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Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Stoisits, Freundinnen und Freunde haben am 24. April
1996 unter der Nr. 470/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend Finanzie-
rung eines Denkmales für die deutsche Wehrmacht im Dritten Reich durch die Bundesregierung und
die Teilnahme von österreichischen Bundesheerangehörigen an der Einweihung des Denkmales in
Wolgograd gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:
" 1 . Welche Mittel hat das Bundeskanzleramt für das ''Denkmal" und die Errichtungsveranstaltung
bisher ausgegeben, welche weiteren Ausgaben sind zu erwarten?
2. Was werden Sie unternehmen, um die Teilnahme einer offiiziellen "Abordnung" des Bundes -
heeres an der Errichtung des "Denkmales" für die 6. Armee der deutschen Wehrmacht in
Rußland zu verhindern?
3. Weshalb sollen Bundesheerangehörige des demokratischen Österreich an der Aufstellung eines
"Denkmales" für die 6. Armee der deutschen Wehrmacht teilnehmen, dessen Intuition ganz
sicher nicht eine Entschuldigung für den Angriffskrieg, den zerstörerisehen Eroberungsfeldzug
und die nachgewiesenen Verbreehen der Wehrmacht ist?
4. Werden Sie dafür sorgen, daß auf die Gedenktafeln am Dokument eine Entschuldigung für die
Beteiligung österreichischer Soldaten am Angriffskrieg der 6. Armee, am zerstörerischen Erobe-
rungsfeldzug und an den nachgewiesenen Verbrechen der Wehrmacht aufgenommen wird?
a) wenn nein, bestreiten Sie diese Tatsachen?
5. Woran wollen Österreicher die Wolgograder Bevölkerung mit dem geplanten Denkmal wirklich
gemahnen?
6. Verstehen Sie, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, das österreichische Bundesheer als Traditions-
nachfolger der 6. Armee der deutschen Wehrmacht des Dritten Reiches oder der österreichischen
Widerstandsbewegung gegen das Dritte Reieh?
7. Wie beurteilen Sie die Distanzierung deutscher Stellen von dem Denkmalsprojekt und den Um-
stand, daß damit ausschließlich das österreichische Bundesheer die Tradition der 6. Armee der
deutschen Wehrmacht hochhält?
8. Welche Mittel werden seitens des Bundeskanzleramtes für sinnvollere Projekte der Versöhnung
ausgegeben, wie zum Beispiel
a) für Jugendaustauschprogramme zwischen Nachkommen der österreichischen und ehemals
sowjetischen Soldaten?
b) für gemeinsame Forschungsprojekte?
c) für Kulturaustauschprogramme?
d) für Sozialinitiativen?
e) für die Initiierung von Städtepartnerschaften?
f) für sonstige Projekte?
9. Gedenken Sie in Hinkunft derartige Projekte zu initiieren und zu unterstützen?"
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Einleitend ist zunächst festzuhalten, daß meine politische Tätigkeit bisher unter anderem von dem
Bemühen geprägt war, die Rolle Österreichs und die einzelner Österreicher während der Nazizeit so
darzustellen, daß man nicht von einer Verdrängung der Schattenseiten unserer Vergangenheit
sprechen kann. Dazu gehört auch, offen auszusprechen, was war und auch die Konsequenzen daraus
zu ziehen. Die Einrichtung eines Nationalfonds für die Opfer des Nationalsozialismus, die
Neuformulierung des Wiederbetätigungsgesetzes, die dieses auch tatsächlich anwendbar machte, die
Organisierung eines umfangreichen Besuchsprogramms für die Vertriebenen oder nicht zuletzt die
Normalisierung des VerhäItnisses zwischen Östereich und Israel sind Ergebnisse dieser Politik, die
auch im Parlament Unterstützung gefunden hat.
Ich bin in diesem Geist auch der Einladung gefolgt, einem Personenkomitee beizutreten, dessen Ziel
es war, mit einem Mahnmal einen Akt des Gedenkens an die unzähligen bei Stalingrad Verstor-
benen, Getöteten und Gefallenen zu setzen - Soldaten wie aueh Frauen und Männer aus der Zivil-
bevölkerung. Die Idee für eine solches Mahnmal wurde auch dadurch noch verstärkt, daß es mit
Sozialprojekten und Austauschprogrammen für die Region um Wolgograd kombiniert ist und somit
Versöhnung und Verständigung im Vordergrund stehen.
Diese Gedanken haben mich bewogen, gemeinsam mit Regierungskollegen, den Landeshauptmän-
nern, Vertretern der Kirche, Künstlern, Managern und vielen anderen Persönliehkeiten des öffent-
lichen Lebens das Vorhaben zu unterstützen, das mir durchaus geeignet erscheint, ein Symbol der
Versöhnung und des Gedenkens zu werden.
Zu Frage1 :
Die österreichische Bundesregierung hat im April 1993 beschlossen, das Vorhaben des
Österreichischen Schwarzen Kreuzes, ein Mahnmal sowie eine Friedhofsanlage im Raum
Wolgograd zu errichten, mit 2,5 Millionen Schilling zu unterstützen.
Der genannte Betrag wurde im Juni l993 auf die Bankverbindung des Personenkomitees "50 Jahre
Stalingrad" (Österreichisches Schwarzes Kreuz - Kriegsgräberfürsorge) überwiesen. Weitere Aus-
gaben zum Gegenstand sind nicht zu erwarten.
Zu den Fragen 2. 3. 4. 6 und 7:
Gemäß Art. 52 Abs. 1 B-VG sind der Nationalrat und der Bundesrat befugt, die Geschäftsführung
der Bundesregierung zu überprüfen, deren Mitglieder über alle Gegenstände der Vollziehung zu
befragen und alle einschlägigen Auskünfte zu verlangen. Unter dem Begriff ''alle Gegenstände der
Vollziehung" sind mit § 90 des Geschäftsordnungsgesetzes 1975 "insbesondere Regierungsakte
sowie Angelegenheiten der behördlichen Verwaltung oder Verwaltung des Bundes als Träger von
Privatrechten" zu verstehen.
Die Fragen 2, 3 , 4, 6 und 7 betreffen keinen Gegenstand der Vollziehung des Bundeskanzlers,
teilweise überhaupt keinen Gegenstand der Vollziehung. Ich ersuche daher um Verständnis dafür,
daß ich von einer Beantwortung dieser Fragen absehe, verweise gleichzeitig aber auf meine
einleitenden Bemerkungen zu dieser Anfragebeantwortung.
Zu Frage 5 :
Abgesehen davon, daß auch diese Frage keinen Gegenstand der Vollziehung des Bundeskanzlers
betrifft, weise ich darauf hin, daß der Text für die Inschrift des Mahnmals in Wolgograd wie folgt
lautet:
"Dieses DenkmaI ist allen Opfern der Schlacht um Stalingrad (1942/43) gewidmet: Es erinnert an
die Leiden der hier gefallenen Soldaten und die der Zivilbevölkerung. Für die hier Gefallenen und in
Gefangensehaft Verstorbenen aus allen Ländern erbitten wir den ewigen Frieden in russiseher Erde.
Dieses Mahnmal wurde aus Spenden der österreichischen Bevölkerung errichtet. Verein "Personen-
komitee 50 Jahre Stalingrad'' ; Österreichisches Schwarzes Kreuz "
Zu Frage 8:
Soweit diese Frage die Zuständigkeit meines Ressorts betrifft, halte ich fest: Das Bundeskanzleramt
hat der Russisehen Föderation seit 1990 Hilfe im Ausmaß von ca. 51 Millionen Schilling (exklusive
Denkmal Wolgograd) gewährt. Am Anfang stand die humanitäre Hilfe im Vordergrund, seit l992
werden vor allem Projekte der technischen bzw Wirtschaftshilfe fimanziert.
Beispiele für Projekte im Bereich der technischen bzw Wirtschaftshilfe sind etwa:
a) Studie zur Ausarbeitung von Vorschlägen hinsichtlich Produktion und Export von landwirtschaft-
lichen Produkten für die Republik Mari El;
b) Beratungsprojekt im Bereich Kühlungs- und Lagertechnologien betreffend verderbliche landwirt-
schaftliche Produkte;
c) Unterstützung beim Aufbau einer Datenbank mit dem Ziel der Erfassung russischer Technologien
für den Verkauf an westeuropäische Unternehmen;
d) Unterstützung für ein Heim für die Straßenjugend in Moskau.
Soweit die in dieser Frage aufgezählten Projekte den Zuständigkeitsbereich anderer Ressorts betref-
fen bzw - soweit Städtepartnerschaften angesprochen werden - nicht in den Vollziehungsbereich des
Bundes fallen, ersuche ich um Verständnis, daß ich von einer Beantwortung absehe.
Im übrigen verweise ich auf die einleitenden Bemerkungen zu dieser Anfragebeantwortung.
Zu Frage 9:
Die Frage der Unterstützung ähnlicher Projekte, wie jenes der Erriehtung eines Mahnmals, stellt sich
derzeit nicht.