4914/AB XX.GP
B E A N T W O R T U N G
der Anfrage der Abgeordneten Maria Schaffenrath, Klara Motter und
PartnerInnen an die Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und
Soziales betreffend Beschäftigungsrichtlinien der EU für 1999
(Nr. 5267/J)
Zur gegenständlichen Anfrage wird mitgeteilt:
Einleitung:
Bevor ich auf den in der Anfrage konkret angesprochenen Fragenkomplex
eingehe, den ich für einen der gesellschafts - und sozialpolitisch
wichtigsten halte und in dem ich wie im folgenden dargelegt - einen
Erfolg der österreichischen Präsidentschaft sehe, möchte ich doch auch
festhalten, daß wir nicht nur im Bereich der Chancengleichheit von
Frauen und Männern die gesteckten Ziele erreicht haben, sondern auch im
Bereich der Beschäftigungspolitik entscheidende Fortschritte durchsetzen
konnten. Es ist uns vor allem gelungen, die makroökonomische Dimension
in der beschäftigungspolitischen
Diskussion deutlich zu verstärken. In
diesem Zusammenhang haben wir die Notwendigkeit stärkerer
wirtschaftspolitischer Koordinierung zur Erhöhung der Beschäftigung
angesprochen. Neben der Stärkung der Chancengleichheit von Frauen auf
dem Arbeitsmarkt haben wir auch erreicht, daß sich in den Leitlinien
1999 stark das Ziel der Schaffung neuer Arbeitsplätze widerspiegelt. So
sollen im Steuer - und Beihilfensystem der Mitgliedstaaten
Anreizmaßnahmen zur Schaffung neuer Arbeitsplätze entwickelt, das
Beschäftigungspotential des Dienstleistungssektors besser genutzt und die
Politik des lebensbegleitenden Lernens ausgebaut werden. Ebenso sollen
positive Maßnahmen für ältere ArbeitnehmerInnen gesetzt werden, um
ihnen einen längeren Verbleib im Berufsleben zu ermöglichen. Alle diese
Aspekte wurden in den Schlußfolgerungen des Europäischen Rates von
Wien aufgenommen und sind somit auch auf europäischer Ebene als
zentrale Aufgabenstellungen anerkannt.
zu Frage 1:
Beim Arbeits - und Sozialministerrat am 27. Oktober 1998 wurde die
Zusammenfassung des gemeinsamen Treffens der Arbeits -, Sozial - und
FrauenministerInnen im Juli 1998 nochmals den MinisterInnen zur
Kenntnisnahme vorgelegt. Von seiten der Delegationen hat es keine
Einwände zu diesem Papier gegeben.
Aufbauend auf dieser Zustimmung hat sich Österreich - wie bereits im
vorangegangenen Ausschuß für Beschäftigung und Arbeitsmarkt (ABA) -
auch in den Oktober und November-Sitzungen des Rates Arbeit und
Soziales stark für die zentralen Ergebnisse von Innsbruck eingesetzt. Bei
der Sitzung am 20.11.98 habe ich in meiner Funktion als Vorsitzende den
Mitgliedstaaten ein Kompromißpapier der Präsidentschaft zu den
beschäftigungspolitischen Leitlinien 1999 vorgelegt. Dieses sog. Non -
Paper beinhaltete eine deutliche Stärkung des Chancengleichheitspfeilers
und die Implementierung des Gender -
Mainstreaming - Ansatzes.
Nach einer Überarbeitung des Papiers auf Basis der Stellungnahmen aus
den Mitgliedstaaten wurde es am 1. Dezember 1998 im Sozialministerrat
und im anschließenden gemeinsamen Treffen der Arbeits - und
SozialministerInnen und Finanzminister diskutiert und mit kleinen
Änderungen verabschiedet (das Dokument liegt bei).
Folgende Punkte sind bei den Leitlinien 1999 aus Sicht der
Chancengleichheit zentral:
• Schaffung eines eigenen Pfeilers zu Chancengleichheit von Frauen und
Männern;
• Verankerung des Gender – Mainstreaming - Ansatzes in einer eigenen
Leitlinie 19;
• Bekämpfung sowohl der horizontalen als auch der vertikalen
Segregation am Arbeitsmarkt und die Reduktion der
Einkommensunterschiede;
• Anerkennung der Bedeutung der partnerschaftlichen Teilung der
Versorgungsarbeit für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie;
• Erarbeitung einer familienfreundlichen Politik, die vor allem die
Bereitstellung bezahlbarer, leicht zugänglicher und qualitativ
hochwertiger Betreuungseinrichtungen für Kinder und pflegebedürftige
Personen sowie Elternurlaubsregelungen umfaßt.
Diese Punkte machen deutlich, daß die Ergebnisse von Innsbruck
Grundlage für die Überarbeitung der Leitlinien im Bereich
Chancengleichheit von Frauen und Männern waren. Ich glaube, damit ist
uns ein großer Schritt in Richtung Förderung der Chancengleichheit in der
Europäischen
Beschäftigungsstrategie gelungen.
zu Frage 2:
Auf Basis der Leitlinien 1999 werden die Nationalen Aktionspläne (NAP)
im kommenden Jahr überarbeitet. Auch Österreich wird Anpassungen
vornehmen müssen und seine Änderungen bis Juni an die Kommission
übermitteln. Für diese Arbeiten wird es wie bereits bei der Erstellung des
NAP wieder Koordinationssitzungen unter der Leitung des BMAGS und des
BMwA mit den entsprechenden Ministerien und den Sozialpartnern geben.
Im Bereich Chancengleichheit von Frauen und Männern wurden bereits
im derzeitigen NAP viele Vorarbeiten für die Adaptierung geleistet: So ist
schon jetzt ein wesentliches Element des bestehenden Nationalen
Aktionsplans die Einbeziehung der Chancengleichheit von Frauen und
Männern in alle Maßnahmen. Damit hat Österreich bereits wichtige
Schritte in Richtung eines Gender – Mainstreaming - Ansatzes gesetzt, an die
wir bei der kommenden Überarbeitung anschließen können.
zu Frage 3:
Die Ergebnisse wurden eingearbeitet (siehe Frage 1).
zu Frage 4:
Im Bereich Chancengleichheit von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt
wurden einerseits auf nationaler Ebene die entsprechenden Maßnahmen
des NAP umgesetzt, andererseits im Rahmen der österreichischen EU -
Präsidentschaft dieses Thema zum Schwerpunkt verschiedener
Veranstaltungen gewählt.
Hinsichtlich der Maßnahmen des Nationalen Aktionsplans für
Beschäftigung wurden Erfolge für Frauenförderung am Arbeitsmarkt
erzielt. In einer Evaluierung der drei zentralen Maßnahmen
(Kindergartenmilliarde,
Kinderbetreuungsbeihilfe des AMS, Frauenstiftung
Steyr und das Unternehmensgründungsprojekt MINERVA) wurde deutlich,
daß diese Maßnahmen zu einer Erhöhung der Beschäftigung um
jahresdurchschnittlich 12.500 Frauen führt und die Arbeitslosigkeit bei
Frauen um 8.400 Personen verringert. Zu erwähnen ist in diesem
Zusammenhang, daß Österreich im sog. Joint - Employment - Report für
seinen “integrativen Ansatz zur Förderung von Frauen am Arbeitsmarkt”
als best - practice - Land hervorgehoben wurde.
Das Thema “Chancengleichheit und Beschäftigung” wurde während der
österreichischen Präsidentschaft breit diskutiert. Im Dezember 1998
erfolgte nochmals eine Präsentation der Studie von Prof. Jill Rubery im
Rahmen einer Veranstaltung des Renner - Institutes, wo auch meine
Kollegin Frau Bundesministerin Barbara Prammer und ich die Möglichkeit
hatten, nochmals die zentralen Ergebnisse von Innsbruck und die
Entwicklung bei den Leitlinien 1999 darzustellen. Darüber hinaus hat das
BMAGS bei verschiedenen Veranstaltungen im Rahmen der Präsidentschaft
(wie z.B. dem MISEP - Treffen in Wien), die Frage der Frauenbeschäftigung
zu einem zentralen Thema gemacht.
ERGEBNISSE
der gemeinsamen Tagung des Rates “Arbeit und Soziales” und des Rates
“Wirtschaft und Finanzen”
Nr. Kommissionsvorschlag: 11911/98 SOC 349 ECOFIN 210
Nr. Vordokument: 13105/98 SOC 434 ECOFIN 240
Betr.: Entwurf von Leitlinien für die Beschäftigungspolitik der Mitgliedstaaten 1999
Die Delegationen erhalten nachstehend den Entwurf der beschäftigungspolitischen Leitlinien für
1999, auf den sich der Rat (gemeinsame Tagung des Rates “Arbeit und Soziales” und des Rates
“Wirtschaft und Finanzen”) am
1. Dezember 1998 verständigt hat.
ENTWURF DER BESCHÄFTIGUNGSPOLITISCHEN LEITLINIEN FÜR 1999
A. EINLEITUNG
1. Aktueller wirtschaftlicher Ausblick und wirtschaftspolitische Reaktionen
1998 erfährt die EU ein starkes und beschäftigungsschaffendes BIP - Wachstum. Das
BIP wächst mit geschätzten 2,9 % im Durchschnitt. Etwa 1,7 Millionen neue
Arbeitsplätze sind in den vergangenen zwölf Monaten in der Union geschaffen worden
und die EU - Arbeitslosenquote ist zum ersten Mal seit 1992 unter 10% gefallen. Es ist
eher schwierig, die Auswirkungen der internationalen Finanzkrise auf das zukünftige
Wachstum und die Beschäftigungssituation in den EU – Ländern für 1999 genau zu
evaluieren. Aktuelle Prognosen erwarten einen vorübergehenden Abschwung des
durchschnittlichen BIP - Wachstums auf 2 bis 2 1/2 %, jedoch festhaltend, daß die Risiken
der Voraussage höher als normal sind.
Um Wachstum und Beschäftigung zu fördern, ist es wichtig, eine angemessene und
koordinierte Reaktion auf EU - Niveau fortzuführen, die sowohl die Haushalts - und
Geldpolitik als auch Strukturpolitikern und angemessene Lohnentwicklungen umfaßt.
Jeder Akteur ist aufgerufen, zur Sicherung eines für Wachstum und Beschäftigung
insgesamt positiven Policy - Mix beizutragen, in Zusammenhang mit der jeweiligen
konjunkturellen Situation.
Im Bereich der Haushaltspolitik muß die Strategie des Stabilitäts - und Wachstumspaktes
auch weiterhin verfolgt werden. Alle Möglichkeiten zur Verbesserung von Qualität und
Effizienz bei Regierungsausgaben müssen genutzt werden. Die Priorität soll dabei auf
Ausgaben für produktive Investitionen in Sach - und Humankapital liegen. Für den Fall,
daß es zu einer unerwartet drastischen Verlangsamung kommt, sollten die automa -
tischen Stabilisatoren soweit wirken können, ohne den Prozeß der strukturellen
Haushaltskonsolidierung zu behindern, soweit dafür der notwendige Raum innerhalb der
Bestimmungen des Stabilitäts - und
Wachstumspaktes gegeben ist.
Auf Basis der aktuellen Prognosen werden die aggregierten Lohnentwicklungen moderat
und mit der Preisstabilität vereinbar sein und zu einem Anstieg der Reallöhne führen.
Dies würde dann zusammen mit einem Beschäftigungswachstum einen stetigen Anstieg
der Kaufkraft und des privaten Konsums erlauben. Lohnabschlüsse sollten der
wirtschaftlichen Lage insgesamt, in den verschiedenen Sektoren und in den einzelnen
Unternehmen Rechnung tragen.
Die Anstrengungen zur Verbesserung des Funktionierens von Arbeits-, Güter- und
Kapitalmärkten sollten weiter verfolgt werden, um das europäische Wachstumspotential
zu steigern.
Lohnentwicklungen, haushaltspolitische Maßnahmen und eine stabile Inflationsrate
haben eine Lockerung der geldpolitischen Bedingungen erlaubt. Es ist nun sehr wahr -
scheinlich, daß die Angleichung von kurzfristigen Zinssätzen innerhalb des Euro -
Währungsgebietes zum niedrigsten Zinsniveau der zukünftigen WWU - Teilnehmer
erfolgen wird. Sollte sich die Lage der Weltwirtschaft weiter verschlechtern, wären die
Voraussetzungen für niedrigere Zinssätze nominelle Lohnerhöhungen, die mit Preis -
stabilität vereinbar sind, und ein nachhaltiger Fortschritt im Prozeß der strukturellen
Haushaltskonsolidierung.
2. Verbesserung des Prozesses
Die Mitgliedstaaten haben sich verpflichtet, die vorweggenommene Anwendung des
neuen Beschäftigungstitels im Vertrag weiterzuführen, wie es die Staats - und Regie -
rungschefs in Amsterdam bekräftigt haben. Aufbauend auf die diesjährige Erfahrung
wird eine etwas effizientere Gestaltung des Prozesses vorgeschlagen.
Im Jahr 1999 und in den folgenden Jahren wird von den Mitgliedstaaten bis Mitte Juni
nur ein jährlicher Implementierungsbericht übermittelt werden, welcher die NAP-
Anpassungen und die Implementierung beinhaltet.
Die Kommission wird in einem Frühjahrspaket eine Mitteilung zu “mainstreaming
employment policies” (Beschäftigungspolitik als horizontaler Politikbereich) auf Gemein -
schaftsebene auf der Grundlage von Artikel 127 des Amsterdamer Vertrags präsen -
tieren.
Im Herbst 1999 und in den darauffolgenden Jahren wird die Kommission wieder ihren
Vorschlag für den Gemeinsamen Beschäftigungsbericht und die neuen Leitlinien für die
Beschäftigungspolltik für das Jahr 2000 vorlegen. Der Gemeinsame
Beschäftigungsbericht 1999 wird eine erste Evaluation der Auswirkung der NAPs auf
Grundlage vollständigerer Informationen und aktueller Daten versuchen.
Für den zukünftigen Erfolg des Luxemburg - Prozesses ist es wichtig, den integrierten und
koordinierten Ansatz basierend auf soliden makroökonomischen Politiken und
strukturellen Reformen auf den Arbeits -, Produkt - und Kapitalmärkten in Überein -
stimmung mit den Beschäftigungspolitischen Leitlinien und dem neuen Prozeß der
Wirtschaftsreform fortzusetzen. Es ist wichtig, daß ein breiter und intensiver Dialog
zwischen allen Akteuren (Rat, Europäisches Parlament, Sozialpartner, EZB,
Europäische Kommission) stattfindet, der zur Gesamtstrategie für höheres Wachstum
und Beschäftigung beiträgt. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, daß alle
Mitgliedstaaten die Verpflichtung eingegangen sind, eine Politik zu verfolgen, die mit den
beiden politisch zentralen Dokumenten der Gemeinschaft, das sind die Grundzüge der
Wirtschaftspolitik und die Leitlinien für die Beschäftigungspolitik, in Einklang stehen. Dies
wird, unbeschadet der endgültigen Entscheidungen über diese Dokumente, auch einen
intensivierten Dialog und die gegenseitige Kooperation des Rates (ECOFIN und Arbeit
und Soziales) begünstigen. Um den Rat zu unterstützen, sollte die Zusammenarbeit der
beratenden Ausschüsse (WFA, ABA, WPA)
wesentlich verstärkt werden.
B. DIE BESCHÄFTIGUNGSPOLITISCHEN LEITLINIEN FÜR 1999 (1)
EINLEITUNG: QUANTITATIVE ZIEL VORGABEN UND INDIKATOREN
Es ist wesentlich, daß die Beschäftigungspolitischen Leitlinien in konkrete Nationale
Aktionspläne für Beschäftigung umgesetzt werden. Der Gebrauch gemeinsamer
Indikatoren, die auf vergleichbaren Statistiken beruhen, ist von zentraler Bedeutung für
ein effektives Monitoring und die Evaluation der Maßnahmen, sowohl auf nationaler als
auch auf Gemeinschaftsebene. Bislang sind Grundlegende Indikatoren der
Beschäftigungsleistung in mehreren Gemeinsamen Beschäftigungsberichten verwendet
worden und die Arbeit an Maßnahmenindikatoren, in bezug auf die konkreten Leitlinien,
kommt gut voran. Es wurde in Luxemburg vereinbart, daß das letztendliche Ziel einer
Koordination der Beschäftigungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten eine signifikante und
nachhaltige Anhebung der Beschäftigungsquote in Europa ist.
Um konkrete Ergebnisse zu erreichen, werden die Mitgliedstaaten
- nachdrücklich aufgefordert, den Prozeß der Definition und Sammlung vergleichbarer
Daten zu unterstützen um die drei EU-weiten operationellen Zielsetzungen der Leit -
linien 1 - 3 umzusetzen. Dies schließt insbesondere die Entwicklung verläßlicher
Stromgrößen hinsichtlich der Beschäftigung und der Arbeitslosigkeit ein.
- dafür sorgen, daß im Hinblick auf eine aussagekräftige Bewertung der Umsetzung
der Leitlinien geeignete Datenerhebungssysteme und -verfahren zur Verfügung
stehen.
Außerdem werden die Mitgliedstaaten eingeladen, selbst einzelstaatliche Zielsetzungen
festzulegen, die, wo immer es möglich und geeignet ist, quantifiziert werden könnten.
Zusätzlich ist es erforderlich, objektive Kriterien für die Auswahl von guten Praktiken zu
entwickeln.
(1)
Der vom Rat auf seiner gemeinsamen Tagung vereinbarte Text basiert auf der
Annahme, daß die horizontalen Themenbereiche
“Informationsgesellschaft nicht angemeldete Erwerbstätigkeit
Förderung der lokalen Entwicklung, ESF, Umweltentwicklung und nachhaltige
Entwicklung" (ergänzt durch den Bereich “Kultur und
Beschäftigung") in ihren wesentlichen Teilen in den
Erwägungsgründen der kommenden Entschließung des Rates zu den
Leitlinien für die Beschäftigungspolitik der Mitgliedstaaten 1999
umgesetzt sind.
1. VERBESSERUNG DER BESCHÄFTIGUNGSFÄHIGKEIT
Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und Verhütung von
Langzeitarbeitslosigkeit
Zur Bekämpfung der Jugend - und Langzeitarbeitslosigkeit werden sich die Mitglied -
staaten verstärkt bemühen, präventive Strategien auszuarbeiten, die auf eine
frühzeitige Ermittlung der individuellen Bedürfnisse und auf die Verbesserung der
Beschäftigungsfähigkeit abzielen. Binnen einer von den Mitgliedstaaten selbst
festzulegenden Frist, die außer in Ländern mit besonders hoher Arbeitslosigkeit vier
Jahre nicht überschreiten darf, stellen die Mitgliedstaaten sicher,
1. daß allen Jugendlichen ein Neuanfang in Form einer Ausbildung, einer Umschu -
lung, einer Berufserfahrung, eines Arbeitsplatzes oder einer anderen die
Beschäftigungsfähigkeit fördernden Maßnahme ermöglicht wird, ehe sie sechs
Monate lang arbeitslos sind;
2. daß arbeitslosen Erwachsenen durch eines der vorgenannten Mittel oder
genereller durch individuelle Betreuung in Form von Berufsberatung ebenfalls ein
Neuanfang ermöglicht wird, ehe sie zwölf Monate lang arbeitslos sind.
Diese Maßnahmen zur Vorbeugung und zur Förderung der Beschäftigungsfähigkeit
sollten mit Maßnahmen zur Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen verknüpft
werden.
Übergang von passiven zu aktiven Maßnahmen
Die Sozialleistungssysteme, Steuersysteme und Ausbildungssysteme sind - soweit
erforderlich - zu überprüfen und so anzupassen, daß sie zur Förderung der Beschäf -
tigungsfähigkeit der
Arbeitskräfte beitragen. Jeder Mitgliedstaat
3. bemüht sich, die Zahl der Personen spürbar zu erhöhen, die in den Genuß aktiver
Maßnahmen zur Förderung ihrer Beschäftigungsfähigkeit kommen. Zwecks Erhö -
hung des Prozentsatzes der Arbeitslosen, denen eine Ausbildung oder eine ent -
sprechende Maßnahme angeboten wird, legt er dabei insbesondere nach
Maßgabe seiner Ausgangssituation als Zielvorgabe fest, eine schrittweise
Annäherung an den Durchschnitt der drei erfolgreichsten Mitgliedstaaten,
mindestens aber einen Anteil von 20 % zu erreichen;
4. wird seine Steuer - und Leistungssysteme überprüfen und gegebenenfalls neu
ausrichten und Arbeitslosen und anderen Nichterwerbstätigen Anreize bieten, sich
um Arbeit oder Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Beschäftigungsfähigkeit zu
bemühen und entsprechende Angebote wahrzunehmen, und für die
Arbeitgeberinnen Anreize bieten, damit sie mehr Arbeitsplätze schaffen.
Außerdem ist es wichtig, im Zusammenhang mit einer Politik zugunsten des
aktiven Alterns unter anderem Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Arbeits-
fähigkeit und zur Förderung des lebensbegleitenden Lernens sowie andere
flexible Arbeitsregelungen zu entwickeln, um auch älteren ArbeitnehmerInnen die
aktive Teilnahme am Arbeitsleben zu ermöglichen.
Förderung eines Partnerschaftskonzepts
Maßnahmen der Mitgliedstaaten allein reichen nicht aus, um die Beschäftigungs -
fähigkeit in dem gewünschten Umfang zu fördern. Daher
5. werden die Sozialpartner nachdrücklich aufgefordert, auf ihrer jeweiligen
Zuständigkeits - und Aktionsebene bald Vereinbarungen zu treffen, um zusätzliche
Möglichkeiten für Ausbildung, Berufserfahrung, Praktika oder sonstige
Maßnahmen zur Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit zu schaffen;
6. werden sich beide, die Mitgliedstaaten und die Sozialpartner, bemühen, zur
Heranbildung qualifizierter und anpassungsfähiger Arbeitskräfte die Möglichkeiten
für lebensbegleitendes Lernen, insbesondere im Bereich der Informations- und
Kommunikationstechnologien, auszubauen, und im Benehmen mit dem Ausschuß
für Beschäftigung und Arbeitsmarkt eine Definition des lebensbegleitenden Lernen
vornehmen, um Ziele im Einklang mit den nationalen Rahmenbedingungen für
jene Personen zu setzen, die in den Genuß derartiger Maßnahmen kommen.
Dabei ist insbesondere dafür Sorge zu tragen, daß entsprechende Maßnahmen
für ältere
ArbeitnehmerInnen leicht zugänglich sind.
Erleichterung des Übergangs von der Schule zum Beruf
Schulabbrecher, die nicht über die auf dem Arbeitsmarkt geforderten Qualifikationen
verfügen, haben schlechte Aussichten auf einen Arbeitsplatz. Die Mitgliedstaaten
werden deshalb
7. die Qualität ihres Schulsystems verbessern, damit die Zahl der Schulabbrecher
spürbar verringert wird. Ein besonderes Augenmerk sollte auch den Jugendlichen
mit Lernschwierigkeiten gelten.
8. dafür Sorge tragen, daß die Jugendlichen besser befähigt werden, sich an den
technologischen und wirtschaftlichen Wandel anzupassen, und daß ihnen den
Bedürfnissen das Arbeitsmarktes entsprechende Qualifikationen vermittelt werden
Dies kann gegebenenfalls durch die Einführung oder durch den Ausbau von
Lehrlingsausbildungssystemen geschehen.
Schaffung eines Arbeitsmarktes, der allen offensteht
Zahlreichen gesellschaftlichen Gruppen und Einzelpersonen bereitet es besondere
Schwierigkeiten, geeignete Qualifikationen zu erwerben, Zugang zum Arbeitsmarkt zu
finden und sich auf dem Arbeitsmarkt zu behaupten. Hier ist ein ganzes Bündel aufein -
ander abgestimmter Maßnahmen erforderlich, die darauf abstellen, die Eingliederung
der Betreffenden in das Erwerbsleben zu fördern und Diskriminierungen zu bekämpfen.
Die Mitgliedstaaten
9. werden den Bedürfnissen behinderter Menschen, ethnischer Minderheiten und
anderer Gruppen und Einzelpersonen, die gegebenenfalls benachteiligt sind,
besondere Aufmerksamkeit schenken und geeignete präventive und aktive
politische Ansätze entwickeln, um die Eingliederung der Betreffenden in den
Arbeitsmarkt zu fördern.
II. ENTWICKLUNG DES UNTERNEHMERGEISTES
Erleichterung der Gründung und des Führens von Unternehmen
Der Aufbau neuer Unternehmen und das Wachstum von Klein - und Mittelbetrieben sind
wesentliche Voraussetzungen für die Schaffung von Arbeitsplätzen und für die Aus -
weitung von Weiterbildungsmöglichkeiten für junge Menschen. Zur Unterstützung
dieses Prozesses gilt es, in allen Teilen der Gesellschaft die Bereitschaft zur Ausübung
einer unternehmerischen Tätigkeit zu fördern, für klare, stabile und berechenbare
Vorschriften Sorge zu tragen und die Bedingungen für die Entwicklung der
Risikokapitalmärkte zu verbessern. Die Mitgliedstaaten sollten auch die administrativen
und steuerlichen Belastungen der mittelständischen Wirtschaft reduzieren und
vereinfachen. Diese Maßnahmen werden die Versuche der Mitgliedstaaten bei der
Bekämpfung der nichtangemeldeten Erwerbstätigkeit unterstützen. Die Mitgliedstaaten
werden zu diesem Zweck.
10. besondere Aufmerksamkeit darauf verwenden, die Gemeinkosten und die
Verwaltungskosten der Unternehmen, vor allem der kleinen und mittleren
Unternehmen, insbesondere bei Unternehmensgründungen und bei der Ein -
stellung zusätzlichen Personals, erheblich zu senken;
11. die Entwicklung selbständiger Erwerbstätigkeit fördern, indem sie prüfen, welche
Hindernisse - insbesondere in bezug auf Steuern und Sozialversicherung - der
Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit und der Gründung von Klein-
unternehmen möglicherweise im Wege stehen und wie diese Hindernisse
abgebaut werden könnten, und indem sie spezielle Schulungsmaßnahmen und
gezielte Unterstützungsangebote für UnternehmerInnen fördern.
Ausschöpfung neuer Möglichkeiten für die Schaffung von Arbeitsplätzen
Wenn die Europäische Union das Beschäftigungsproblem in den Griff bekommen will,
müssen alle Möglichkeiten für die Schaffung von Arbeitsplätzen sowie die neuen
Technologien und sonstige Innovationen effektiv genutzt werden. Zu diesem Zweck
werden die Mitgliedstaaten
12. Maßnahmen fördern, die darauf abzielen, die Möglichkeiten für die Schaffung von
Arbeitsplätzen auf lokaler Ebene, im Sozialwesen, im Bereich der Um -
welttechnologien und bei neuen Aktivitäten im Zusammenhang mit den vom Markt
noch nicht befriedigten Bedürfnissen, voll auszuschöpfen und hierbei untersuchen,
welche Hindernisse dem entgegenstehen und wie diese Hindernisse verringert
werden können. Hierbei ist der besonderen Rolle der örtlichen Behörden und der
Sozialpartner Rechnung zu tragen.
13. Rahmenbedingungen entwickeln, um das Beschäftigungspotential des Dienst -
leistungssektors und der industrienahen Dienstleistungen voll zu nutzen, unter
anderem durch die Erschließung des Beschäftigungspotentials der Informations -
gesellschaft und des Umweltsektors, um mehr und bessere Arbeitsplätze zu
schaffen.
Beschäftigungsfreundlichere Gestaltung der Steuersysteme
und Umkehr des langfristigen Trends zu einer höheren Steuer - und Abgabenbelastung
der Arbeit (Anstieg von 35 % im Jahre 1980 auf über 42 % im Jahre 1995). Jeder
Mitgliedstaat
14. legt, soweit erforderlich und unter Berücksichtigung des derzeitigen Niveaus, als
Zielvorgabe eine schrittweise Senkung der Steuer- und Abgabenbelastung insge -
samt und, wo angemessen, der Steuerbelastung der Arbeit und der Lohnneben -
kosten insbesondere hinsichtlich der niedrig qualifizierten und schlecht bezahlten
Arbeit fest, ohne dabei die Sanierung der öffentlichen Haushalte und das finan -
zielle Gleichgewicht der Sozialversicherungssysteme in Frage zu stellen. Dabei
prüft er gegebenenfalls, ob die Einführung einer Energiesteuer, einer Besteuerung
der Schadstoffemissionen oder sonstiger steuerlicher Maßnahmen zweckmäßig
ist.
15. prüft - ohne daß dazu eine Verpflichtung besteht-, ob der Mehrwertsteuersatz bei
arbeitsintensiven Dienstleistungen, die keinem grenzüberschreitenden Wett-
bewerb
ausgesetzt sind, gesenkt werden sollte.
III. FÖRDERUNG DER ANPASSUNGSFÄHIGKEIT DER UNTERNEHMEN UND IHRER
BESCHÄFTIGTEN
Modernisierung der Arbeitsorganisation
Um die Modernisierung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsverhältnisse zu fördern,
sollte eine starke Partnerschaft auf allen geeigneten Ebenen (europäische, nationale,
sektorale, lokale und Unternehmensebene) aufgebaut werden:
16. Die Sozialpartner werden aufgefordert, auf allen geeigneten Ebenen Vereinba -
rungen zur Modernisierung der Arbeitsorganisation, darunter auch anpassungs -
fähige Arbeitsregelungen, auszuhandeln, um die Unternehmen produktiv und
wettbewerbsfähig zu machen und ausgewogenes Verhältnis zwischen Anpas -
sungsfähigkeit und Sicherheit zu erreichen. Diese Vereinbarungen können bei -
spielsweise auch Regelungen betreffend Jahresarbeitszeiten, Arbeitszeitverkür -
zungen, Reduzierung der Überstunden, Ausbau der Teilzeitarbeit, lebenslange
Weiterbildung und Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit beinhalten.
17. Jeder Mitgliedstaat prüft seinerseits, ob es zweckdienlich erscheint, in seinen
Rechtsvorschriften anpassungsfähigere Formen von Arbeitsverträgen vorzusehen,
um dem Umstand Rechnung zu tragen, daß immer vielfältigere Beschäfti -
gungsformen entstehen. ArbeitnehmerInnen, die im Rahmen derartiger Arbeits -
verträge beschäftigt sind, sollten zugleich in den Genuß einer ausreichenden
Sicherheit und eines besseren Arbeitnehmerstatus gelangen, wobei den Erfor -
dernissen der Unternehmen Rechnung zu tragen ist.
Förderung der Anpassungsfähigkeit der Unternehmen
Um die Kenntnisse und Fertigkeiten der Beschäftigten in den Unternehmen zu verbes -
sern, werden von den Mitgliedstaaten
18. die Hemmnisse insbesondere steuerlicher Art überprüft, die möglicherweise In -
vestitionen in die Humanressourcen im Wege stehen, und gegebenenfalls
steuerliche oder sonstige Anreize für innerbetriebliche Fortbildungsmaßnahmen
vorgesehen; sie prüfen ferner neue Regelungen und überprüfen den bestehenden
Regelungsrahmen daraufhin, ob sie dazu beitragen, die Beschäftigungs -
hemmnisse zu verringern und die Fähigkeit des Arbeitsmarktes zur Anpassung an
den
Strukturwandel der Wirtschaft zu erhöhen.
IV. VERSTÄRKUNG DER MASSNAHMEN ZUR FÖRDERUNG DER
CHANCENGLEICHHEIT VON FRAUEN UND MÄNNERN
Gender Mainstreaming - Ansatz
Frauen haben nach wie vor besondere Probleme beim Zugang zum Arbeitsmarkt, beim
beruflichen Aufstieg beim Entgelt und bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Daher ist es unter anderem wichtig,
- sicherzustellen, daß aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen Frauen in dem
Umfang zugänglich gemacht werden, wie es ihrem Anteil an den Arbeitslosen
entspricht;
- negative Anreizwirkungen, dort wo solche im Steuer - und Leistungssystem
identifiziert werden, aufgrund ihrer negativen Auswirkungen auf die Erwerbs -
beteiligung von Frauen zu beseitigen;
- besondere Aufmerksamkeit den Hindernissen zu widmen, denen sich Frauen
gegenübersehen, die Unternehmen gründen oder sich selbständig machen wollen;
- sicherzustellen, daß Frauen flexibler Formen der Arbeitsorganisation positiv
nutzen können.
Daher werden die Mitgliedstaaten
19. einen Gender - Mainstreaming - Ansatz bei der Umsetzung der Leitlinien in allen
4 Säulen zugrunde legen. Im Hinblick auf eine aussagekräftige Bewertung der mit
dem Mainstreaming erzielten Fortschritte haben die Mitgliedstaaten dafür zu
sorgen, daß geeignete Datenerhebungssysteme und - verfahren zur Verfügung
stehen.
Abbau der geschlechtsspezifischen Unterschiede am Arbeitsmarkt
Die Mitgliedstaaten und die Sozialpartner sollten ihren Willen zur Förderung der Chan -
cengleichheit durch eine Erhöhung der Frauenbeschäftigungsquote zum Ausdruck brin -
gen. Sie sollten ihre Aufmerksamkeit auch auf das Ungleichgewicht zwischen Frauen -
und Männeranteil in bestimmten Wirtschaftsbereichen und Berufen genauso wie auf die
Verbesserung der Aufstiegschancen von Frauen richten. Die Mitgliedstaaten
20. werden sich bemühen, das Gefälle zwischen der Arbeitslosigkeit von Frauen und
Männern zu vermindern, indem sie aktiv für ein hohes Beschäftigungsniveau bei
den Frauen hinarbeiten und Maßnahmen ergreifen, um eine ausgewogene Re-
präsentanz von Frauen und Männern in allen Sektoren und an allen Arbeitsplätzen
zu erreichen. Sie werden die Förderung des Grundsatzes des gleichen Entgelts
für gleiche Arbeit oder Arbeit gleichen Werts sowie die Verringerung der
Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern vorantreiben. Um die
Diskriminierung zwischen Frauen und Männern abzubauen, werden die Mitglied -
staaten auch einen verstärkten Einsatz von frauenfördernden Maßnahmen in
Erwägung ziehen.
Erleichterung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Maßnahmen für eine Unterbrechung der Berufstätigkeit, Elternurlaub und Teilzeitarbeit
wie auch flexible Arbeitsregelungen, die beiden, sowohl ArbeitgeberInnen als auch
ArbeitnehmerInnen nutzen, sind für Frauen und Männer von besonderer Bedeutung.
Die Umsetzung der verschiedenen Richtlinien und Vereinbarungen der Sozialpartner in
diesem Bereich sollte vorangetrieben und regelmäßig überprüft werden. Es muß ein
angemessenes Angebot an guten Betreuungs- und Pflegedienstleistungen für Kinder
und andere Familienangehörige geschaffen werden, um Frauen und Männern den
Zugang zum Arbeitsmarkt und das Verbleiben im Erwerbsleben zu erleichtern. In
diesem Zusammenhang ist die partnerschaftliche Teilung der Versorgungsarbeit
unumgänglich. Um die Chancengleichheit von Frauen und Männern zu fördern, werden
die Mitgliedstaaten und die Sozialpartner:
21. eine familienfreundliche Politik erarbeiten, umsetzen und vorantreiben, die die
Bereitstellung bezahlbarer, leicht zugänglicher und qualitativ hochwertiger Be-
treuungseinrichtungen für Kinder und pflegebedürftige Personen sowie Eltern-
urlaubsregelungen und sonstige Möglichkeiten einer vorübergehender Arbeits-
befreiung
umfaßt.
Erleichterung der Rückkehr ins Erwerbsleben
Die Mitgliedstaaten
22. werden den Frauen und Männern besondere Aufmerksamkeit widmen, die nach
einer Unterbrechung ins Arbeitsleben zurückkehren wollen, und in Hinblick darauf
prüfen, wie sich die Hindernisse, die dem im Wege stehen, schrittweise beseitigen
lassen.