4874/AB XX.GP
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 50991J-NR/1998¤ betreffend Sicherheit in langen
Eisenbahntunnels der ÖBB, die die Abgeordneten Meischberger und Kollegen am 4. November
1998 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:
1. Ist es richtig, daß Mitte August 1998 eine Übung hinsichtlich der Tunnelrettungszüge
für den G¤algenbergtunnel stattfand?
Antwort:
Wie mir die ÖBB mitteilen, war im August d.3. - nach mehreren Übungen mit den Feuerwehren
- vorgesehen, erstmals mit den Tunnelrettungszttgen zu den Tunnelportalen zu fahren.
2. Ist es richtig, daß diese Übung auf der Seite SL Michael mangels einer betriebstaugli-
chen Lokomotive erfolglos - das heißt ohne Fahrt zum Tunnel — abgebrochen wurde;
wenn ja, welche Konsequenzen wurden aus diesem Vorfall gezogen?
Antwort:
Vor Abfahrt des Tunnelrettungszuges im Bahnhof St. Michael trat ein technisches Gebrechen
am Triebfälirzeug auf. Obwohl sich andere Triebfahrzeuge in der näheren Umgebung befanden,
wurde kein Ersatz gestellt, da diese Triebfalirzeuge in produktive Arbeitseinsätze eingebunden
waren. Die ÖBB haben jedoch sichergestellt, daß künfii.g auch bei Übungen Ersatztriebfahr-
zeuge bereitgehalten werden, sollte - wider Erwarten - neuerlich ein Defekt an einem Triebfahr-
zeug auftreten. Anzumerken wäre, daß sich im Bahnhof St. Michael sowohl in der Elektro-
betriebsstelle St. Michael leistungsfähige Dieselfahrzeuge befinden, die auch für spezielle
Illlseinsätze im Galgenbergtunnel
herangezogen werden können.
3. Ist es richtig, daß die Tunnelrettungszüge sowie die dazugehörige Infrastruktur
([[ankwagen, Verladerampe, ...) zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig vorhan-
den war, obwohl der Betrieb im Tunnel bereits aufgenommen war; wenn ja, ab
wann stehen die vollständigen Sicherheitseinrichtungen zur Verfügung?
Antwort:
Zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Galgenbergtunnels waren sowohl die Tunnelrettungs-
Züge als auch die dazugehörige Infrastruktur vorhanden. Es ist zutreffend, daß sich die
wintertauglichen Wasserwagen zum Zeitpunkt der Übung zu Testzwecken in der Bundesver-
suchsanstalt Arsenal befanden. Nach erfolgreich bestandenem Test wurden die Wasserwagen
herkönunlicher Bauart noch vor dem 31. August 1998 Bescheidkonfomi) ersetzt. Zusätzlich
zu der im Bahnhof St. Mi chaeI bereits bestehenden Verladerampe wurde noch eine zusätzli-
che Rampe errichtet.
4. Ist es richtig, daß dies “bescheidgemäß” - also offenbar mit Zustimmung des Ver-
kehrsministers - erfolgte?
Antwort:
Es ist richtig, daß in den Sommermonaten keine wintertauglichen Wasserwagen benötigt
werden. Da die OBB im Zuge des Betriebsbewuligungsverfahrens vorgeschlagen haben, die
Wagen in der Bundesversuchsanstalt Arsenal auf ihre Einsatztauglichkeit im Winter testen zu
lassen, wurde hiefür der Termin 31. August 1998 bescheidmäßig festgelegt. Im übrigen ist auch
die Revision dieser Wagen zu Zeiten vorgesehen, wo der Ersatz durch Kesseiwagen herkömm-
licher Bauart mtglich ist.
5. Ist es richtig, daß das Tunnelrettungskonzept keinen verbindlichen Zeitplan für den
Einsatz: der Rettungszüge vorsieht?
Antwort:
Das Tunnefrettungskonzept wurde in Zusammenarbeit mit dem Bezirksfeuerwehrverband
leoben erstellt, in dem neben der Betriebsfeuerwehr VOEST-Alpine ausschließlich freiwillige
Feuerwehrenwrtreten sind. Es ist vorgesehen, daß der Tunnelrettungszug des Balmhofs Leoben
unverzüglich (so rasch wie möglich) ausfährt. Die Feuerwehren und die ÖBB haben bei der
Erstellung und der Verhandlung des Tunnelsicherheitskonzeptes immer dafllr plädiert, daß es
wichtiger sei, optimal gerüstet (Mannschattsstärke und Einsatzmittel abgestirnrnt auf die
individuellen Erfordernisse des Einsatzes)
als unter einer starren Zeitvorgabe in den Tunnel
einzufahren, was iB. bei widrigen Witterungsverhältnissen als eher kontraproduktiv an-
zusehen wäre. Zu diesem Zweck wird im Bahnhof Leoben ein Dieseltriebfahrzeug ein-
schließlich Triebfahrzeugllührer rund um die Uhr (auch zu Zeiten, in denen keine produkti-
ven Tätigkeiten anfallen) bereitgehalten.
In der dem Tunnelsicherheitskonzept “Galgenbergunnel” zugrunde liegenden Studie der
Unternehmensberatungsfirma Ernst Basler & Partner wird lediglich die Vorhaltung eines
Tunnekettungszuges empfohten. Die ÖBB haben jedoch - u.a. dem Wunsch der Feuerwehren
entsprechend - auch im Bahnhof St. Michael einen Tunnekettungszug stationiert, der ins-
besondere zu deren Unterstützung dient. Zur Bespannung dieses Tunnelrettungszuges ist das
Zuflihren eines Triebfahrzeuges aus Knittelfeld vorgesehen.
6. Ist es richtig, daß das Tunnelrettungskonzept einen Fußmarsch der im Tunnel (un-
verletzten) Verunglüclden von 750m vorsieht?
Antwort:
Aufgrund von Erkenntnissen der Panikforschung darf nicht angenommen werden, daß Rei-
sende bei einem Entstehungsbrand im Zug verweilen, bis die Rettungskräfte eintreffen. Es ist
daher grundsätzlich Selbstrettung vorgesehen. Das bedeutet, daß sich Reisende unter Anlei-
tung und Aufsicht des Zugbegleitpersonals so rasch wie möglich in Richtung sichere Berei-
che (z.B. Tunnelportale¤ Notausstiege) in Sicherheit zu bringen haben, wobei die maximale
Wegstrecke zu diesen sicheren Bereichen 750 m betragen darf.
7. Ist es richtig, daß eine Einfahrt des Rettungszuges in den verqualmten Tunnel nicht
vorgesehen ist; wenn ja, wozu soll dieser dann Im Brand fall dienen und wie soll in
diesem Fall Hilfe und Brand bekämpfung durchgeflihrt werden?
Antwort:
Es ist davon auszugehen, daß nicht oder nicht sofort der gesamte Tunnel verqualmt ist. Die
Einfahrt eines Tunnelrettungszuges in den Tunnel ist sehr woht vorgesehen, jedoch nicht die
Weiterfahrt in verqualmte Bereiche des Tunnels. Der Tunnefrettungszug dient in erster Linie
der Menschenrettung, damit flüchtende Reisende nicht von den sich ausbreitenden Rauchga-
sen eines vom Entstehungsbrand in den Volibrand übergehenden Feuers eingeholt werden.
Die Fortbewegung der Einsatzkräfte im verqualmten Bereich der Tunnefröhre erfolgt in
Straßen- wie in Eisenbahntunnels zu
Fuß.
8. Halten Sie diese - von einem ÖBB-Verantwortlichen in der Öffentlichkeit bestätig-
ten - Parameter des Rettungskonzeptes fllr geeignet, im Unglücksfall eine funktionie-
rende Rettungsmöglichkeit sicherzustellen?
Antwort:
Das Rettungskonzept für den Galgenbergturnel ist eine auf die besonderen Erfordernisse und
Möglichkeiten des Bezirksfeuerwehrverbandes Leoben einerseits und den Österreichischen
Bundesbahnen andererseits abgestimmte Lösung, deren Ef:zzienz in Unglücksfälien vom
bestmöglichen Zusammenwirken aller Einsatzkräfie abhängig sein wird, weshalb diesbe-
züglichen Alarmübungen besondere Bedeutung zukommt.
9. Wie sieht das vom Verkehrsmlnisterium genehmigte Tunnelrettungskon::ept im
Detail aus und welche Übergangshestimmungen, die anfangs einen geringeren Si-
cherheitsstandard gestatten, sind darin enthalten?
Antwort:
Vorgesehen ist ein Selbstrettungskonzept mit infrastrukturellen Voraussetzungen wie Geh-
Wege, Handläufe, F‘uchtwegkennzeichnung mit Entfernungsangabe, Notrufeimichtungen und
Crientierungsbeleuchtung. Unterstützt wird die Selbstrettung durch Elemente der Fremdret-
tung mit dem Tunneketturigszug, der einerseits bei Brandgefahr die flüchtenden Reisenden
aufriehmen und aus dem Tunnel bringen kann und andererseits bei einem Ereignis mit einer
mechanischen Einwirkung der Abbeförderung der Verletzten von der Unfallstelie zum Tun-
nekettungsplatz dient.
Da zum Zeitpunkt der Betriebsaufliahme noch nicht alle Geräte und Fahrzeuge vollständig
geliefert waren, wurde für diese Zeiträume vom Bezirksfeuerwehrverband Leoben mit den
Österreichischen Bundesbahnen ein spezieller Gefahrenabwehiplan erstellt, der durch Um-
schichtungen von Ressourcen bzw. verstärkte Einbindung von nicht als Porialfeuerwehren
bestütirnten anderen Feuerwehren sowie des Hiifszuges der Österreichischen Bundesbahnen
für alle Ereignisszenarien geeignete Maßnahmen vorsieht, so daß jederzeit ein entsprechen-
der Sicherheitsstandard gegeben war und ist.
Die Lieferung der zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme noch ausständigen Geräte und Fahr-
zeuge ist in der Zwischenzeit zum Großteil erfolgt und wird noch 1998 abgeschlossen sein.
Dies entspricht den Vorschreibungen im
Bescheid der Betriebsbewiiiigung.
Aufgrund einer neuerstellten Risikoanalyse und gegenüber den ursprünglichen Planungen
weitergehenden Fremdrcttungsmaßnahmen (wie Vorhalten des Rettttngszuges in Leoben
nicht nur während der planmäßigen Verschubeinsatzzeiten, sondern rund um die Uhr und
Bereitstellung eines Rettungszuges in St. Michael zur Unterstützung) kann die Umsetzung
der Maßnahme Notbremsüberbrückung bei einem gleich hohen Sicherheitsstandard zu einem
späteren Zeitpunkt erfolgen. Die neuerstellte Risikoanalyse beruht insbesondere auf einer
geringeren, weil deutlich unter der Prognose liegenden Zugzahl und auf einer geringeren
Streckenhöchstgeschwindigkeit (160 kin/Il statt 200 knnh).
10. Wie können Sie verantworten, daß ein Tunnelbauwerk in Betrieb genommen wird,
bevor alle ihren Experten nötig erscheinenden Sicherheitsvorkehrungen auch tat-
sächlich getroffen und überprüft sind?
Antwort:
Alle erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen wurden getroffen und von den Sachverständi-
gen auch im Detail geprüft.
11. Ist es richtig, daß das derzeit im Gegensatz zu früheren Beschränkungen etwa
beim Säusensteintunnel - auch Waggons ohne Notbremsüberbrückung den Galgen-
bergtunnel benützen; wenn ja, welche Gründe sind für die Aufgabe dieser Sicher
heitsinaßnahme maßgeblich?
Antwort:
Der Galgenbergtunnel ¤wird von Zügen befahren, deren Wagen nicht mit Notbrernsüberbrük-
kung ausgerüstet sind. Derzeit besteht für keinen Tunnel eine diesbezüglich verbindliche
Vorschrift. Dies ist insbesondere darin begründet, daß derzeit in der EU zwei unterschiedli-
che Systeme (System nach DBAG sowie System UIC) angewendet werden, die miteinander
nicht kompatibel sind. Die ÖBB wären aufgrund der internationalen Wagenumläufe gezwun-
gen, derzeit beide Systeme vorzusehen und wollen einen internationalen Systementscheid
abwarten. Es ist jedoch festzustellen, daß das gleiche Sicherheitsniveau auch ohne Notbrems-
überbrückung auf andere Weise erreicht und nachgewiesen wurde.
12. Welche Eisenbahntunneis mit einer Länge über 5 km bestehen derzeit in Österreich
Im einzelnen und welche Rettungskonzepte werden dabei jeweils angewandt und wie
oft werden diese jeweils im Rahmen von
Übungen überprüft?
Antwort:
Nachstehende Eisenbahntunnel sind zu nennen:
Inntaltunnel (Umfahrung Innsbruck Süd) 12.756 m
Arlbergtunnel 10.250m
Tauerntunnel 8.551 m
Karawankentunnel 7.975 m
Galgenbergtunnel 5.460 m.
Für den Inntaltunnel (Güterzugumfahrung) besteht ein reines Fremdrettungskonzept. Das
bedeutet, daß ein verunfallter Zug von einem der beiden in Innsbruck bzw. Hall in Tirol
stationierten Rettungszüge aus dem Tunnel gezogen wird. Für die anderen Tunnels ist grund-
sätzlich Selbstrettung vorgesehen. Sollte es jedoch nach den Umständen dieses Ereignisses
erforderlich sein, so kann im Einzelfall entschieden werden, daß Fremdrettung zur Anwen-
dung kommt. Ubungen werden grundsätzlich einmal jährlich durchgeführt.
13. Warum wurden in Österreich trotz der Empfehlung internationaler Experten, län-
gere Tunnels aus Sicherheitsgru‘¤nden mehrröhrig auszuführen, dies bislang nicht
durchgeführt und wer trägt die Verantwortung dafdr?
Antwort:
Internationale Experten sind sich einig, daß sehr lange Tunnel mit einer Länge von mehr als
25 km in der Regel zweiröhrig enichtet werden sollten, wodurch Fluchtmöglichkeiten von
emer Röhre in die jeweils andere Röhre geschaffen werden. Tunnel mit einer Länge von
mehr als 25 km wurden bisher in Österreich nicht ausgelührt.
14. Sind Sie bereit, im Lichte dieser Erfahrungen bei der Erprobung des Tunneiret-
tungskonzeptes beim Galgenbergtunnel - auch der besser funl:‘tionierende Einsatz
auf der Leobner Seite benötigte mehr als eine7 im Fall eines Großbrandes sicher
tödliche, halbe Stunde - bei künftigen Tunnelbauten - etwa Wienerwald- und Lain—
zer Tunnel, Unterinntal,... eine entsprechende Bauweise vorzusehen, die die rasche
Flucht im Unglücksfall ermöglicht; wenn nein, warum nicht?
Antwort:
Der Bau des Galgenbergtunnels wurde zu einem Zeitpunkt begonnen, als Erkenntnisse der
Panikforschung und von speziellen Brandversuchen sowie die auf diesen Erkenntnissen auf-
bauenden Selbstrettungskonzepte nicht oder noch zu wenig bekannt waren. Der Galgenberg-
tunnel ist daher baulich noch auf ein
Fremdrettungskonzept ausgerichtet. Eine wirksame
Selbstrettung muß deshalb mit organisatorischen Mitteln (Tunnelrettungszüge) unterstützt
werden. Bei den zitierten Projekten Wienerwaldtnnnel, Lanzertunnel und den verschiedenen
Tunnels im Untetinntal sind selbstverständlich entsprechende bauliche Vorkehrungen für die
Seibstrettung, wie Notausstiege oder Querschläge in einen seitlichen Rettungsstollen in Ab -
ständen von ca. 500 m bis 1.000 m, vorgesehen.