4985/AB XX.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Haider und Kollegen haben am
26. November 1998 unter der Nr. 5261/J an mich eine schriftliche
parlamentarische Anfrage betreffend Problembereiche des Vergabe -
verfahrens gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zunächst einige grundsätzliche Anmerkungen:
Gemäß Art. 52 Abs. 1 B -VG ist der Nationalrat befugt, die Geschäftsführung
der Bundesregierung zu überprüfen, deren Mitglieder über alle Gegenstände
der Vollziehung zu befragen und alle einschlägigen Auskünfte zu verlangen.
Aus Artikel 23 d Abs. 5 B -VG folgt der Grundsatz, daß die Umsetzung von
Gemeinschaftsrecht, insbesondere die Erlassung der zur Ausführung von
Richtlinien erforderlichen Gesetze, jeweils jener Gebietskörperschaft obliegt,
die aufgrund der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung für die betreffende
Materie zuständig ist. Die
verfassungsrechtliche Zuständigkeitsverteilung im
Verhältnis zwischen Bund und Ländern hat durch den Beitritt zur EU diesbe -
züglich keine Änderung erfahren. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkennt -
nis vom 7. Oktober 1998, B 2103/97, festgestellt, daß die Kompetenzen zur
Gesetzgebung und Vollziehung bei der Regelung des Vergaberechts zwischen
Bund und Ländern geteilt sind.
Gemäß § 91 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Nationalrates ergibt sich, daß
eine Beantwortung der Anfrage dann entfällt, wenn diese nicht möglich ist. In
der von den Abgeordneten eingebrachten Anfrage wird nicht näher differen -
ziert, ob sich die gestellten Anfragen auf den Bereich der Bundesvollziehung
beziehen oder auch den Landesbereich betreffen. Aus dem Wortlaut der Frage
6 ist zu erschließen, daß sich zumindest diese Frage (teilweise) auf einen Be -
reich der Landesvollziehung bezieht, da allein in diesem Bereich der "UVS"
als Nachprüfungsorgan eingerichtet wurde. Soweit daher die Anfrage den
Bereich der Landesvollziehung betrifft, ersuche ich um Verständnis, daß mir
eine Beantwortung nicht möglich ist.
Zu Frage 1:
Aus dem in § 16 Abs. 1 des Bundesvergabegesetzes verankerten Grundsatz
des freien und lauteren Wettbewerbes und der Gleichbehandlung aller Bieter
folgt, daß auch im Verhandlungsverfahren ein reines Preisverhandeln ohne
gleichzeitige Angebotsoptimierung unzulässig ist. Preisverhandlungen (plus
oder minus) sind daher nur dann zulässig, wenn sie durch inhaltliche Änderun -
gen des Angebotes indiziert sind. Das bloße Preisverhandeln ist auch nicht
unter dem Prätext zulässig, daß mit allen - und nicht bloß mit einem einzelnen
oder einigen - Bietern verhandelt wird. In der Regel verstößt das bloße Preis -
verhandeln ferner gegen den ebenfalls in § 16 Abs. 1 des Bundesvergabe -
gesetzes verankerten Grundsatz der Vergabe
zu angemessenen Preisen.
Zu Frage 2:
Aus dem bereits erwähnten Grundsatz der Gleichbehandlung aller Bewerber
und Bieter folgt, daß der Auftraggeber bei der in der Frage erwähnten Fall -
konstellation allen anderen Bietern die Möglichkeit einräumen muß, ihre
Angebote unter der Voraussetzung der erwähnten Haftungserklärung zu
überarbeiten. Dies wurde ebenfalls bereits vom EuGH im Erkenntnis in
der Rs C - 243189, Storebaelt, Slg 1993,1 - 3353, festgestellt.
Zu Frage 3:
Aus dem bereits erwähnten Grundsatz der Gleichbehandlung aller Bewerber
und Bieter sowie aus dem Grundsatz der Transparenz des Vergabeverfahrens
folgt, daß der Auftraggeber die ,,Vergabekriterien”” (gemeint sind wohl die Zu -
schlagskriterien) a priori festzulegen und bekanntzumachen hat. Das Bundes -
vergabegesetz enthält daher auch eine explizite Verpflichtung in § 29 Abs. 4,
wonach der öffentliche Auftraggeber in den Ausschreibungsunterlagen oder in
der Bekanntmachung alle Zuschlagskriterien, deren Verwendung er vorsieht,
grundsätzlich in der Reihenfolge der ihnen zuerkannten Bedeutung anzugeben
hat.
Zu Frage 4:
Wie die Europäische Kommission bereits mehrfach festgehalten hat, sind
Eignungskriterien und Zuschlagskriterien strikt zu trennen. Von diesem
Grundsatz geht auch das Bundesvergabegesetz aus. Eine doppelte"
Berücksichtigung der Kriterien wäre daher unzulässig.
Zu Frage 5:
Gemäß § 16 Abs.4 des Bundesvergabegesetzes sind Unternehmen, die
an den Vorarbeiten für eine
Ausschreibung unmittelbar oder mittelbar
beteiligt sind, sowie mit diesen verbundene Unternehmen, von der Teil -
nahme an einem Vergabeverfahren auszuschließen, es sei denn, daß auf
deren Beteiligung in begründeten Sonderfällen nicht verzichtet werden
kann. Diese Bestimmung wird in Zweifelsfällen immer dann hart auszu -
legen sein, wenn der mögliche Bieter durch seine Teilnahme bzw. durch
die Teilnahme seiner Konzernunternehmung an den Vorarbeiten einen
Wettbewerbsvorteil lukrieren kann. Zur Erfüllung des Tatbestandes ist
daher neben dem bloßen Sachverhalt der Beteiligung auch das Vorliegen
einer objektiven Wettbewerbsbeeinträchtigung durch die Beteiligung eines
Unternehmens an den Vorarbeiten einer Ausschreibung erforderlich. Der
Grundsatz geht vom Regelfall aus, daß die Beteiligung eines Unterneh -
mens an den Vorarbeiten zu einer Ausschreibung üblicherweise Wettbe -
werbsvorteile auslöst. Die Ausnahmebestimmung des letzten Haibsatzes
ist restriktiv auszulegen und die Beweislast zur Rechtfertigung deren
Inanspruchnahme trifft den Auftraggeber.
Zur Frage 6:
Der oftmalige zeitliche Zusammenfall von Zuschlagsentscheidung des Auftrag -
gebers und Vertragsabschluß ist derzeit Gegenstand eines österreichischen
Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH (Rs C - 81/98). Bis zu einer
anderslautenden Entscheidung des Gerichtshofes gehe ich davon aus, daß die
Rechtslage nach dem Bundesvergabegesetz gemeinschaftsrechtskonform ist.
Der restliche Teil der Frage betrifft keinen Gegenstand der Vollziehung des
Bundeskanzlers. Ich ersuche um Verständnis, daß mir eine diesbezügliche
Beantwortung daher nicht möglich ist.