aufnahmewerbern denjenigen der Vorzug zu geben, bei denen
nach Abwägung der sich aus § 54 Abs 1 RDG ergebenden Eignungskriterien (fachli -
che Kenntnisse, Fähigkeiten und Auffassung, Fleiß, Ausdauer, Gewissenhaftigkeit,
Verläßlichkeit, Entschlußkraft und Zielstrebigkeit, Kommunikationsfähigkeit und Eig -
nung für den Parteienverkehr, Ausdrucksfähigkeit, Verhalten im Dienst, Erfolg der
Verwendung) die Eignung für den
Richterberuf in höherem Maße gegeben ist.
In Ergänzung zu diesen Bestimmungen hat das Bundesministerium für Justiz mit Er-
laß vom 4. Juli 1986, JMZ 350.10/28 - III 1/86, angeordnet, daß alle Bewerber um die
Aufnahme in den richterlichen Vorbereitungsdienst, die in die engere Wahl kommen,
psychologischen Eignungsuntersuchungen zu unterziehen sind.
Zu 2:
Wie ich bereits zur Frage 1 ausgeführt habe, ist bis zur Vorlage eines Ernennungs -
vorschlages an den Bundesminister für Justiz der Präsident des jeweiligen Oberlan -
desgerichtes für das Auswahlverfahren zuständig. Innerhalb des vorgegebenen ge -
setzlichen Rahmens bestehen daher in der Gestaltung des Auswahlverfahrens ge -
ringfügige regionale Unterschiede. Da sich die einzige, das Auswahlverfahren kriti -
sierende Eingabe auf den Oberlandesgerichtssprengel Wien bezieht, lege ich mei -
ner Beantwortung der auf die Transparenz des Auswahlverfahrens bezogenen Fra -
gen das Auswahlverfahren für die Aufnahme in den richterlichen Vorbereitungs -
dienst im Oberlandesgerichtssprengel Wien zugrunde:
Der Präsident des Oberlandesgerichtes Wien beurteilt die fachliche und persönliche
Eignung der Bewerberinnen und Bewerber für den richterlichen Vorber<ungsdienst
regelmäßig auf Grund folgender Unterlagen:
- Eignungsgutachten von Ausbildungs¤richtern über die Leistungen des Aufnahme -
werbers bei zumindest drei Ausbildungsstationen,
- die auf den Ergebnissen von zwei schriftlichen Klausurarbeiten und von zwei
mündlichen Prüfungen (je aus Zivil - und Strafrecht) beruhenden Äußerungen der
Leiter der zivil - und strafrechtlichen Übungskurse über das Fachwissen.
Darüber hinaus führt der Präsident des Oberlandesgerichtes in der Regel persönlich
Gespräche mit den Aufnahmewerbern, bei denen er sich einen Eindruck über die
Gesamtpersönlichkeit des einzelnen Bewerbers verschafft. An diesen Gesprächen
nehmen auch der für Rechtspraktikanten zuständige Abteilungsleiter des Oberlan -
desgerichtes Wien und eine Vertreterin der Vereinigung der österreichischen Richter
teil.
Der Oberlandesgerichtssprengel Wien hat derzeit pro Jahr zwischen 500 und 600
Rechtspraktikanten zu betreuen, von denen mehr als die Hälfte eine Aufnahme in
den richterlichen Vorbereitungsdienst anstrebt. Die große Zahl der Aufnahmewerber
erfordert es, die Auswahlverfahren in mehreren Verfahrensschritten ablaufen zu las -
sen, wobei Rechtspraktikanten, die in einem
Verfahrensabschnitt weniger gut abge -
schnitten haben, zum weiteren Verfahren nicht mehr zugelassen werden. So wer -
den Rechtspraktikanten, die ungünstige Praxisbeurteilungen aufweisen, nicht zu den
Klausurarbeiten eingeladen; Rechtspraktikanten, die bei den schriftlichen Klausurar -
beiten weniger günstig beurteilt wurden, werden nicht mehr zu den psychologischen
Testuntersuchungen eingeteilt. Ebenso werden jene Bewerber, bei denen das psy -
chologisähe Gutachten in entscheidenden Bereichen ungünstigere Werte ergibt,
nicht mehr zu den mündlichen Fachprüfungen zugelassen. Nach jedem Abschnitt
des Auswahlverfahrens - dessen Ergebnisse durch den Präsidenten des Oberlan -
desgerichtes beurteilt und dokumentiert werden - werden die betroffenen
Reohtspraktikanten vom Personalreferenten und/oder den Vortragenden der wö-
chentlich stattfindenden Straf- und Zivilrechtskurse vom Ergebnis des absolvierten
Teils des Auswahlverfahrens informiert. Zumeist erfolgt dies bei den wöchentlichen
Übungen, an denen alle Aufnahmewerber teilnehmen, sodaß in diesem Punkt die
Transparenz für alle Teilnehmer des Auswahlverfahrens voll gewährleistet ist. Per -
sonalreferent und Kursiehrer stehen den Bewerbern aber auch für ausführliche per -
sönliche Gespräche zur Verfügung.
Die Rechtspraktikanten werden in den Übungskursen auch über die Erfordernisse
der Zulassung zum Auswahlverfahren (Dauer der Gerichtspraxis, Beurteilungserfor -
dernisse, Möglichkeiten der Verlängerung der Gerichtspraxis usw.), weiters über
den Ablauf des Auswahlverfahrens (die Termine der schriftlichen und mündlichen
Prüfungen, die der psychologischen und ärztlichen Untersuchungen usw.), über die
Anmeldefristen, aber auch über die Planstellensituation und die voraussichtlichen
Ernennungsmöglichkeiten eingehend informiert. Die Anmeldungslisten für die
schriftlichen Klausurarbeiten werden in den wöchentlichen Übungskursen mehrmals
durchgegeben, eine Anmeldung ist aber auch im Personalreferat für Rechtsprakti -
kanten m¤öglich. Die Richteramtsanwärterplanstellen werden im übrigen gemäß § 30
iVm Art. III Abs. 2 RDG im Amtsblatt zur Wiener Zeitung öffentlich ausgeschrieben.
Zusätzlich werden alle Aufnahmewerberinnen und Aufnahmewerber von der Plan -
stellenausschreibung schriftlich verständigt und in den Übungskursen darauf hinge -
wiesen.
Der Ernennungsvorschlag des Präsidenten des Oberlandesgerichtes wird mir zirka
zwei Wochen vor dem in Aussicht genommenen Ernennungstermin vorgelegt; mei -
ne Entscheidung fällt daher üblicherweise noch im selben Monat.
Da infolge der begrenzten budgetären, personellen und räumlichen Möglichkeiten
eine Verlängerung der Gerichtspraxis
über das Mindestausmaß von neun Monaten
hinaus von den hier nicht interessierenden sozialen Gründen abgesehen - nur
dann bewilligt werden darf, wenn und solange der betreffende Rechtspraktikant für
eine Aufnahme in den richterlichen Vorbereitungsdienst in Betracht kommt, müssen
Rechtspraktikanten, die bereits neun Monate oder eine längere Zeit Gerichtspraxis
absolviert haben, zum nächsten Monatsletzten aus der Gerichtspraxis ausscheiden,
sobald feststeht, daß sie für eine Aufnahme in den richterlichen Vorbereitungsdienst
nicht mehr in Frage kommen. Verlängerungen der Gerichtspraxis über die (von
vornherein festgelegten) neun Monate hinaus erfolgen daher immer nur für die ein -
zelnen Abschnitte des Auswahlverfahrens, das heißt für ein oder zwei Monate. So -
bald das Ergebnis des Auswahlverfahrens bzw. der einzelnen Abschnitte feststeht,
werden die einzelnen Rechtspraktikanten schon deswegen darüber informiert, weil
mit den Ergebnissen des Auswahlverfahrens auch der Zeitpunkt des Ausscheidens
aus der Gerichtspraxis verknüpft ist. Wird erst in den letzten Tagen des Monats be -
kannt, welche Bewerber das Auswahlverfahren fortsetzen können oder zu Richter -
amtsanwärtern ernannt werden, so wird den erfolglosen Bewerbern - um soziale
Härten zu vermeiden - die Gerichtspraxis noch einmal für einen Monat verlängert.
Die Dauer der Verlängerung über die neun Monate hinaus ist daher von Fall zu Fall
verschieden.
Die Ergebnisse der einzelnen Verfahrensschritte werden auch in den Übungskursen
besprochen, sodaß dadurch größtmögliche Transparenz erreicht wird. Auch die
mündlichen Prüfungen finden nicht in einem Vier - Augen - Gespräch statt, sondern
der Prüfer erörtert jeweils mit einer Gruppe von fünf bis acht Rechtspraktikanten in
einem mehrstündigen Zeitraum mehrere praktische Fälle. Wie bereits ausgeführt,
werden die einzelnen Bewerber während und nach Abschluß des Auswahlverfah -
rens über die für sie maßgeblichen Ergebnisse sofort und eingehend informiert.
Zu 3:
Von den zum Stichtag 1. Juli 1998 ernannten 244 Richteramtsanwärtern waren 153
(=63 %) Frauen und 91 (=37 %) Männer. Im Oberlandesgerichtssprengel Wien er -
reichte die Frauenquote zu diesem Stichtag sogar 71 %. Lediglich im Oberlandesge -
richtssprengel Innsbruck ist die Frauenquote vorübergehend unter 40 % gesunken;
in diesem Sprengel werden daher - dem § 40 B - GBG folgend - bei gleicher Qualifi -
kation Frauen bevorzugt in den
richterlichen Vorbereitungsdienst aufzunehmen sein.
Zu 4:
Die dieser Frage unterstellte Behauptung entspricht nicht den Tatsachen.