4782/AB XX.GP
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 5059/J - NR/1998 betreffend einseitige Vermittlung
von Lehrinhalten im Zuge der Berufsschulausbildung, die die Abgeordneten Dipl - Ing. Maximilian
Hofmann und Kollegen am 22. Oktober 1998 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:
1. Ist es richtig, dass im Rahmen der acht Wochen dauernden Berufsschulausbildung für
Friseurlehrlinge in Oberösterreich im 2. Lehrjahr unter anderem nur 16 Unterrichts -
einheiten "Kundenberatung", hingegen aber 40 Einheiten “Politische Bildung” abgehalten
werden?
Wenn ja, wie begründen Sie diesen “Überhang” zu Ungunsten der berufsspezifischen
Ausbildung?
Antwort:
Der seit September 1998 gültige Rahmenlehrplan für den Lehrberuf Friseur und Perückenmacher
(Stylist) BGBl. Nr. 352/98, der für ganz Österreich gilt, hat folgende Pflichtgegenstände und Stun -
dendotierungen:
Pflichtgegenstände Stunden
Religion....................................................................................................................
Politische Bildung.................................................................................................... 80
Deutsch und Kommunikation................................................................................... 120 - 40
Berufsbezogene
Fremdsprache.................................................................................
40 - 120
Betriebswirtschaftlicher Unterricht......................................................................... 180
Wirtschaftskunde mit Schriftverkehr
Rechnungswesen
Fachunterricht:
Fachkunde............................................................................................................... 240
Kundenberatung.................................................................................................... 60
Fachzeichnen........................................................................................................... 120
Praktikum................................................................................................................ 360
Gesamtstundenanzahl (ohne Religionsunterricht).................................................... 1 200
Daraus ist ersichtlich, dass die berufsspezifische Ausbildung (Fachunterricht) mit 780 Unterrichts -
stunden 65% des Gesamtunterrichts ausmacht. Es besteht demnach kein "Überhang" zu Ungunsten
der berufsspezifischen Ausbildung. Da "Deutsch und Kommunikation" als Ergänzung der “Kunden -
beratung" und die Fremdsprache berufsbezogen unterrichtet wird, ist der Gesamtunterricht über -
wiegend fachlich orientiert.
Die Aufteilung der Unterrichtsstunden der einzelnen Unterrichtsgegenstände auf die Schulstufen
obliegt den Ländern und ist an deren Organisationsform gebunden. So wird in Oberösterreich die
Lehrgangseinteilung auf die drei Lehrjahre beim Friseur mit 12 - 8 - 8 Wochen organisiert, weshalb
es im zweiten Lehrjahr zu 40 Stunden “Politische Bildung" und 16 Stunden "Kundenberatung”
kommt. Die Ergänzung auf die im Rahmenlehrplan verordneten Stunden in diesen Pflichtgegen -
ständen (also 40 Stunden “Politische Bildung" und 44 Stunden "Kundenberatung") erfolgt in
Oberösterreieh in der ersten Schulstufe.
2. Gibt es generelle Unterschiede bei den Lehrplänen für Berufsschulen, aufgeschlüsselt nach
Berufssparten, Bundesländern sowie Lehrjahr?
Wenn ja, worauf basieren die Unterschiede, inwiefern unterscheiden sich die Lehrpläne
im einzelnen bzw. wie viele Unterrichtseinheiten behandeln die fachspezifischen Ausbil -
dung, wie viele haben "Politische Bildung" zum Inhalt?
Antwort:
Die Rahmenlehrpläne für gewerbliche Lehrberufe sind im Bereich der Pflichtgegenstände, die nicht
dem Fachunterricht zuzuzählen sind, für alle Lehrberufe und Länder identisch. Als Beispiel aus
einem
der 150 Lehrpläne der gewerblichen Berufe wird die nachfolgende
Stundentafel angeführt:
RAHMENLEHRPLAN FÜR DEN LEHRBERUFSANITÄR - UND KLIMATECHNIKER - GAS UND WASSERINSTALLATIONEN
I. STUNDENTAFEL
Pflichtgegenstände Stunden
Religion................................................................................................
politische Bildung................................................................................ 80
Deutsch und Kommunikation.............................................................. 120 - 40
Berufsbezogene Fremdsprache............................................................ 40 - 120
Betriebswirtschaftlicher Unterricht...................................................... 180
Wirtschaftskunde mit Schriftverkehr
Rechnungswesen
Fachunterricht
Fachkunde.......................................................................................... 160
Angewandte Mathematik................................................................... 120
Fachzeichnen..................................................................................... 120
Laboratoriumsübungen...................................................................... 160
Praktikum........................................................................................... 100
Gas - Wasser - Technik...................................................................... 80
Fachpraktikum.................................................................................... 100
Gesamtstundenanzahl (ohne Religionsunterricht)............................... 1260
Länderweise können Unterschiede bezüglich der Verteilung der Stunden auf die Lehrjahre vor -
kommen. In den meisten Lehrplänen ist der Anteil des Fachunterrichts gegenüber dem Lehrberuf
"Friseur und Perückenmacher (Stylist)" höher, da in den meisten Lehrplänen die Gesamtstunden -
zahl für dreijährige Lehrberufe mit 1260 Unterrichtseinheiten verordnet ist.
3. Enthalten die jeweiligen Lehrpläne Bestimmungen, die die im Fach "Politische Bildung"
zu vermittelnde Inhalte verbindlich festlegen?
Wenn ja, welche Inhalte sind laut diesen Bestimmungen zu vermitteln?
Wenn nein, wem obliegt die Auswahl des Lehrstoffes, und wie wird seitens des
Bundesministeriums für Unterricht und kulturellen Angelegenheiten die Wahrung des
jeweiligen Bildungsauftrages
kontrolliert?
Antwort: Der Pflichtgegenstand "Politische Bildung" ist bezüglich der Bildungs - und Lehraufgabe und des
Lehrstoffes verbindlich verordnet. Der Lehrplan ist - unabhängig vom Lehrberuf - für sämtliche Be -
rufsschullehrpläne Österreichs wortident (Beilage). Der Berufsschullehrer kann Schwerpunkt -
setzungen in der Auswahl des Lehrstoffes vornehmen. Die Überprüfung, ob der Lehrplan verord -
nungsgemäß unterrichtet wir, obliegt der Schulaufsicht des jeweiligen Bundeslandes.
4. Langten im Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten bereits
Beschwerden hinsichtlich einer unausgewogenen und einseitigen Vermittlung von
Lehrinhalten im Rahmen der Berufsschulausbildung ein?
Wenn ja, wie viele, worauf bezogen sich diese Beschwerden, und welche Maßnahmen
wurden Ihrerseits gesetzt?
Wenn nein, wie überprüft das Bundesministerium für Unterricht und kulturelle
Angelegenheiten effizient die Ausgewogenheit und Sinnhaftigkeit des vermittelten
Lehrstoffes?
Antwort:
Da sämtliche Berufsschullehrpläne mit der Witschaftskammer Österreichs besprochen werden,
liegt für den Anteil der nichtberufsspezifischen Berufsinhalte das Einverständnis der
Witschaftskammer Österreichs vor. Im Jahr 1995 wurde auf Wunsch der Wirtschaftskammer das
Gesamtstundenausmaß für den betriebswirtschaftlichen Unterricht zu Gunsten des Fachunterrichts
reduziert. Beschwerden hinsichtlich einer unausgewogenen Vermittlung von Lehrinhalten im
Rahmen der Berufsschulausbildung liegen nicht vor.
Der in der parlamentarischen Anfrage dargestellte Sachverhalt zur Stundenaufteilung in "Politische
Bildung" und "Kundenberatung" beim oberösterreichischen Lehrplan für "Friseur und Perücken -
macher (Stylist)" wurde mir seitens einer Lehrberechtigten im Mai 1998 in einem Schreiben
übermittelt. Dieses Schreiben wurde von der zuständigen Fachabteilung beantwortet.
5. Werden Sie konkret Maßnahmen setzen, um eien einseitige Vermittlung von Lehrinhalten
im Rahmen der Berufsschulausbildung zu verhindern?
Wenn ja, welche?
Wenn nein, warum nicht?
Antwort: Wie in den Anfragen 1 bis 4 ausgeführt, besteht in den Berufschullehrplänen kein Ungleichgewicht
zwischen den Pflichtgegenständen des Fachunterrichts und den Pflichtgegenständen der Allgemein -
bildung und des betriebswirtschaftlichen Unterrichts. Der Gegenstandskanon ist durch den § 47 des
Schulorganisationsgesetzes vorgeschrieben.
Die Überprüfung des Unterrichts erfolgt laufend durch die Schulaufsichtsbehörde der
Berufsschulen.