4980/AB XX.GP
Die Abgeordneten Kiss, Platter und Kollegen haben am 26. November 1998 unter der Nr.
5232/J an mich eine schriftliche parlamentarische Antrage betreffend "Vorgangsweise der
Behörde im Zusammenhang mit dem tragischen Amoklauf Aspang II” gerichtet, die
folgenden Wortlaut hat:
1. Wie lauten die Anzeigen der Nachbarin an den GP Aspang im Detail?
2. Wie können Erhebungen über einen angeblichen Waffengebrauch ohne Ergebnis bleiben,
wenn eine illegale Verwendung von Waffen allgemein und offenbar auch
Exekutivbeamten bekannt war?
3. Warum wurde das Inkrafttreten des Waffengesetzes nicht schon allein auf Grund der
gegebenen Verdachtslage sofort zum Anlaß einer Überprüfung einschließlich einer
Verläßlichkeitsprüfung genommen?
4. Wieso wurde nicht insbesondere die Mutter des Siegfried Schabauer einer Kontrolle
unterzogen, nachdem offenbar in Aspang allgemein bekannt war, daß die
Waffenbesitzkarte seiner Mutter nur Vorwand für den Besitz von Waffen durch Siegfried
Schabauer selbst war?
5. Wie sich aus der Anfragebeantwortung ergibt, gab es bereits 1995 Hinweise bei der
Behörde auf eine mangelnde Verwahrung der Waffen durch die Mutter des Siegfried
Schabauer. Wieso sind diese Hinweise der Behörde nicht bekannt bzw. warum wurden
sie von dieser nicht ernst genommen?
6. Sie berufen sich darauf, daß ein vorläufiges Waffenverbot nur bei Gefahr im Verzug
möglich ist. Wieso liegt eine solche ihrer Meinung nicht vor, wenn jemand, ohne im
Besitz einer Berechtigung zu sein, mit einer Waffe schießt? Wäre die Gefahr unter
Beachtung der in Aspang allgemein bekannten Umstände - auch bei einer ex ante
Betrachtung nicht schon früher zu bejahen gewesen?
7. Wieso beharren Sie weiterhin auf einer Gesetzesänderung, wenn doch alle Umstände des
Falles beweisen, daß ein konsequenter Vollzug des bestehenden Gesetzes durchaus zur
Verhinderung des
Vorfalls von Aspang ausgereicht hätte?
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu Frage 1:
Am 29. Juli 1998 erstatteten August BAUMGARTNER, Alfred BÜRGER und
Johann RUSCHIL persönlich Anzeige auf dem Gendarmerieposten Aspang und führten
folgendes aus:
August BAUMGARTNER: “Am Samstag, den 25. Juni 1998, gegen 11.45 Uhr, habe ich
beim Haus Streicharbeiten durchgeführt. Plötzlich hörte ich einen Schuss von
offensichtlich einem Gewehr oder Karabiner. Mir ist schon seit längerer Zeit bekannt, dass
Siegfried SCHABAUER Waffen besitzt und auch im Garten etc. umherschießt. Die
Nachbarn haben alle Angst und es getraut sich niemand eine Anzeige zu machen Auch die
Gendarmerie war schon einige Male bei SCHABAUER und musste einschreiten. Mir war
es jetzt zu dumm und ich ging zum Haus der Familie SCHABAUER. Ich merkte schon beim
Hineingehen den Pulvergeruch. Ich kenne den Geruch, da auch ich beim Bundesheer war.
Die Eingangstür von der Andreas - Hoferstraße war offen. Ich sah jedoch noch niemand.
Dann ging ich in die Hammergasse, die Seitengasse (Eckhaus) wo noch die Hühner im
Gatter umherflatterten und offensichtlich verschreckt waren. Da niemand zu sehen war,
ging ich wieder in Richtung meines Wohnhauses. Als ich etwa 40 Meter entfernt war, sah
ich Siegfried SCHABAUER, als er beim vorderen Eingang herauskam. Ich drehte mich um
und fragte SCHABAUER, ob er einen Schuss gehört hat. Er sagte. “Ja, beim
REICHMANN habens geschossen”. Erst jetzt merkte ich, dass Siegfried SCHABAUER
ziemlich betrunken war, da er wankte und auch rote Augen hatte. Ich sagte zu ihm: "Das
war nicht beim REICHMANN, sondern hier in der Nähe." Er sagte, dass er von der
Pferdekoppel kam. Dies stimmte jedoch nicht, da ich ja in der Hammergasse war und ihn
hätte sehen müssen. Ich sagte zu SCHABAUER, dass ich, sobald noch einmal geschossen
wird, die Anzeige bei der Gendarmerie mache. Mir ist bekannt, dass SCHABAUER
Siegfried ein Waffenverbot hat. Wie gesagt, gesehen habe ich SCHABAUER nicht, dass er
eventuell eine Waffe in der Hand gehabt hätte.
Alfred BÜRGER: “Am 22. Juli 1998, gegen ca. 19.00 (Uhr hörte ich aus Richtung
unseres Nachbarhauses SCHABAUER insgesamt vier Schüsse aus einer Waffe, am Freitag,
den 24. Juli 1998, um ca. 16.00 Uhr, drei Schüsse und am Samstag (25. Juli 1998), um ca.
11.30 Uhr, einen Schuss aus einer Schusswaffe. Als Schütze vermute ich Siegfried
SCHABAUER aus der Andreas Hoferstraße. Vor längerer Zeit, das Datum ist mir jetzt
nicht mehr bekannt, sah ich Siegfried SCHABAUER, wie er mit einer Langwaffe vor das
Haus ging und damit in Anschlag ging bzw.
ein Ziel anvisierte. Geschossen hat er damals
nicht. Siegfried SCHABAUER ist, wenn er alkoholisiert ist, unberechenbar und ich fühle
mich, sowie meine Nachbarn auch, in meiner Sicherheit gefährdet.”
Johann RUSCHIL: “Am 22. Juli 1998, um ca. 19.00 Uhr, hörte ich aus Richtung unseres
Nachbarhauses SCHABAUER vier Schüsse aus einer Waffe, am Freitag (24. Juli 1998), um
ca 16.00 Uhr, drei Schüsse und am Samstag (25. Juli 1998), um ca. 11.30 Uhr, einen
Schuss aus einer Schusswaffe. Als Schütze vermute ich den Nachbarsohn Siegfried
SCHABAUER. Glaublich Ende September 1997 hörte ich Schüsse bei SCHABAUER.
Gleich darauf sprang Herr SCHABAUER (Vater des Siegfried SCHABAUER) über
unseren Zaun und schrie zu mir: “RUSCHIL renn davon, der Siegfried erschießt uns!” Ich
rief die Gendarmerie, die die weiteren Erhebungen durchführte. Am vorigen Mittwoch, als
die vier Schüsse fielen, sah ich den Vater des Siegfried SCHABAUER auf dem Grundstück
zwischen seinem Haus und dem Haus KUDERNATSCH in Deckung gehen und später über
den Zaun in Richtung KUDERNATSCH flüchten. Ich fühle mich in meiner Sicherheit
gefährdet.”
Zu Frage 2:
Unter Hinweis auf die Beantwortung der Anfrage 4843/J kann ich hier nur
wiederholen, dass der Bericht des Gendarmeriepostens Aspang vom 29. Juli 1998 am
Folgetag bei der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen einlangte, die unverzüglich ein
Verfahren zur Erlassung eines Waffenverbotes gegen Siegfried SCHABAUER und eines zur
Entziehung der Waffenbesitzkarte gegen dessen Mutter eingeleitet hat.
Zu Frage 3:
Das Inkrafttreten eines neuen Gesetzes bietet grundsätzlich - soweit nicht gesondert
angeordnet - keinen unmittelbaren Anlass, Maßnahmen gegen bestimmte Menschen zu
ergreifen. Darüber hinaus brachte das Waffengesetz 1996 in den hier maßgeblichen Punkten
Verläßlichkeit und Erlassung eines Waffenverbotes, gegenüber dem bis dahin geltenden
Waffengesetz 1986 nur zwei wesentliche Änderungen: Für die Verlässlichkeitsprüfung
wurde neu vorgesehen, dass bei erstmaliger Ausstellung eines Waffenpasses oder einer
Waffenbesitzkarte der Antragsteller ein Gutachten beizubringen hat, das Aufschluss über
seine Verlässlichkeit auch in Stresssituationen gibt. Im Bereich der Erlassung eines
Waffenverbotes kam es nur insoweit zu einer Änderung, als an die Abnahme von
Schusswaffen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes wegen Gefahr im Verzug,
von gesetzeswegen ein mit vier Wochen
befristetes Waffenverbot geknüpft wurde.
Zu Frage 4:
Die waffenrechtliche Verlässlichkeit von Berta SCHABAUER wurde zuletzt 1997
überprüft. Der dazu vom Gendarmerieposten Aspang verfasste Bericht attestierte unter
anderem auch, dass die Waffen sorgfältig verwahrt waren.
Mitteilungen über Tatsachen, die die Verlässlichkeit von Berta
SCHABAUER nachhaltig in Zweifel zogen, gingen der Behörde erst Ende Juli 1998 zu, die
schließlich auch zur Einleitung eines Verfahrens Anlaß gaben.
Zu Frage 5:
Meine Ausführungen in Beantwortung der Anfrage Nr. 4843/J lauteten in diesem
Punkt:
“Am 2. Juli 1995 erstattete der Gendarmerieposten Aspang gegen Siegfried SCHABAUER
wegen des Verdachtes von Übertretungen nach dem Niederösterreichischen
Polizeistrafgesetz und dem Pyrotechnikgesetz eine Anzeige an die Bezirkshauptmannschaft
Neunkirchen. In dieser Anzeige wird ausgeführt:
"Verläßlichkeit: Durch das vorangeführte Verhalten des Siegfried SCHABAUER in
alkoholisiertem Zustand scheint die Verläßlichkeit zum Besitz von Faustfeuerwaffen
und zum Besitz einer Waffenbesitzkarte nicht mehr gegeben. Weiters wurde er
bereits zweimal wegen schwerer Körperverletzung (Angriff auf Beamte) gerichtlich
verurteilt.
Berta SCHABAUER besitzt ebenfalls eine Waffenbesitzkarte. Da sie die
angeführten Aktivitäten ihres Sohnes unterstützt, erscheint bei ihr ebenfalls die
Verläßlichkeit nicht gegeben.”
Dass Berta SCHABAUER die Waffen nicht sorgfältig verwahrt hätte, ging demnach
aus der vom Gendarmerieposten am 2. Juli 1995 erstatteten Anzeige gegen Siegfried
SCHABAUER nicht hervor. Es wurde deren Verlässlichkeit nur deshalb in Zweifel
gezogen, weil sie die Aktivitäten des
Sohnes unterstützt.
Zu den Fragen 6 und 7:
Ein Waffenverbot gemäß § 13 WaffG tritt von gesetzeswegen nur dann ein, wenn
Schußwaffen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes - wegen Gefahr im Verzug -
sichergestellt werden. Das heißt, dass Umstände vorliegen müssen, die bei Unterlassung der
Sicherstellung eine Gefährdung von Leben, Gesundheit oder Freiheit unmittelbar
befürchten lassen. Wie sich aus den Anzeigen der Anrainer ergab, lagen die maßgeblichen
Vorfälle jedoch bereits mehrere Tage zurück, sodass die Annahme der
Gendarmeriebeamten, dass daher keine Gefahr im Verzug - im Sinne einer unmittelbaren
Bedrohung - vorliege, zumindest nachvollziehbar erscheint. Mag zulässiger Weise davon
ausgegangen werden können, dass die Voraussetzungen zur sofortigen Sicherstellung der
Waffen auch noch später - zum Zeitpunkt der Anzeigeerstattung - vorlagen, bringt dennoch
erst das Wissen um die darauf folgenden Geschehnisse letztlich Gewissheit, dass das von
Siegfried SCHABAUER ausgehende Gefahrenpotential unrichtig eingeschätzt wurde.
Gerade Fälle wie dieser zeigen, dass waffenrechtliche Regelungen, die nicht bei einer
Einschränkung des Zugangs zu Schusswaffen ansetzen, in weiten Bereichen an der
Zielsetzung, solche Taten zu verhindern, vorbeigehen. Selbstverständlich sind Vorschriften,
die auf eine Intensivierung der Kontrolle der Besitzer abstellen, wichtige Schritte zu mehr
Sicherheit, doch sollte nicht übersehen werden, dass eine noch so intensive und sorgfältige
Kontrolle bereits bestehenden Besitzes nie jenen Grad an Prävention im Interesse der
Sicherheit bieten kann, den eine Regelung erreicht, die bereits der Entstehung dieses
Besitzes entgegenwirkt.