4934/AB XX.GP

 

Auf die - aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit in Kopie beigeschlossene - schriftliche

parlamentarische Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen

vom 24.11.1998, Nr. 5220/J, betreffend Kontrollverweigerung der Koalitionsregierung;

Versagen der Bankenaufsicht, beehre ich mich folgendes mitzuteilen:

 

Zu 1. und 2.:

Nach § 69 Bankwesengesetz (BWG) hat der Bundesminister für Finanzen die Einhaltung der

Vorschriften des Bankwesengesetzes zu überwachen und dabei auf volkswirtschaftliche

Interessen an einem funktionsfähigen Bankwesen Bedacht zu nehmen.

Im Zusammenhang mit den unter Frage 2 genannten Banken wird von mir wie auch von

meinen Amtsvorgängern das Vorliegen jedweden Kontrollversagens entschieden in Abrede

gestellt.

 

Die Rössler Bank wurde, nachdem sie durch ein Versagen der Geschäftsführung in den

status cridae kam, still durch eine andere Bank aufgenommen. Die hiefür notwendige

Mithilfe der anderen Banken wurde von der Bankenaufsicht und der Oesterreichischen

Nationalbank organisiert und koordiniert.

 

Die Effect Invest (nunmehr Diskont Bank) wurde, nachdem sie ebenfalls durch ein

eindeutiges Mißmanagement der Geschäftsführung in den status cridae geriet, zunächst

unter die Aufsicht eines Regierungskommissärs gestellt. Durch dieses Aufsichtsinstrument

wurde es möglich, entsprechende Sanierungsbemühungen der Geschäftsleiter abzuwarten,

ohne eine zusätzliche Gläubigergefährdung entstehen zu lassen. Unter Mitwirkung aller

Gläubigerbanken kam es zu einem sogenannten “stillen Ausgleich” und in weiterer Folge zur

für den Weiterbetrieb ausreichenden Kapitalzufuhr. Als Verdachtsmomente auftraten, daß

dieses neue Geld aus kriminellen Quellen stammt (European Kings Club), untersagte der

Regierungskommissär der Bank bestimmte Geschäfte. Die Bank verhängte daraufhin über

den Regierungskommissär ein Hausverbot, worauf die Bankenaufsicht der Bank (befristet)

die Fortführung des Geschäftsbetriebes untersagte.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat die entsprechenden Maßnahmen der Bankenaufsicht jedoch

aufgehoben.

 

Hinsichtlich der BAWAG verweise ich auf die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage

Nr. 6564/J, vom 4. Mai 1994.

Die BHI war bis zuletzt keine besonders erfolgreiche Bank; eine Gläubigergefährdung war

jedoch aus vielen Gründen für keine der als Eigentümer oder Bankprüfer unmittelbar vor Ort

tätigen Personen erkennbar. Tatsächlich waren es kriminelle Handlungen der Geschäfts -

leiter, die bis zuletzt unentdeckt blieben, die für das wirtschaftliche Ende der BHI ausschlag -

gebend waren.

 

Im Fall der BHI ist ein Amtshaftungsprozeß gegen die Republik anhängig, der sich im

Stadium der Beweisaufnahme durch Sachverständige befindet. Die gerichtliche

Entscheidung ist nicht absehbar.

 

Die Rieger Bank ist, wie ich bereits mehrmals dargelegt habe, ein reiner Kriminalfall.

 

Zu 3.:

1980 wurde Univ.Prof. Kastner vom Bundesministerium für Finanzen mit der Erstattung

eines Gutachtens zur Amtshaftung im Bereich der Kreditwesengesetze beauftragt. Er zog

für die Herstellung dieses Gutachtens auch Univ.Prof. Dr. Doralt und Wirtschaftsprüfer

Dkfm. Paul Loebenstein hinzu. 1993 wurde Dkfm. Paul Loebenstein vom Bundesministerium

für Finanzen als Regierungskommissär bei der Effect Invest Bank eingesetzt. Zu diesem

Zeitpunkt war er noch nicht pensioniert. Die Zurücklegung seiner Berufsbefugnis fiel in eine

mehrmonatige Phase, in der die befristeten Aufsichtsmaßnahmen bei der Effect Invest immer

wieder verlängert werden mußten. Darüber hinausgehende Aufträge bzw. Konsultationen

sind nicht erfolgt.

Zu 4. und 10.:

Ein Auftrag im zivilrechtlichen Sinn wurde niemals erteilt. Die “aufgewendeten Mittel” sind

jene Kosten, die von der Bank zu tragen sind. Nur in einem Fall erfolgte eine Beauftragung,

bei der die Kosten von der Republik Österreich zu tragen waren. Es war dies die Sonder -

prüfung bei der Rieger Bank, die Rieger offenkundig schließlich zur Flucht veranlaßt hat.

 

Folgende Wirtschaftsprüfer wurden ab 1992 mit Bescheid zu Organen der Bankenaufsicht

ernannt:

 

1993:    WP Dkfm. Paul Loebenstein als Regierungskommissär bei der Rössler Bank;

             Kosten: keine

1994:    WP Dkfm. Paul Loebenstein als Regierungskommissär bei der Effect Invest Bank;

             Kosten: ATS 204.000,--

1994:    WP Prof. DDr. Neuner als Regierungskommissär bei der Effect Invest Bank;

             Kosten: ATS 1.270.005,--

1995:    WP Univ.Prof. Dr. Bertl als Regierungskommissär bei der BHI, Graz;

             Kosten: keine

1998:    Europa Treuhand Ernst & Young als Sonderprüfer bei der Reger Bank;

             Kosten: ATS 1.162.453,80

1998:    WP Dkfm. Dr. Bock als Regierungskommissär bei der Rieger Bank;

             Kosten: ATS 453.082,80

1998:    WP Dkfm. Dr. Bock als Regierungskommissär bei der Diskont Bank;

             Kosten: noch nicht abgerechnet.

 

Zu 5.:

Wie bereits zu Frage 4 ausgeführt, handelt es sich um bescheidmäßige Bestellungen, für die

eine Ausschreibung nicht vorgesehen ist. Soweit Regierungskommissäre zu bestellen sind,

haben seit 1994 der österreichische Rechtsanwaltskammertag und die Kammer der

Wirtschaftstreuhänder Meldungen über geeignete Regierungskommissäre abzugeben. Von

der im Gesetz ebenfalls vorgesehenen Möglichkeit, vorläufig einen Beamten oder Vertrags -

bediensteten des Bundesministeriums für Finanzen zu bestellen, wurde nie Gebrauch

gemacht.

 

Zu 6.:

Sollten Unvereinbarkeiten bestehen, so ist der jeweils in Aussicht genommene Regierungs -

kommissär nach seinen Berufs - und Standesregeln verpflichtet, dies mitzuteilen. Die bisher

bestellten Regierungskommissäre haben dem Bundesministerium für Finanzen keine

Unvereinbarkeit gemeldet. Mir ist auch nichts über solche Unvereinbarkeiten bekannt.

 

Zu 7.:

Diese Frage kann ich, da das Bundesministerium für Finanzen über keine diesbezüglichen

Unterlagen verfügt, nicht beantworten.

 

Zu 8.:

Ich habe keine Anhaltspunkte dafür, daß im Zusammenhang mit der Bestellung von

Regierungskommissären Amtsmißbrauch begangen wurde.

 

Zu 9.:

Die Bankenaufsicht hat nach bestem Wissen und Gewissen im Rahmen der gesetzlichen

Möglichkeiten gehandelt. Mein Vertrauen in meine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der

Bankenaufsicht ist in keiner Weise beeinträchtigt. Das gilt selbstverständlich auch für den

Leiter der Sektion V, Sektionschef Dr. Anton Stanzel, zu dessen Sektion die Aufgaben -

bereiche Banken - und Versicherungsaufsicht, Exportförderung und verschiedene weitere

Kompetenzen wie die Glückspielaufsicht zählen.

 

Zu 11.:

Die weitere Geschichte der Effect Invest (später Diskont Bank) beweist eindrucksvoll, daß

die im Jahr 1994 getroffenen Entscheidungen der Bankenaufsicht im Bundesministerium für

Finanzen, die vom Verwaltungsgerichtshof (großteils aus verfahrensrechtlichen

Überlegungen) behoben wurden, dem Grunde nach richtig waren. Erkenntnisse von

Höchstgerichten entscheiden strittige Rechtsfragen und sind nicht als Kritik zu verstehen.

 

Zu 12.:

Ich sehe keinen Zusammenhang zwischen dem tragischen Ende von Mag. Praschak und

der Rieger Bank.

 

Zu 13. - 16.:

Es bleibt den Antragstellern überlassen, den Kriminalfall Rieger und den damit zusammen -

hängenden Zusammenbruch der Diskont Bank mit der Bezeichnung zu versehen, “daß

Finanzskandale fröhliche Urständ feiern”. Ich halte diese Aussage für falsch und gefährlich.

Falsch, weil es sich um keinen Finanzskandal handelt. Ich möchte noch einmal mit aller

Deutlichkeit feststellen, daß es sich beim Fall Rieger Bank um einen Kriminalfall handelt, der

keineswegs dazu geeignet ist, Rückschlüsse auf die gesamte österreichische

Bankenlandschaft zuzulassen.

Die Aussage ist auch gefährlich, weil weder in den sonstigen EU - Mitgliedstaaten noch in

Drittländern bei derartigen Vorkommnissen und noch lange, bevor die eigentlichen Ursachen

gefunden wurden, von "Finanzskandalen" gesprochen wird. Der von den Antragstellern

angesprochene internationale Vertrauensverlust ist daher auch weder eingetreten noch zu

befürchten. Denn die internationalen Finanzmärkte haben ein gesundes Augenmaß für

Quantität und Qualität derartiger Vorkommnisse.

 

Dennoch werden wir aufgrund der aktuellen Ereignisse die bereits Anfang 1998 begonnenen

Arbeiten zur Reform der Bankenaufsicht beschleunigen, weil es wichtig ist, auch im Bereich

der vertrauensbildenden Maßnahmen deutlich zu signalisieren, daß das System der

Bankenaufsicht entsprechend angepaßt werden muß, wenngleich die wahren Ursachen im

Fall Rieger ja erst durch Gerichtsverfahren festgestellt werden müssen.