4731/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Kiss und Kollegen haben am 7. Oktober

1998 unter der Nr. 4979/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage

betreffend Einberufung des staatlichen Krisenmanagements gerichtet.

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

Zu Frage 1:

Ja. Ich weise allerdings darauf hin, daß der Beschluß der Bundesregierung

über die Einrichtung eines “Krisenmanagements" zur Verbesserung der In -

formation und der Koordination in Krisensituationen nicht, wie in der Einleitung

der Anfrage angeführt, am 10. Oktober, sondern am 3. November 1986 gefaßt

wurde.

Zu Frage 2:

Entsprechend Punkt 4 des in Rede stehenden Ministerratsbeschlusses wurden

durch die zuständige Abteilung des Bundeskanzleramtes folgende Maßnahmen

gesetzt:

Zunächst wurden die unter Punkt 3.1. des Ministerratsbeschlusses angeführten

Stellen ersucht, Vertreter des Krisen managements inklusive der erforderlichen

Ersatzmitglieder zu nominieren. In der Folge wurde der Koordinationsausschuß

des Staatlichen Krisenmanagements zur ersten konstituierenden Sitzung ein-

berufen.

Zur Unterstützung des Koordinationsausschusses wurden für einen anlaßbe-

zogenen Stabsbetrieb ein Büro und eine Informationszentrale geschaffen.

Diese beiden Organisationselemente werden ad hoc mit dafür vorbestimmten

Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundeskanzleramtes, ergänzt durch zwei

nominierte Redakteure des ORF, besetzt.

Während die Informationszentrale die Koordinierung und Umsetzung der Infor-

mation der Bevölkerung zu gewährleisten hat, erfüllt das Büro die administra-

tiven Arbeiten für den Koordinationsausschuß unter Berücksichtigung der

Besonderheiten eines Stabsbetriebes,

Um den individuellen Informationsbedarf der Bevölkerung in Krisensituationen

abzudecken, wurde im Bundeskanzleramt eine Auskunftsstelle errichtet, in der

im Anlaßfall je nach Bedarf bis zu 32 Personen rund um die Uhr für Anfragen

der Bevölkerung erreichbar sind.

Darüber hinaus steht ein Tonbanddienst zur Information der Bevölkerung in

außerordentlichen Situationen zur Verfügung.

Zu den Fragen 3 und 7:

Die Definition einer Krisensituation, die für die Einberufung des Staatlichen

Krisenmanagements letztlich ausschlaggebend ist, ist unter Punkt 1 des

Ministerratsbeschlusses vom 3. November 1986 eingehend beschrieben.

Zu den maßgeblichen Kriterien zählt vor allem:

— das Vorliegen einer (im Hinblick auf Art und Ausmaß) nicht alltäglichen

Gefährdungssituation,

— die kurzfristig rasches Handeln der Verwaltungsbehörden erfordert,

— darüber hinaus ein (längerfristiges) koordiniertes Vorgehen verschiedener

Verwaltungsstellen verlangt,

— welches überdies nach Möglichkeit von einer Gesamtkonzeption getragen

ist, und

— sowohl hinsichtlich des raschen Einsatzes von Verwaltungsmaßnahmen als

auch der (längerfristigen) koordinierten Vorgangsweise einen erhöhten Infor-

mationsbedarf für die Verwaltungsstellen mit sich bringt und eine intensive

und koordinierte Information der Öffentlichkeit erfordert.

Weiters wird dabei auf den Umstand hingewiesen, daß es sich dabei um Situa-

tionen handelt, in denen gerade von der öffentlichen Verwaltung - und hier vor

allem des Bereichs, dessen Aufgabe in der Wahrung bundesweiter Interessen

liegt - rasches und koordiniertes Handeln zur Abwehr aufgetretener Gefahren

erwartet wird.

Zu Frage 4:

Die im Ministerratsbeschluß vorgesehenen Maßnahmen wurden bis zum Jahr

1990 durch die Abteilung “Koordination der umfassenden Landesverteidigung"

im Bundeskanzleramt wahrgenommen. Aufgrund der zunehmenden Bedeutung

wurde der Aufgabenbereich “Koordination des Staatlichen Krisenmanage-

ments” aus der genannten Abteilung herausgelöst und einer eigenen Abteilung

zugewiesen.

Folgende konkrete Maßnahmen wurden durchgeführt:

Zur Information und Öffentlichkeitsarbeit werden laufend Vorträge und

Seminare in Schulen oder bei Einsatzorganisationen abgehalten.

Speziell für den Bereich des Strahlenschutzes wurde ein Videofilm mit dem

Titel “Strahlenalarm, was tun?” produziert, der anhand von Situationsbeispielen

aufzeigt, welche Maßnahmen in einer Verstrahlungssituation von jedem

Einzelnen jeweils zu ergreifen sind

Als dritte Schiene der Öffentlichkeitsarbeit des Staatlichen Krisenmanagements

wurde eine Wanderausstellung unter dem Titel “Vorsorgen statt sorgen!” er-

stellt, die dem Besucher vor Augen führen soll, daß zwar der Staat als Krisen—

manager für vieles vorgesorgt hat, dem Staatlichen Krisenmanagement aber

das “Persönliche Krisenmanagement” des Bürgers zur Seite stehen muß, um

den bestmöglichen Erfolg bei der Bewältigung von Krisensituationen zu er-

zielen.

Alarm - und Maßnahmenpläne

Seit 1993 wird durch das Bundeskanzleramt jährlich in der dritten Oktober—

woche die sogenannte "Eugendorfer Tagung” des Staatlichen Krisenmana-

gements veranstaltet. An dieser Tagung nehmen die nominierten Krisenmana-

gementvertreter, sowie - je nach Tagungsschwerpunkt - Experten aus den

entsprechenden Fachbereichen teil.

Schwerpunkt bei den Eugendorfer Tagungen war bis zum Jahre 1996 die

Erstellung eines zwischen Bund und Ländern koordinierten "Rahmenplanes für

Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung bei Unfällen in Kernkraftwerken”. Er

dient als Arbeitsgrundlage für alle im Staatlichen Krisenmanagement

vertretenen Stellen und wird jährlich auf seine Aktualität überprüft und

erforderlichenfalis adaptiert.

Seit 1997 befaßt sich die Eugendorfer Tagung mit der Verbesserung der

Information und Kommunikation im Krisenmanagement sowohl auf nationaler

als auch auf internationaler Ebene.

Zu Frage 5:

Zur besseren Übersichtlichkeit ist die Beantwortung dieser Frage in einen Teil,

der sich mit der ablauforganisatorischen Sicherstellung der Funktionsfähigkeit

des Staatlichen Krisenmanagement befaßt, und einen Teil, der den Stand der

Infrastruktur der Einsatzzentralen des Staatlichen Krisenmanagements

darstellt, gegliedert:

 

Ablauforganisation

Zur Sicherstellung eines raschen Zusammentretens des Staatlichen Krisen—

managements wurde ein bestehender Alarmplan überarbeitet und durch

meinen Amtsvorgänger mit 1. Jänner 1993 in Kraft gesetzt.

Dieser Alarmplan gilt für sämtliche im Koordinationsausschuß vertretenen

Bereiche sowie für das Personal des Büros und der Informationszentrale des

Staatlichen Krisenmanagements.

Kern des Alarmplanes ist die Festlegung des Zusammenwirkens verschiedener

Stellen, insbesondere der Bundeswarnzentrale des Bundesministeriums für

Inneres sowie sonstiger eingerichteter Journaldienste.

Auf Basis dieses Alarmplanes wurden Alarmpläne durch die im Krisenmanage-

ment vertretenen Stellen erarbeitet und in Kraft gesetzt.

Infrastruktur

In Vollzug der Ausführungen des Landesverteidigungsplanes zur Zivilen Lan-

desverteidigung, Punkt 2.26, wurde sowohl am Sitz der Bundesregierung in

Wien als auch in St. Johann im Pongau die entsprechende Vorsorge zur

Sicherstellung der Kommunikation und Information auf Bundesebene durch die

Errichtung zweier Einsatzzentralen getroffen.

Zu den beiden Einsatzzentralen ist im einzelnen folgendes anzumerken:

A) Einsatzzentrale Objekt 6 in Wien

Im Bereich des AG Stiftgasse steht dem Staatlichen Krisenmanage-

ment eine Einsatzzentrale zur Verfügung, welche die erforderliche

büro- und kommunikationstechnische Ausstattung aufweist. Beson-

derer Wert wurde auf den Ausbau von redundanten Verbindungen

gelegt, die nicht nur die Kommunikation mit Bundes- und Landes-

dienststellen sicherstellen, sondern auch eine rasche Information der

Öffentlichkeit durch ORF und APA gewährleisten.

Damit steht für die Arbeit des koordinationsausschusses des Staat-

lichen Krisenmanagements eine jederzeit sofort aktivierbare Einsatz-

zentrale zur Verfügung.

Sie dient insbesondere für Anlaßfälle, wie sie im Ministerratsbeschluß

vom 3. November 1986 angeführt sind.

B) Einsatzzentrale Basisraum in St. Johann

Zur Sicherung der erforderlichen Einrichtungen für das zentrale Aus-

weichsystem des Bundes und für die “Koordinierte Führung” in einem

Anlaßfall der Umfassenden Landesverteidigung wurden anläßlich der

Planung und Errichtung der Einsatzzentrale Basisraum (EZIB) Teile

dieser Anlage dem Bundeskanzleramt zugeordnet. Ein entsprechen-

des Ressortübereinkommen wurde zwischen dem Bundesministerium

für Landesverteidigung und dem Bundeskanzleramt abgeschlossen.

Dieses Objekt ist mit der für den genannten Anlaßfall erforderlichen

Grundausstattung versehen. Sollte sich ein solcher Anlaßfall jemals

abzeichnen, wird diese im Rahmen der dabei zur Verfügung stehen-

den Vorlaufzeit mittels vorhandener mobiler Geräte zu einer ent-

sprechenden Vollausstattung ergänzt.

Beide Einsatzzentralen sind in ein EDV-Netz eingebunden und verfügen über

entsprechend ausgestattete Notstudios, die zur raschen Information der

Bevölkerung im Anlaßfall dienen. Die Funktionsfähigkeit der Notstudios wurde

im Rahmen von Probeübertragungen getestet.

Das Zusammenwirken des ORF mit dem Staatlichen Krisenmanagement wurde

in einem Vertrag zwischen dem Bundeskanzleramt und dem ORF festgelegt.

Darin erklärt sich der ORF unter anderem bereit, im Bedarfsfall den nötigen

Gerätebedarf und das zum Betrieb notwendige Bedienungs- und Service-

personal unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.

Weiters übernimmt der ORF die Überprüfung und Wartung der Einrichtungen in

angemessenen Zeitabständen.

Grundsätzlich ist festzuhalten, daß insbesondere die technischen Einrichtungen

beider Einsatzzentralen durch das Bundeskanzleramt laufend den modernen

Erfordernissen angepaßt werden.

Zusammenfassend darf darauf hingewiesen werden, daß durch Ablaufrege-

lungen, Einweisungen, Übungen und technische Überprüfungen dem Erfor-

dernis einer kurzfristig herstellbaren personellen, materiellen und infrastruk-

turellen Einsatzbereitschaft des Staatlichen Krisenmanagements Rechnung

getragen wird.

Zu Frage 6:

Bereits in den Siebziger - und Achtzigerjahren hat das Bundeskanzleramt mit

den Bundesländern sogenannte “Koordinierte Übungen” durchgeführt. Dabei

wurde das Zusammenwirken im Krisenmanagement auf Ebene der Landes-

und Bezirkskoordinationsausschüsse geübt. Diese Übungen werden von den

Bundesländern in Form von Bezirkskoordinationsübungen fortgesetzt.

Durch die Veränderungen im sicherheitspolitischen Bereich hat sich der

Schwerpunkt der Übungen auf Ebene des Koordinationsausschusses des

Staatlichen Krisenmanagements auf die Abwehr aktueller Bedrohungen, vor

allem jener durch Kernkraftwerke, verlagert.

Daher hat das Staatliche Krisenmanagement im Jahre 1993 neben 15 anderen

Staaten aus Europa und Übersee an einer von der OECD inituerten Notfall—

übung (INEX-1) teilgenommen, die als "Table- top—Übung” durchgeführt wurde

und dem Test verwaltungsinterner Abläufe im Falle großräumiger Verstrahlung

diente.

 

Als Konsequenz aus INEX-1 entschloß man sich, diese Übung in abgewandel-

ter Form als INEX-2-Übungsserie fortzusetzen. Dabei werden, ausgehend von

regionalen Übungsszenarien - unter Annahme eines Kernkraftwerkunfalls —

Nachbarstaaten, aber auch entfernt liegende Staaten im Wege der bestehen-

den Informationsstrukturen eingebunden.

Bei der Übungsreihe INEX-2 sollen vor allem der Echtzeit- Informationsaus-

tausch über bestehende bilaterale und internationale Kanäle, die Entschei-

dungsfindung aufgrund des gestellten Betriebszustandes der betroffenen

Anlage und der realen Wettersituation und die Information der Öffentlichkeit

durch übungshaftes Einbeziehen der Medien und gestellter Bevölkerungs-

reaktionen getestet werden.

Das Staatliche Krisenmanagement in Österreich nimmt an allen vier Übungen

der INEX-2-Reihe teil.

Bei der ersten Übung der INEX-2-Reihe am 7. November 1996 wurde als

Ausgangssituation ein Unfall im schweizerischen Kernkraffwerk Leibstadt

angenommen.

Aufgrund der sich im Zuge der Übung zeigenden Probleme im internationalen

Informationsaustausch hat Österreich bei der darauffolgenden Evaluierungs-

sitzung in Paris angeregt, daß sich eine Expertengruppe der OECDINEA mit

diesem Problemkreis auf internationaler Ebene beschäftigen und Lösungs-

vorschläge erarbeiten möge.

Die zweite Übung im Rahmen von INEX-2 fand am 17. April 1997 - ausgehend

von einem fiktiven Unfall im finnischen Kernkraftwerk Lovisa - statt. Die Erfah-

rungen aus dieser Übung dienten als Grundlage für die Eugendorfer Arbeits-

tagung im Oktober 1997, die sich unter anderem mit der Frage der Kommu-

nikation und Information im Krisenmanagement auseinandersetzte.

Am 3. November 1998 fand - ausgehend von einem fiktiven Unfall im

ungarischen Kernkraftwerk Paks - die bisher dritte Übung der INEX-2-Serie

statt, an der das Staatliche Krisenmanagement teilgenommen hat. Rück-

schlüsse aus dieser Übung können zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung

noch nicht gezogen werden, da die Evaluierung zu dieser Übung noch nicht

abgeschlossen ist.

Die letzte der vier Übungen der INEX-2-Serie wird voraussichtlich von Kanada

im kommenden Frühjahr durchgeführt werden.

Unter Federführung des Bundesministeriums für Inneres sowie einzelner Bun-

desländer finden laufend nationale und internationale Übungen statt, in die das

Staatliche Krisenmanagement im dafür erforderlichen Umfang jeweils einbe-

zogen wird.

Im Rahmen der NATO - Partnerschaft für den Frieden und des Beobachter-

status bei der WEU beteiligt sich Österreich auch an Krisenmanagement-

Übungen dieser Organisationen. Bei diesen Übungen werden jeweils die

Verfahrensabläufe der NATO und WEU zur Durchführung von friedensunter-

stützenden Operationen und humanitärer Hilfeleistung im internationalen

Rahmen erprobt. Das Bundeskanzleramt beteiligt sich seit 1997 an diesen

Übungen und koordiniert im Rahmen des Staatlichen Krisenmanagements die

von seiten Österreichs zu setzenden Maßnahmen.