4631/AB XX.GP
In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 4955/J betreffend
“Multilateral Agreement on Investment” (MAI), welche die Abgeordneten Nußbaumer
und Kollegen am 7.10.1998 an mich richteten, stelle ich zunächst bezugnehmend auf den
aktuellen Stand der MAI - Verhandlungen fest:
Am 14. Oktober 1998 erklärte der französische Premierminister Jospin vor der
französischen Nationalversammlung, daß Frankreich “die MAI - Verhandlungen im
Rahmen der OECD nicht wieder aufnehmen werde." Frankreich trete für “neue
Verhandlungen auf einer grundsätzlichen Basis” ein.”
Am 20. Oktober 1998 fanden daraufhin am Sitz der OECD in Paris an Stelle der
ursprünglich vorgesehenen Verhandlungsrunde informelle Konsultationen statt, in denen
die Teilnehmer einander über die Aktivitäten und Entwicklungen seit dem OECD -
Ministerrat im April informierten. Weitere Konsultationen über die weitere
Vorgangsweise sowie ein Seminar mit
Vertretern der Zivilgesellschaft sind für Anfang
Dezember 1998 geplant, mit einer Wiederaufnahme der MAI - Verhandlungen ist in
absehbarer Zeit nicht zu rechnen.
Antwort zu Punkt 1 der Anfrage:
Der Abkommensentwurf sieht vor, daß sich die Vertragsparteien insbesondere
verpflichten, ausländische Investoren nicht zu diskriminieren bzw.
entschädigungslos zu enteignen. Österreichisches Verhandlungsziel war es von
Anfang an sicherzustellen, daß nach Abschluß der Verhandlungen der gesamte
österreichische und EU - Rechtsbestand mit dem MAI einschließlich der von
Österreich und der EU angemeldeten Ausnahmen vereinbar ist.
Antwort zu Punkt 2 der Anfrage:
Der Abkommensentwurf enthält ein neuerliches Bekenntnis zu den Ergebnissen
der UN - Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro,
einschließlich der Agenda 21 und des Programms zu deren weiterer
Implementierung sowie zur Erklärung des Weltgipfeis über Soziale
Entwicklung in Kopenhagen sowie zu den international anerkannten
Kernarbeitsstandards. Weiters ist ein Verbot des Absenkens nationaler
Gesundheits -, Sicherheits - Umwelt - und Arbeitnehmerschutzmaßnahmen mit
dem Ziel, Investitionen anzulocken, vorgesehen.
Antwort zu Punkt 3 der Anfrage:
Nach Unterzeichnung des Abkommens ist das im B - VG für Staatsverträge
vorgesehene Ratifizierungsverfahren
einzuleiten.
Antwort zu Punkt 4 der Anfrage:
Der Abkommensentwurf hält das Recht der Mitgliedstaaten auf eine
eigenständige nichtdiskriminierende Ordnungspolitik ausdrücklich fest und
stellt auch klar, daß normale staatliche Aktivitäten im öffentlichen Interesse
jedenfalls keinen Anspwch auf Entschädigung begründen.
Antwort zu Punkt 5 der Anfrage:
Das Subsidiaritätsprinzip stellt einen wichtigen Pfeiler der Gemeinschaftspolitik
dar, schließt aber nicht aus, daß es nach wie vor Bereiche gibt, in denen
einheitliche multilaterale Regeln sinnvoll erscheinen.
Antwort zu Punkt 6 der Anfrage:
Die Verhandlungen unterliegen der Vertraulichkeit, ein Eingehen auf von
einzelnen Ländern geltend gemachte konkrete Ausnahmen ist daher nicht
möglich.
Die aktuellen vorläufigen Ausnahmelisten Österreichs und der Europäischen
Union sind über die Internet - Homepage des Wirtschaftsministeriums abrufbar.
Allgemeine Ausnahmen, die für alle Vertragsparteien gelten und einzelne
Sektoren bzw. Maßnahmen vom Anwendungsbereich des Abkommens bzw.
einzelner Bestimmungen des Abkommens ausnehmen, werden im Rahmen der
MAI - Verhandlungen für
1) essentielle nationale Sicherheitsinteressen,
2) in der Charter der Vereinten Nationen
vorgesehene Maßnahmen zur
Aufrechterhaltung des internationalen Friedens und der Sicherheit,
3) die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung,
4) regionale wirtschaftliche Integrationsorganisationen,
5) Geld - und Währungspolitik bzw. in schweren Zahlungsbilanzkrisen,
6) den Kulturbereich,
7) Steuern und Sozialversicherungsmaßnahmen
diskutiert.
Antwort zu Punkt 7 der Anfrage:
In die innerösterreichische Willensbildung sind neben den gesetzlichen
Interessensvertretungen auch der ÖGB und die VÖI voll eingebunden. Für den
Bereich Entwicklungszusammenarbeit bestehen Kontakte mit der
Arbeitsgemeinschaft Entwicklungszusammenarbeit" (AGEZ). Die von diesen
Institutionen vorgebrachten Vorschläge wurden bei der Erarbeitung
österreichischer Verhandlungspositionen berucksichtigt und fanden auch in den
MinisterratsbeschluB “Österreichischen Positionen und Verhandlungsziele”
vom 8. Oktober 1998 Eingang.
Antwort zu Punkt 8 der Anfrage:
Es ist weithin unbestritten, daß Investitionsauflagen, vor allem, wenn sie nicht
an Förderungen geknüpft sind, zu Verzerrungen der internationalen
Investitionsströme und zu einer ökonomisch ineffizienten Ressourcenallokation
tühren. Aus dieser Erkenntnis heraus enthält schon das im Rahmen der letzten
Welthandelsrunde beschlossene TRIMS - Abkommen Verbote derartiger
Auflagen und es war nur folgerichtig, sie auch im Rahmen der MAI -
Verhandlungen zu thematisieren. Die
Verpflichtung zur Schaffung einer
bestimmten Anzahl von Arbeitsplätzen würde beispielsweise einem
Investitionsverbot für kleine Unternehmen gleichkommen und träfe daher
gerade österreichische Unternehmen, die im Ausland investieren wollen,
schwer.
Antwort zu Punkt 9 der Anfrage:
Der Abkommensentwurf räumt einem ausländischen Investor das Recht ein,
einen Fall einem Schiedsgericht vorzulegen, wenn er der Ansicht ist, daß ihm
oder seiner Investition durch einen Verstoß des Gaststaates gegen die MAI -
Bestimmungen ein Schaden entstanden sei. Der Abkommensentwurf hält aber
auch fest, daß normale staatliche Aktivitäten im öffentlichen Interesse jedenfalls
keinen Anspruch auf Entschädigung begründen.
Antwort zu Punkt 10 der Anfrage:
Der Frage der Besteuerung grenzüberschreitender unternehmerischer Tätigkeit
wird in zahlreichen internationalen und bilateralen Abkommen, die auf dem
Grundsatz der Gegenseitigkeit beruhen, behandelt. Eine zusätzliche
Verankerung im MAI, das auf dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung beruht,
hätte die Gefahr von Doppelgleisigkeiten und Widersprüchlichkeiten in sich
geborgen.
Antwort zu Punkt 11 der Anfrage:
Nein, das Recht der Vertragsparteien auf eine autonome Steuergesetzgebung
und deren Umsetzung bleibt dadurch ausdrücklich unberührt. Das Prinzip der
Transferfreiheit ist übrigens nicht
nur im EU - Recht, sondern auch in geltenden
OECD - Instrumenten sowie in zahlreichen bilateralen Investitionsschutz -
abkommen bereits enthalten.
Antwort zu den Punkten 12 und 13 der Anfrage:
Der Abkommensentwurf versteht unter Schlüsselpersonal den Investor sowie
Angestellte des Investors, die als leitende Angestellte, Manager oder
Spezialisten tätig sind und für das Unternehmen unerläßlich sind.
Hinsichtlich des Marktzutritts natürlicher Personen gilt es sicherzustellen, daß
das österreichische Fremden -, Arbeits - und Sozialrecht weiterhin fur alle
Arbeitnehmer gilt und daß das MAI auch in Zukunft nicht über die GATS -
Regelung hinausgehen wird.
Antwort zu Punkt 14 der Anfrage:
Der Ministerratsbeschluß vom 8. Oktober 1998 sieht vor, daß sich Österreich im
Zuge weiterer MAI - Verhandlungen dafür einsetzen wird, daß zumindest
bezüglich der Bestimmungen zu Umwelt - und Sozialstandards auch von den
Vertragsparteien namhaft gemachten Nichtregierungsorganisationen ein
Klagsrecht eingeräumt wird.
Antwort zu den Punkten 15 und 16 der Anfrage:
Keiner; das WTO - Sekretariat nimmt allerdings, wie andere internationale
Organisationen, als Beobachter an den
Verhandlungen teil
Antwort zu den Punkten 17 und 18 der Anfrage:
Der Abkommensentwurf sieht nicht die Schaffung eines eigenen MAI -
Schiedsgerichtes vor, sondern greift wie zahlreiche bilaterale
Investitionsschutzabkommen zuvor - ausdrücklich auf bestehende Institutionen
wie ICSID, UNCITRAL und ICC zurück.