4557/AB XX.GP

 

zur Zahl 4918/J - NR/1998

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Andreas Wabl,

Freundinnen und Freunde haben¤ an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend Be -

hinderungen der Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Grubenunglück in Las -

sing, gerichtet und folgende Fragen gestellt:

 

“1. Der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten hat mehrmals öf -

fentlich zugegeben, in die Ermittlungstätigkeit der Staatsanwaltschaft im Fall

Lassing durch Interventionen eingegriffen zu haben. Worauf bezogen sich die -

se Interventionen im Einzelnen?

 

2. Waren diese Interventionen erfolgreich und wurden Ermittlungsschritte unter -

    lassen bzw. erst zu einem späteren Zeitpunkt gesetzt?

 

3. Seit wann liegen der Staatsanwaltschaft

    a) Hinweise

    b) gesicherte Informationen

    über Schwarzabbau bzw. andere Malversationen der Naintsch Mineralwerke

    GmbH vor?

 

4. Wurde die Ermittlungstätigkeit durch die Interventionen des Herrn Bundesmini-

     ster für wirtschaftliche Angelegenheiten verzögert?

 

5. Haben Sie den Herrn Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten über

    die Ermittlungsergebnisse im Sinne der Frage 3a) und b) informiert?

6. Wieso hat die Staatsanwaltschaft den Interventionen des Herrn Wirtschafts -

minister nachgegeben?

 

7. Haben sie den Schlußfolgerungen des Herrn Bundesminister für wirtschaftliche

    Angelegenheiten und dessen Bericht an den Ministerrat zugestimmt?

 

8. Haben Sie Herrn Bundesminister Farnleitner auf die oben dargestellte Möglich-

    keit der Beeinträchtigung der Rettungsarbeiten der Tatverdächtigen hingewie-

    sen?

 

9. Trifft es zu, daß die Staatsanwaltschaft - lediglich - wegen fahrlässiger Ge -

    meingefährdung (Strafrahmen im vorliegenden Fall zwischen sechs Monaten

    und fünf Jahren) und nicht wegen vorsätzlicher Gemeingefährdung (Strafrah -

    men im vorliegenden Fall zehn bis zwanzig Jahre bzw. lebenslange Freiheits-

    strafe) ermittelt?

 

10. Kann man erfahrungsgemäß davon ausgehen, daß Tatverdächtige, die jahre-

      lange Freiheitsstrafen zu gewärtigen haben, Beweismittel beiseite schaffen

      bzw. unbrauchbar machen?

 

11. Können Sie ausschließen, daß Verantwortliche der Naintsch Mineralwerke

      GmbH Bergungs - und Sicherungsmaßnahmen so gestalten, daß Sachbeweise

      (etwa über die Malversationen im Bergwerk) möglichst unbrauchbar gemacht

      werden?

 

12. Was haben Sie bzw. der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenhei -

      ten dagegen unternommen bzw. was gedenken Sie dagegen zu unterneh -

      men?

 

13. Wieso wurde bei den Naintsch Mineralwerke GmbH bisher keine Ausdurchsu -

      chung durchgeführt?

 

14. Können Sie das Vorliegen von Haftgründen (insbesonders Flucht - bzw. Ver -

      dunkelungsgefahr) bei Verantwortlichen der Naintsch Mineralwerke GmbH

      ausschließen, obwohl die Strafprozeßordnung bei Verbrechen, die mit mehr

      als zehnjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind, von der Vermutung ausgeht, daß

      Haftgründe vorliegen?

 

15. Trifft die Meldung der Kleinen Zeitung vom 28.7.1998 zu, wonach in der

      Berghauptmannschaft aktuelle Abbaupläne verschwunden sind?

16. Wurden bzw. werden die Ermittlungen auch gegen Beamte der Berghaupt -

      mannschaft als Beitragstäter ausgedehnt?

 

17. Welche Sachverständigen wurden von der Staatsanwaltschaft mit Untersu -

      chungen betraut?

 

18. Haben sich Sachverständige für Befangen erklärt und wenn ja, sofort oder erst

      nach einigen Tagen?

 

19. Können Sie ausschließen, daß gegenwärtig noch immer Sachverständige be -

      stellt sind, die aus dem Umfeld der Berghauptmannschaft Leoben bzw. der

      Naintsch Mineralwerke GmbH stammen?

 

20. Ist die Staatsanwaltschaft Leoben in der Lage, die Vorerhebungen nunmehr

      rasch und unbeeinflußt von politischen Interventionen durchzuführen?

 

21. Wann werden die Vorerhebungen abgeschlossen sein?”

 

Ich beantworte diese Fragen wie folgt:

 

Zu 1. 2. 4. 6 und 20:

 

Wie ich bereits in meiner Erklärung vor dem Nationalrat am 8. Oktober 1998 ausge -

führt habe, konnte die Justiz völlig unbeeinträchtigt an die strafrechtliche Aufarbei -

tung des Grubenunglücks von Lassing herangehen. Wie die Staatsanwaltschaft

Leoben sowohl schriftlich als auch mündlich bestätigte, hat es weder Eingriffe noch

Interventionen von vorgesetzten Dienststellen oder anderen Behörden gegeben.

 

Die von Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten in einem Zeitungsinter -

view erwähnte Intervention bei mir betraf die am 24. Juli 1998 fernmündlich an mich

gestellte Frage, ob es mit den Rettungsbemühungen in Einklang zu bringen sei, den

Betriebsleiter wegen einer voraussichtlich mehrstündigen Vernehmung von seiner

Mitwirkung an den Bergungsversuchen abzuziehen. Ich habe diese Frage im we -

sentlichen dahingehend beantwortet, daß der Vernehmungszeitpunkt doch auch aus

kriminaltaktischer Sicht zu beurteilen sei, wozu ich mich außerstande sehe, weil dies

im Augenblick nur durch die mit den Ermittlungen beauftragte, auch die Vernehmun -

gen durchführende Sicherheitsbehörde erfolgen könne. Tatsächlich hat die Verneh -

mung mit Rücksicht auf die laufenden Versuche, die Verunglückten zu retten, erst

zu einem späteren Zeitpunkt stattgefunden.

Zu 3:

 

Anläßlich des Ortsaugenscheins am 23. Juli 1998 gelangten die mit der Erhebung

des Sachverhaltes befaßten Beamten der Kriminalabteilung des Landesgendarme -

riekommandos für Steiermark unter Mitwirkung des beigezogenen Sachverständi -

gen sowie der zuständigen Untersuchungsrichterin in den Besitz von Unterlagen

(Hauptbetriebsplan, aktuelle Abbaupläne, Bescheide der Berghauptmannschaft Leo -

ben), aus denen sich Rückschlüsse auf die jüngsten Abbauarbeiten im Bergwerk ei -

nerseits und den Umfang des bergbehördlich genehmigten Abbauvolumens ande -

rerseits ergaben.

 

Die kopierten Unterlagen wurden umgehend dem Sachverständigen zur Verfügung

gestellt. Dieser hat selbstverständlich eine gewisse Zeit benötigt, bis er aus diesen

Unterlagen in Verbindung mit weiteren Ermittlungsergebnissen die entsprechenden

Schlußfolgerungen - fortschreitend sich verfestigend, zuletzt mit hoher

Wahrscheinlichkeit - ziehen konnte.

 

Am 24. August 1998 langte bei der Staatsanwaltschaft Leoben ein Zwischenbericht

der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Steiermark ein, in

dem unter anderem unter Bezug auf die vom Sachverständigen gewonnenen Er -

gebnisse folgendes ausgeführt wurde: “Soweit das Ergebnis bisher vorliegt, kann

angenommen werden, daß im Zuge des Abbaues im Bereich der Abbauscheibe 1A

der Sicherheitsabstand zur felsigen Talsohle nicht ausreichend eingehalten wurde

und es deshalb zu einem Felsabbruch und zum Einbruch der Schlammassen in das

Grubengebäude kam.”

 

Zu 5:

 

Dem Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten sind von mir keine Informa -

tionen über das in der Antwort zur Frage 3 dargestellte Zwischenergebnis zugegan -

gen.

 

Zu 7:

 

Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten hat seinen Bericht an den

Ministerrat über das Grubenunglück in Lassing in der Sitzung der Bundesregierung

vom 20. August 1998 erstattet. Abweichend von der ursprünglichen Fassung des

Berichtes, auf die offenbar die Fragesteller ihre Anfragebegründung stützen, hat der

Bericht, von dem die Bundesregierung Kenntnis genommen hat, keinen Kritikpunkt

enthalten, wonach die Einsatzmannschaft durch die Kriminalpolizei bzw. durch die

Staatsanwaltschaft beeinträchtigt worden wäre. Die Kenntnisnahme des Berichtes,

der im übrigen meinem Informationsstand nicht widersprochen hat, durch die Bun -

desregierung ist am 20. August 1998 erfolgt. Erst am 24. August 1998 ist der bereits

zitierte Bericht der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Steier -

mark mit dem vorläufigen Erhebungsergebnis des nicht ausreichenden Sicherheits -

abstandes zwischen Abbauscheibe und der felsigen Talsole verfaßt und an die

Staatsanwaltschaft Leoben übermittelt worden.

 

Zu 8:

 

Im Zuge der ungesäumt nach dem Unglück eingeleiteten Maßnahmen zur Aufklä -

rung des Sachverhaltes wurden von der Staatsanwaltschaft Leoben keine Wahrneh -

mungen darüber gemacht, daß allenfalls strafgerichtlich zu belangende Personen

die Rettungsarbeiten zu beeinträchtigen versucht hätten. Für einen entsprechenden

Hinweis an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten bestand daher

keinerlei Anlaß.

 

Zu 9:

 

Nach den bisherigen Ermittlungen sind keine Anhaltspunkte für vorsätzlich begange -

ne strafbare Handlungen gegeben. Die Subsumtion unter § 177 StGB ist eine erste

rechtliche Beurteilung des ]etzigen Erkenntnisstandes und engt in keiner Weise die

weiteren Erhebungen zur Frage des Verschuldensgrades ein.

 

Zu10:

 

Aus statistischen Erfahrungssätzen ist für die Anordnung von Maßnahmen zur Ver -

hinderung von Verdunklungsmaßnahmen nichts zu gewinnen. Derartige Maßnah -

men verlangen jeweils das Vorliegen konkreter Verdunkelungsgefahr. Sowohl der

Sachverständige als auch die erhebenden Beamten des Landesgendarmenekom -

mandos wurden von der Staatsanwaltschaft Leoben angewiesen, Beweise, deren

allfälliger Verlust befürchtet werden könnte, vorrangig zu sichern.

 

Zu 11 und 12:

 

Um dem Verlust von Beweismitteln vorzubeugen, beauftragte die zuständige Unter -

suchungsrichterin auf Antrag der Staatsanwaltschaft Leoben mit Beschluß vom

27. August 1998 die Beamten der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekom -

mandos für Steiermark, die Bergemaßnahmen kontinuierlich zu beobachten und

schriftlich zu dokumentieren. Unter einem wurde auch die Berghauptmannschaft

Leoben und die Betriebs - bzw. Einsatzleitung der Naintscher Mineralwerke -

Ges.m.b.H ersucht, alle Bergeprojekte und Bergemaßnahmen ehestmöglichst be-

kan ntzugeben.

 

Überdies wird in Koordination mit den beigezogenen Sachverständigen dafür Sorge

getragen, daß im Zuge der Bergungs - und Sicherungsmaßnahmen die für die Straf-

verfolgungsbehörden wesentlichen Sachbeweise erhoben werden.

 

Zu 13 und 14:

 

Es liegen keinerlei Hinweise auf Versuche vor, Beweismaterial oder Unterlagen zu

beseitigen oder zu unterdrücken. Den Strafverfolgungsbehörden wurden innerhalb

kürzester Zeit alle vom Sachverständigen für die Untersuchung als relevant bezeich -

neten Unterlagen zur Verfügung gestellt. Für strafprozessuale Zwangsmaßnahmen

bestand bisher kein Anlaß. Nach den mir vorliegenden Berichten gibt es keine An -

haltspunkte, daß Verdunkelungshandlungen gesetzt worden wären. Bei keiner Per -

son, die zum hypothetischen Verdächtigenkreis zählt, liegen Haftgründe vor. Wie

bereits ausgeführt, haben sich bisher auch keine Anhaltspunkte für Vorsatzdelikte

ergeben, sodaß die in der Frage genannte Strafdrohung im gegebenen Zusammen -

hang keine Relevanz hat.

 

Zu 15:

 

Die angesprochene Zeitungsmeldung vom 28. Juli1998 wurde nach am selben Ta -

ge von der Staatsanwaltschaft Leoben zum Anlaß genommen, ein Erhebungsersu -

chen an die Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Steiermark

zu richten. Die Erhebungen haben keine Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Zei -

tungsmeldung erbracht. Vielmehr ist festzuhalten, daß sich die Beamten der

Berghauptmannschaft Leoben gegenüber den Strafverfolgungsbehörden kooperativ

gezeigt und dem beigezogenen Sachverständigen uneingeschränkte Akteneinsicht

gewährt haben.

 

Zu16:

 

Die Vorerhebungen wurden bisher und werden bis auf weiteres gegen unbekannte

Täter geführt. Nach Vorliegen der zusammenfassenden Sachverhaltsdarstellung der

Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Steiermark wird von den

staatsanwaltschaftlichen Behörden zu prüfen sein, ob und bejahendenfalls gegen

welche Personen und aufgrund welcher Verdachtsmomente strafprozessuale Maß -

nahmen zu beantragen sind.

Zu 17 bis 19:

 

Die Staatsanwaltschaft Leoben hat am 18. Juli 1998 beim Landesgericht Leoben

den Antrag gestellt, einen Sachverständigen aus dem Fach des Bergschadenwe -

sens mit der Befunderhebung und Gutachtenserstattung zu beauftragen. Noch am

selben Tag hat das Landesgericht Leoben einen entsprechenden Auftrag an einen

in die Sachverständigenliste eingetragenen Universitätsprofessor der Montanuniver -

sität Leoben erteilt. Da dieser Sachverständige drei Tage später - ohne sich selbst

befangen zu fühlen - Umstände aufgezeigt hat, auf grund derer seine volle Unbefan -

genheit in Zweifel gezogen werden hätte können, wurde ihm der erteilte Auftrag ent -

zogen und ein deutscher Universitätsprofessor, der als anerkannter Fachmann für

das Bergschadenwesen gilt, zum Sachverständigen bestellt. Am 8. September 1998

wurde von der Untersuchungsrichterin ein weiterer deutscher Staatsangehöriger mit

einer Gutachtenserstellung zu boden -, gebirgs - und hydromechanischen Fragestel -

lungen beauftragt.

 

Wie mir die Staatsanwaltschaft Leoben mitgeteilt hat, handelt es sich bei den be -

stellten Sachverständigen um anerkannte Fachleute aus Deutschland, die im Rah -

men ihrer bisherigen Tätigkeit weder berufliche noch private Kontakte mit dem Per -

sonal der Naintsch Mineralwerke - GesmbH und den Beamten der Berghauptmann -

schaft Leoben hatten.

 

Zu 21:

 

Die Justizbehörden unternehmen alle Anstrengungen, die Vorerhebungen zügig und

verzögerungsfrei voranzutreiben. Die zunächst bis Ende Oktober 1998 angekündig -

te Sachverhaltsdarstellung der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekomman -

dos für Steiermark wird - nach den mir jüngst zugekommenen Informationen der

Staatsanwaltschaft Leoben - voraussichtlich bis 20. November 1998 vorliegen und

wird sich auf eine knapp gefaßte Zusammenfassung der bisherigen Befundaufnah -

men und Erkenntnisse der beiden Sachverständigen stützen können. Für das end -

gültige Sachverständigengutachten sind noch die Ergebnisse einer Bohrung, die in

nächster Zeit erfolgen soll, abzuwarten.

Die umfassende und objektive Aufklärung eines komplexen Sachverhaltes erfordert

einen gewissen Zeitaufwand, dessen genaues Ausmaß zumindest derzeit noch

nicht mit Sicherheit abgeschätzt werden kann. Nach meinem derzeitigen Informati -

onsstand könnten die Vorerhebungen bis im Frühjahr 1999 abgeschlossen sein.