495/AB
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 478/J-NR/96
betreffend die Behindertenfeindlichkeit des österreichischen
Schulsystems, die die Abgeordneten Maria Schaffenrath und
PartnerInnen am 25. April 1996 an mich richteten, wird wie
folgt beantwortet :
1 . Halten Sie die Praxis einer Abstimmung unter den Erziehungs-
berechtigten der Mitschü1erInnen über die weiterführende
Integration an der Sekundarstufe I für sinnvoll?
2 . Eltern aus dieser Klasse wissen zu berichten, daß dem
betroffenen Kind von anderen Schülern gesagt wurde: ''Ätsch,
meine Eltern unterschreiben nicht, dann kannst Du nicht mit
auf die Hauptschule gehen! '' Halten Sie gesetzliche Bestim-
mungen, die solche Grausamkeiten ermöglichen, für legitim?
Antwort:
Für die Schulversuche zum gemeinsamen Unterricht behinderter
oder nichtbehinderter Kinder gilt § 131a des Schulorganisa-
tionsgesetzes, wonach § 7 Abs. 5a betreffend die Abstimmung bei
Erziehungsberechtigten und Lehrer vor der Durchführung des
Schulversuches keine Anwendung findet. Dies war der ausdrück-
liche Wille des Nationalrates bei der Schaffung der diesbezüg-
lichen Schulversuchsbestimmungen.
3 . Wie gedenken Sie diese Bestimmung mit Zielrichtung einer
menschenwürdigen Praxis zu verändern?
Antwort :
Durch die vorgesehene Überführung der Schulversuche in das Rege
scnulwesen ab dem kommenden Schulj ahr im Bereich der Sekundar-
stufe I werden die bisherigen Schwierigkeiten bereinigt .
4 . In der ÖVP-Klub-internen ''Erfolgsbilanz'' zur XVIII . Gesetz-
gebungsperiode vom Sommer 1994 stand unter dem Titel : ''ÖVP-
Erfolg'' zu lesen : ''Keine Integration geistig behinderter
Kinder in die AHS , sinnvolle Integration behinderter Kinder
in die Volks- und Sonderschule'' . Sehen Sie die oben aufge-
zeigte Praxis des Mehrheitsbeschlusses über schulische Aus-
bildungschancen von Kindern mit Integrationsbedarf als Aus-
druck dieser Art von Erfolgsbilanzierungen?
An-wort :
Die in Vorbereitung stehenden Entwürfe ermöglichen den
gemeinsamen Unterricht von Kindern mit sonderpädagogischem
Fcrderbedarf und Kindern, die diesen besonderen Förderbedarf
nicht benötigen, gleichermaßen für die Hauptschule und die
Unterstufe der allgemeinbildenden höheren Schulen.
5 . Welche Schritte werden Sie in den nächsten Monaten setzen ,
um eine demokratische Integration von SchülerInnen in allen
Schultypen der Sekundarstufe I zu gewährleisten?
Antwort :
Die im Zusammenhang mit der Fortsetzung der Integration auf der
Sekundarstufe I vorgesehenen Gesetzesentwürfe sind bereits dem
Begutachtungsverfahren zugeführt worden.
6. In einem vor kurzem kursierenden Referentenentwurf aus
Ihrem Ministerium uber eine Neuregelung der Integration
behinderter SchülerInnen im Sekundarbereich werden
Vorschläge gemacht, die eine soziale Integration an das
Vorhandensein nicht präzise definierter ''Möglichkeiten''
koppeln. Halten Sie Integration in alle Schulstufen für
eine ''Gnade'' , die ''nach Möglichkeit'' zu gewährleisten ist,
oder für ein Grundrecht und eine unbedingte Verpflichtung
eines demokratischen Staates?
Antwort :
Die Integration behinderter SchülerInnen im Sekundarbereich ist
keine Frage der ',Gnade'' ; allerdings müssen die Rahmenbedingunge
für die Durchführung der Integration erfüllt werden. Die
konkrete Durchführung der sozialen Integration wird eine Heraus
forderung für alle an der Gestaltung der Bildungspolitik Betei-
ligten darstellen und vielfacher individueller Motivationsmaß-
nahmen bedürfen.
7 . Im angesprochenen Referentenentwurf werden die zu erwarten-
den Kosten von öS 200 bis 400 Millionen für die Integration
in die Sekundarstufe I als mögliche Erschwernis für die
rasche Umsetzung genannt. Wie stehen Sie zur ''Güterabwägung''
zwischen der Aufwendung von ca. 0 ,5% des jährlichen Unter-
richtsbudgets und dem Ziel einer Verwirklichung des demokra-
tischen Grund- und Menschenrechtes auf soziale Integration
in allen Schulstufen?
Antwort :
Die nunmehr berechneten Kosten werden voraussichtlich 315 Mio.S
betragen, wobei im Hinblick auf die angespannte Budgetsituation
im Unterrichtsbereich zu hoffen ist, daß diese vom Standpunkt
des Gesamtbudgets geringfügigen Mittel dem Unterrichtsressort
zusätzlich zur Verfügung gestellt werden.
In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß eine gute
Betreuung behinderter Menschen nicht allein eine Aufgabe des
Bildungswesens ist .
8 . Bitte geben Sie uns einen zeitlichen Überblick über die von
Ihrem Ressort geplanten Schritte der legistischen Umsetzung
der schulischen Integration in die Sekundarstufe I .
Antwort :
Die Entwürfe im Zusammenhang mit der Fortsetzung der Integra-
tion werden gleichzeitig mit der Einleitung des Begutachtungs-
verfahrens der Kanzlei des Nationalrates übermittelt; nach
Abschluß des Begutachtungsverfahrens im Frühherbst 1996 wird
die legistische Endfassung für die Vorlage im Nationalrat
vorbereitet werden.