4783/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde

haben an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend entwürdigende und rassistische

Äußerungen in Gerichtssälen, gerichtet und folgende Fragen gestellt:

 

 

"1.   Ist Ihnen der (in der Anfragebegründung) angesprochene Vorfall bekannt ge -

        worden? Sind Ihnen bisher ähnliche Vorfälle bekannt geworden?

 

3.     Teilen Sie die Auffassung, daß Vorfälle wie der genannte geeignet sind, das

        Ansehen der Rechtsprechung in der Öffentlichkeit zu beschädigen?

 

4.     Welche Möglichkeiten sehen Sie, um auf die RichterInnen einzuwirken, damit

        diese vor Gericht rassistischen oder sonst erniedrigenden Umgang mit Tatop -

        fern, aber auch mit Angeklagten und Zeugen nicht nur nicht fördern, sondern

        aktiv unterbinden?

 

5.    Welche Möglichkeiten sehen Sie generell, um für die Zukunft das Bewußtsein

       für die Notwendigkeit eines nichtdiskriminierenden Umgangs mit Minderheiten

       innerhalb der Justiz zu schärfen?

 

6.    Haben Sie bisher entsprechende Schritte unternommen?”

 

 

 

Ich beantworte diese Fragen wie folgt:

Zu 1:

Ich bin durch den in der Anfrage angesprochenen Zeitungsartikel auf diese Angele -

genheit aufmerksam geworden. Außerhalb dieser Angelegenheit sind mir keine Be -

richte zugekommen, wonach in gerichtlichen Verfahren rassistische Äußerungen ge -

fallen wären.

 

 

 

Zu 3:

Aus dem zu dieser Angelegenheit eingeholten Bericht ergibt sich, daß in der Haupt -

verhandlung, die Gegenstand dieses Zeitungsartikels war, tatsächlich die Formulie -

rungen “Bimbo” und “Bimbo machen” mehrmals gebraucht wurden. Mit diesen For -

mulierungen hatten sich nämlich die des Verbrechens des Raubes Angeklagten im

Vorverfahren verantwortet. Durch die wörtliche Verlesung der Vernehmungsproto -

kolle gemäß § 252 StPO fanden die genannten Ausdrücke Eingang in die Hauptver -

handlung. Die vorsitzende Richterin hielt den Angeklagten diese Formulierungen

wiederholt vor. In ihrer Stellungnahme versichert sie, daß die Verwendung des Wor -

tes “Bimbo” in der Hauptverhandlung nicht rassistisch, beleidigend oder als Aus -

druck der Mißachtung erfolgt sei; vielmehr habe sie zur Klärung der subjektiven

Tatseite in bezug auf die Erfüllung des Tatbildes des Raubes auf das der Redewen -

dung zugrunde liegende Sprachverständnis der Angeklagten eingehen müssen.

 

Die Redewendung “einen Bimbo machen” ist in der Tätergruppe der Angeklagten

sowie in anderen Tätergruppen im Drogenmilieu als Umschreibung für die Ausfüh -

rung eines Raubes an einem drogendealenden Schwarzafrikaner gebräuchlich. Im

angesprochenen Strafverfahren galt es aufzuklären, ob allen Tatbeteiligten klar war,

was mit einem “Bimbo" gemeint war, und welchen Tatplan die Mittäter hatten.

 

Demnach diente im gegenständlichen Verfahren die Verwendung dieser Formulie -

rungen nur der Wahrheitsfindung und hatte im Rahmen der Hauptverhandlung kei -

nen rassistischen Hintergrund.

 

 

Zu 4 bis 6:

Die dem Richter im Rahmen der Verfahrensleitung zu Gebote stehenden Hand -

lungsmöglichkeiten werden durch sogenannte sitzungspolizeiliche Bestimmungen in

den Verfahrensgesetzen geregelt. Demnach kann gegen denjenigen, der sich in der

Verhandlung einer gröberen Ungebühr, insbesondere einer Beleidigung etwa einer

Partei oder eines Zeugen schuldig macht, ungeachtet einer allfälligen strafgerichtli -

chen oder disziplinären Verfolgung eine Ordnungsstrafe verhängt werden. Für den

Bereich der Strafjustiz sieht § 235 StPO ausdrücklich vor, daß der Vorsitzende dar -

über zu wachen hat, daß gegen niemanden Beschimpfungen vorgebracht werden.

 

Was nun das Verhalten von Richtern selbst anlangt, sieht § 57 Abs. 3 RDG unter

anderem vor, daß sich der Richter im und außer Dienst vorwurfsfrei zu benehmen

und alles zu unterlassen hat, was das Vertrauen in die richterlichen Amtshandlun -

gen oder die Achtung vor dem Richterstande schmälern könnte. Weiters verlangt

die Geschäftsordnung der Gerichte erster und zweiter Instanz, daß im dienstlichen

Verkehr mit Parteien die Formen der gebotenen Höflichkeit zu wahren und daß

Werturteile und spöttische Bemerkungen zu unterlassen sind (§ 52 Abs. 1 und 2

Geo). Neben einer allfälligen disziplinären Verantwortlichkeit können unsachliche

und persönliche Bemerkungen des Richters zu den Parteien oder ihren Vertretern

unter Umständen auch zum Anlaß seiner Ablehnung wegen befürchteter Befangen -

heit genommen werden. Eine darauf gründende Ablehnung des Richters kann auch

das Tatopfer als Privatbeteiligter geltend machen.

 

Das Bundesministerium für Justiz hat sich in den vergangenen Jahren mit Nach -

druck der Problembereiche Rassismus und Fremdenfeindlichkeit angenommen, dies

auch unter Heranziehung kompetenter externer Experten. Ich weise beispielsweise

auf das 12. Symposion “Justiz und Zeitgeschichte” hin, das sich in dem von der Eu -

ropäischen Union zum Jahr gegen Rassismus ausgerufenen Jahr 1997 dem Thema

“Justiz und Fremdenfeindlichkeit” widmete. Bei diesem Symposion, das traditions -

gemäß vom Bundesministerium für Justiz gemeinsam mit dem für Wissenschaft zu -

ständigen Bundesministerium als Forum zur Diskussion justizrelevanter Gesell -

schaftsphänomene veranstaltet wird, haben sich Juristen, Historiker und Vertreter

anderer Disziplinen mit Fragen des Umgangs der Justiz mit Fremden und mit Frem -

denfeindlichkeit auseinandergesetzt. Die Ergebnisse dieser Veranstaltung werden

publiziert.

Auch wurde die Thematik von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit verstärkt in die

Überlegungen zur Gestaltung des Fortbildungsangebots für Richter und Staatsan -

wälte einbezogen. Im Oberlandesgerichtssprengel Wien, der mit derartigen Proble -

men am stärksten konfrontiert ist, wurde ein von der Asylkoordination Österreich

und dem Internationalen Studienzentrum für wissenschaftliche Erwachsenenbildung

und Demokratieforschung im Verband Wiener Volksbildung im Auftrag des Bundes -

ministeriums für Justiz erstellter Fragebogen an alle Richter und Staatsanwälte

übermittelt; Ziel dieser Aktion war es, einerseits die Aufmerksamkeit der Richter und

Staatsanwälte auf die im Justizalltag vielfach gegebenen Berührungspunkte mit dem

Thema Fremdenfeindlichkeit zu lenken und andererseits Interessen den zu die -

sem Thema geplanten Fortbildungsveranstaltungen zu wecken. Eine Ausfertigung

dieses Fragebogens ist zur näheren Information als Beilage angeschlossen.

 

Diese Fragebogen - Aktion stieß mit einer Rücklaufquote der Fragebögen von fast

40% auf großes Interesse. In der Folge wurde am 22. und 23.6.1998 ein vom Bun -

desministerium für Justiz gemeinsam mit der Asylkoordination Österreich und dem

Internationalen Studienzentrum für wissenschaftliche Erwachsenenbildung und De -

mokratieforschung im Verband Wiener Volksbildung konzipiertes Seminar zum The -

ma “Rassismus und Menschenrechte” durchgeführt, bei dem Mitglieder dieser Orga -

nisationen, ein Rechtsanwalt sowie eine Vertreterin des Instituts für Migrations - und

Rassismusforschung in Hamburg referierten.

 

Als nächster Schritt im Rahmen der Fortbildung wurde vom Präsidenten des

Oberlandesgerichts Graz am 14.12.1998 ein Seminar veranstaltet, bei dem das

Thema Fremdenfeindlichkeit sowie der Aspekt der Entwicklung der Strafprozeßord -

nung auf Grund von Erkenntnissen des Europäischen Gerichtshofs für Menschen -

rechte behandelt wurden. Ähnliche Fortbildungsveranstaltungen werden auch in

den anderen Oberlandesgerichtssprengeln durchgeführt werden.

 

Um in der Justiz das Bewußtsein für die Notwendigkeit eines nichtdiskriminierenden

Umgangs mit Minderheiten weiter zu schärfen, wird diesem Thema bei der Fortbil -

dung der Richter und Staatsanwälte auch in Zukunft besondere Beachtung ge -

schenkt werden.

Fragebogen

 

1. Haben Sie in Ihrem beruflichen Alltag mit Menschen zu tun, die selbst oder deren Familienange -

hörige nach Österreich zugewandert sind oder sich vorübergehend in Österreich aufhalten ?

a) Mit Verfahrensbeteiligten:

š = nie

˜ = selten

? = häufig

   = sehr häufig

Diese Verfahrensbeteiligten stam-men aus

 Mitgliedstaaten der EU

 Länder, aus denen In der 2. Republik Arbeitsmigranten/            Arbeitsmigrantinnen nach Österreich gekommen sind

(z.B. ehemaliges Jugoslawien, Türkei, Polen, ...)

 Sonstige:

b) Mit anderen Personen des beruf-lichen Alltags

 = nie

 = selten

 = häufig

 = sehr häufig

Diese stammen aus:

 Mitgliedstaaten der EU

 Länder, aus denen in der 2. Republik Arbeitsmigranten/         Arbeitsmigrantinnen nach Österreich gekommen sind

(z.B. ehemaliges Jugoslawien. Türkei, Polen,...)

 Sonstige:

2. In welchem Rechtsbereichen haben Sie hauptsächlich mit Menschen zu tun, die selbst oder de -

ren Familienangehörige nach Österreich zugewandert sind oder sich vorübergehend in Österreich

aufhalten?

strafrechtlicher Bereich:

 Gewaltdelikte

 Eigentumsdelikte

 Drogendelikte

 Sonstige:

zivilrechtlicher Bereich:

 Allgemein

 Arbeits - und Sozalrecht

 Mietrecht

 Familienrecht

 Sonstige

sonstige Bereiche:

 

 

 

 

3.

a) Sehen Sie Probleme In der Verhandlung und Verfahrensführung, wenn Menschen, die selbst

oder deren Familienangehörige nach Österreich zugewandert sind oder sich vorübergehend in

Österreich aufhalten, beteiligt sind?

 Ja

 Nein


 

Wenn ja, führen Sie bitte einige Beispiele in Schlagworten an:

 

 

b) Können Sprach – bzw. Kommunikationsprobleme durch Dolmetscher/Innen zufriedenstellend ge –

     löst werden?

 ja, weitgehend

 teilweise

 kaum

 

c) Glauben Sie, daß Sprach – bzw. Kommunikationsprobleme Einfluß auf den Ausgang der Verfahren haben?

 ja, weitgehend

 manchmal

 nein

d) Waren Sie im Rahmen eines Verfahrens schon einmal mit dem Vorwurf rassistischen Verhaltens konfrontiert?

 ja,

 nein

Wenn ja, wie haben Sie darauf reagiert?

 Den Vorwurf ignoriert

 Zum Vorwurf rechtfertigend Stellung genommen

 Den Vorwurf akzeptiert

 Sonstige Reaktion:

Wer hat den Vorwurf erhoben?

 Partei

 Parteienvertreter

 Zeuge

 Publikum

 Presse

 Sonstige (bitte anführen):

4. Sind Ihnen im Rahmen Ihrer beruflichen Tätigkeit Verhaltensweisen von Menschen, die nach Österreich zugewandert sind oder sich vorübergehend in Österreich aufhalten, aufgefallen, die Sie als herkunftsbedingtes Verhalten erklären?

 ja,

 nein

Wenn ja, beschreiben Sie bitte ein/zwei Beispiele in kurzen Worten:

 

 

 

 

5.

a) Wie häufig bedienen sich Menschen, die nach Österreich zugewandert sind oder sich vorüberge - hend in Österreich aufhalten, In Verfahren eines freigewählten Rechtsbeistandes?

 häufiger als Österreicher

 gleich oft wie Österreicher

 seltener als Österreicher


 

b) Werden Menschen die nach Österreich zugewandert sind oder sich vorübergehend in Österreich

aufhalten, von Rechtsbeiständen, die nicht frei gewählt sind (Verfahrenshelfer, etc.), Ihrer Einschät -

zung nach schlechter vertreten als Österreicher/Innen ?

 Ja

 Nein

6.

a) Haben Sie private Kontakte mit Menschen, die selbst oder deren Farnilienangehörige nach Öster -

reich zugewandert sind?

 familiäre Kontakte

 Kontakte in der Wohnumgebung

 freundschaftliche Kontakte

 Sonstige:

b) Wenn ja, wurde Ihnen dabei von Diskriminierung oder rassistischen Verhaltensweisen berichtet?

 Ja

 Nein

7. Haben Sie den Eindruck, daß sich das Klima gegenüber “Fremden” in den letzten Jahren verän -

dert hat?

 Ja

 Nein

Wenn ja, in welche Richtung?

 

 

Spüren Sie diese Veränderung auch in Ihrer Arbeit?

 

 

8. Gibt es Ihrer Meinung nach im Zusammenleben von Einheimischen und Zugewanderten beson -

    dere Konflikte?

 Ja

 Nein

Wenn ja. worin liegen Ihrer Meinung nach die Ursachen ? (bitte antworten Sie in Schlagworten:)

 

 

 

 

Ich habe grundsätzlich Interesse, mich mit dem Themenbereich Diskriminierung und Rassis -

mus auseinanderzusetzen:

 Ja

 Nein

Ich bin interessiert, an einem Seminar zu diesem Themenbereich im Frühjahr 1998

teilzunehmen:

 Ja

 Nein