4893/AB XX.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Pollet - Kammerlander, Freundinnen und Freunde ha -
ben am 24. November 1998 unter der Nr. 5213/J an mich eine schriftliche parlamentari -
sche Anfrage betreffend "Verteidigungsministertreffen am 3. und 4. November 1998” ge -
richtet, die folgenden Wortlaut hat:
1. “Wer hat aus Ihrer Sicht des EU - Rechtes die Kompetenz für sicherheitspolitische Initia -
tiven und für die Weiterentwicklung der Gemeinsamen Außen - und Sicherheitspolitik
(GASP)
2. Gibt es von österreichischer Seite Vorschläge zur Weiterentwicklung der GASP?
3. Greift der Verteidigungsminister mit seiner Einladung nicht in den Kompetenzbereich
des EU - Rates bzw. des WEU - Rates ein, die die einzigen Institutionen sind, die dem
Amsterdamer Vertrag zu Folge die GASP weiterentwickeln?
4. Sehen Sie in der Initiative der Verteidigungsminister eine Beschneidung der GASP -
Kompetenzen, die beim EU - Rat liegen?
5. Glauben Sie nicht, daß ein derartiges Verteidigungsministertreffen in der Union unter
Umgehung von EU - Recht, gerade von jenem Land, das die Ratspräsidentschaft inne -
hat, als unangebrachte Fleißaufgabe aufgefaßt werden könnte?
6. Gibt es vorliegende Entwürfe und Vorschläge zur Weiterentwicklung der GASP, die im
Rahmen dieses Treffens diskutiert werden könnten, und wenn ja welche?
7. Wenn keine Vorschläge zur GASP vorliegen, stellt sich die Frage, warum für ein infor -
melles "Arbeitstreffen” sogleich die Verteidigungsminister aller EU - Staaten zusammen -
gerufen werden
müssen?
8. Wird das Treffen der Verteidigungsminister am 3. und 4. November 1998 auch durch
finanzielle oder andere Mittel, die für die österreichische Ratspräsidentschaft vorgese -
hen waren, unterstützt?
9. Stellt diese Initiative des Verteidigungsministers nicht den Status Österreichs als im -
merwährend neutraler Mitgliedsstaat in der EU in Frage?
10.Inwiefern sehen Sie Herr Außenminister, die Entwicklung einer gemeinsamen europäi -
schen Rüstungspolitik in der Kompetenz der Verteidigungsminister der Union?
11. Erachten Sie die Bildung eines EU - Verteidigungsministerrates für zweckmäßig und
nötig?”
Ich beehre mich, diese Anfrage wie folgt zu beantworten:
Einleitend ist festzustellen, daß es sich bei der - in der Anfrage erwähnten - Konferenz um
eine Veranstaltung gehandelt hat, welche der Bundesminister für Landesverteidigung
nach Erörterung in der Bundesregierung in eigener Verantwortung durchgeführt hat.
Zu Frage 1:
Laut Art. 13 des EU - Vertrages i.d.F. des Vertrages von Amsterdam bestimmt der Euro -
päische Rat die Grundsätze und die allgemeinen Linien der Gemeinsamen Außen - und
Sicherheitspolitik.
Der Rat trifft die für die Festlegung und Durchführung der Gemeinsamen Außen - und Si -
cherheitspolitik erforderlichen Entscheidungen auf der Grundlage der vom Europäischen
Rat festgelegten allgemeinen Leitlinien. Des weiteren empfiehlt der Rat dem Europäi -
schen Rat gemeinsame Strategien und führt diese durch. Letztlich trägt der Rat für ein
einheitliches, kohärentes und wirksames Vorgehen der Union Sorge.
Zu Frage 2:
Hinsichtlich der österreichischen Position zur Weiterentwicklung der GASP wird insbeson -
dere auf den nachfolgenden (unter österreichischer Federführung entworfenen) Passus in
den Schlußfolgerungen des Europäischen Rates von Wien verwiesen:
“Der Europäische Rat begrüßt es, daß die Diskussion über eine gemeinsame europäische
Sicherheits - und Verteidigungspolitik neuen Auftrieb erhalten hat. Nach Auffassung des
Europäischen Rates muß sich die GASP auf ein glaubwürdiges operatives Potential stüt -
zen können, wenn die Europäische Union in der Lage sein soll, auf der internationalen
Bühne uneingeschränkt mitzuspielen.
Er begrüßt die französisch - britische Erklärung, die
am 4. Dezember 1998 in St. Malo abgegeben wurde. Beim Ausbau der Europäischen So -
lidarität muß den verschiedenen Positionen der Europäischen Staaten einschließlich der
Verpflichtungen einiger Mitgliedstaaten im Rahmen der NATO Rechnung getragen wer -
den. Er begrüßt die Absicht der WEU, die für europäische Operationen zur Verfügung
stehenden Mittel zu prüfen. Der Europäische Rat fordert den nächsten Vorsitz auf, diese
Diskussion im Gefolge der Beratungen auf der WEU - Ministertagung am 16. November in
Rom und des Rates (Allgemeine Angelegenheiten) vom 7. Dezember fortzusetzen. Der
Europäische Rat wird diese Frage am 3. und 4. Juni 1999 in Köln prüfen.”
Zu den Fragen 3, 4 und 5:
Am 3. und 4. November 1998 fand in Wien über Einladung des Bundesministers für Lan -
desverteidigung eine Konferenz statt, an der die Verteidigungsminister aller 15 Mitglied -
staaten der Europäischen Union teilnahmen. Dazu ist zu betonen, daß es sich bei dieser
Tagung um eine rein informelle handelte, die nicht Teil des offiziellen Veranstaltungska -
lenders der EU - Präsidentschaft war. Diesem Charakter der Konferenz entsprechend wur -
den auch keine Beschlüsse gefaßt oder sonstige Entscheidungen getroffen. Ein
“Eingreifen” in den Kompetenzbereich des EU - Rates bzw. eine “Beschneidung der GASP -
Kompetenzen” fand daher nicht statt.
Was die Haltung der WEU anlangt, so hat der WEU - Rat in seiner “Erklärung von Rom”
ausdrücklich unterstrichen, daß “die praktischen Konsequenzen und die operationellen
Notwendigkeiten einer zunehmenden Kooperation zwischen der EU und der WEU auf
dem Gebiet des europäischen Krisenmanagements Gegenstand einer substantiellen in -
formellen Diskussion der Verteidigungsminister der Union bei ihrer Konferenz in Wien am
3. - 4. November 1998 gewesen sind”.
Zu den Fragen 6, 7 und 9:
Der Bundesminister für Landesverteidigung hat der Bundesregierung mitgeteilt, daß im
Rahmen der gegenständlichen Konferenz von den Verteidigungsministern Frankreichs,
Großbritannien, Finnlands und der Niederlande Impulsreferate gehalten wurden, in denen
auch auf die Entwicklungsperspektiven der GASP eingegangen wurde.
Insbesondere hat die ggstdl. informelle Konferenz den Verteidigungsministern der EU -
Staaten die Gelegenheit geboten, sich vor Inkraftreten des Amsterdamer Vertrages auch
ihrerseits mit den sicherheitspolitischen Konsequenzen dieses Vertragswerks und den
operationellen Erfordernissen eines europäischen Krisenmanagements auseinanderzu -
setzen. Schon deshalb konnte diese den Neutralitätsstatus Österreichs nicht in Frage
stellen.
Diese Diskussion war auch deshalb nützlich, weil sie zu der umfassenderen - bei der Ta -
gung des Rates für Allgemeine Angelegenheiten am 7. Dezember fortgesetzten - Debatte
über die Zukunft der europäischen
Sicherheits - und Verteidigungspolitik beigetragen hat.
Zu Frage 8:
Für die budgetäre Bedeckung der ggstdl. Tagung war das Bundesministerium für Landes -
verteidigung zuständig. Für den Transport der Tagungsteilnehmer sind (nach Rückspra -
che des Bundesministeriums für Landesverteidigung mit dem - im Bundesministerium für
auswärtige Angelegenheiten eingerichteten - Exekutivsekretariat der EU - Präsidentschaft)
während der Konferenz u.a. auch Fahrzeuge aus dem Kfz-Pool der Präsidentschaft ver -
wendet worden. Zusätzliche budgetäre Aufwendungen sind hiedurch allerdings nicht ent -
standen, da sich der betroffene Sponsor bereit erklärte, die - von ihm in diesen Wagen -
pool abgestellten und zum Zeitpunkt der Konferenz verfügbaren - Fahrzeuge auch im
Rahmen der ggstdl. Tagung unentgeltlich zum Einsatz kommen zu lassen.
Zu Frage 10:
Gemäß dem Vertrag von Amsterdam wird “die schrittweise Festlegung einer gemeinsa -
men Verteidigungspolitik in einer von den Mitgliedstaaten als angemessen erachteten
Weise durch eine rüstungspolitische Zusammenarbeit zwischen ihnen unterstützt”.
Innerhalb der EU liegt die Zuständigkeit für die rüstungspolitische GASP - Arbeitsgruppe
POLARM beim Rat für Allgemeine Angelegenheiten. Europäische Rüstungsfragen werden
weiters in der Western European Armaments Group (WEAG) besprochen, in der Öster-
reich auf der Basis eines Beschlusses des Ministerrats vom 30.10.1998 durch den Bun -
desminister für Landesverteidigung als Beobachter vertreten ist.
Zu Frage 11:
Die EU - Staaten sind sich einig, daß sich die - nunmehr angelaufene - Diskussion über die
Zukunft der europäischen Sicherheits - und Verteidigungspolitik in dieser ersten Phase auf
inhaltliche Fragen - und insbesondere auf die Frage nach deren Zielsetzungen und ope -
rationellen Erfordernissen - konzentrieren und erst in weiterer Folge auf die institutionellen
Aspekte dieses Themas eingegangen werden sollte.