509/AB
Auf die - aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit in Kopie beigeschlossene - schriftliche
parlamentarische Anfrage Nr. 481/J der Abgeordneten Dr. Karl Maitz und Kollegen vom
25. April 1996, betreffend die Bevorschussung des Schmerzengeldes für
Revlnsp Bernhard St., beehre ich mich folgendes mitzuteilen:
Zu 1 .:
Die Vollziehung des VVachebediensteten-Hilfeleistungsgesetzes (VVHG) 1992, welches die
Grundlage für besondere Hilfeleistungen an Wachebedienstete bildet, obliegt primär dem
Bundesministerium für lnneres. das lediglich bei der beabsichtigten Gewährung einer Hilfe-
leistung das Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Finanzen herzustellen hat
(§ 15 WHG). lch verweise daher auf die Beantwortung dieser Frage durch den Bundes-
minister für lnneres zur Anfrage Nr. 480/J.
Zu 2.:
Die vorläufige Übernahme von Ansprüchen durch den Bund gemäß § 9 VVHG im VVege einer
Vorschußleistung setzt voraus, daß einem VVachebediensteten oder dessen Hinterbliebenen
Aufwendungen erwachsen sind, die vom Täter zu ersetzen wären. VVie den Erläuterungen
und dem Bericht des Verfassungsausschusses zu § 9 VVHG entnommen werden kann, ist
bei der Leistung von Vorschüssen durch den Bund grundsätzlich davon auszugehen, daß
dem verletzten VVachebediensteten oder seinen Hinterbliebenen Heilungskosten, Bestat-
tungskosten sowie jenes Einkommen ersetzt werden soll, das ihm wegen der erlittenen Kör-
perverletzung oder Gesundheitsschädigung oder durch den Tod des Unterhaltspflichtigen
entgangen ist oder künftig entgeht. Den genannten Gesetzesmaterialien kann auch ent-
nommen werden, daß das WHG lediglich die Entschädigung wirtschaftlich schwacher
Personen bezweckt und der Bund bei der mit dem verletzten VVachebeamten oder den
Hinterbliebenen im Einzelfall zu treffenden Vereinbarung über die Vorschußhöhe weitgehend
auf deren persönliche, soziale und wirtschaftliche Verhältnisse Bedacht nehmen können soll.
Hingegen kommt dem Schmerzengeld nicht die Funktion des Ersatzes eines entgangenen
oder künftig entgehenden Einkommens zu, es dient ausschließlich der Abgeltung des Ge-
samtkomplexes der Schmerzempfindungen und dem Ausgleich der dadurch entstandenen
Unlustgefühle, keineswegs aber der wirtschaftlichen Absicherung. Die Bevorschussung von
Schmerzengeldansprüchen ist sohin vom Regelungszweck des WHG nicht umfaßt. Anzu-
merken ist: außerdem, daß auf Leistungen des Bundes gemäß § 9 VVHG kein Rechtsan-
spruch besteht. Zusätzlich verweise ich auf Punkt 4 meines Schreibens.
Zu 3.:
Das Bundesministerium für Finanzen hat davon Kenntnis, daß das Oberlandesgericht Linz in
einem am 4. April 1995 zu GZ. 12 R 63/94 ergangenen Berufungsurteil unter anderem über
die Ersatzansprüche zweier Gendarmeriebeamter gegen die Republik Österreich entschie-
den hat. Und zwar hat sich das Berufungsgericht nur mit der Höhe der Schmerzengeld-
forderungen befaßt, die wesentlichen Rechtsfragen (Anspruchsvoraussetzungen) wurden
hingegen vom Erstgericht geklärt.
a) Es ist nicht richtig, daß dieses Urteil eine Verpflichtung des Bundes nach dem WHG zur
Vorschußzahlung für Schmerzengeldforderungen vorsieht. Vielmehr wurde in diesem Ver-
fahren die Zahlungsverpflichtung des Bundes nach amtshaftungsrechtlichen Gesichts-
punkten für gegeben erachtet
b) Da sich die Zahlungsverpflichtung des Bundes in dem vom Oberlandesgericht Linz ent-
schiedenen Fall sohin auf ganz andere Rechtsgründe als das WHG stützt, kann in dem vor-
erwähnteri Berufungsurteil auch keinerlei Präjudiz für die Ansprüche des Revlnsp St. erblickt
werden.
Zu 4.:
Das Bundesministerium für lnneres ersuchte mit Geschäftsstücken vom 16. Jänner 1995 und
27. Februar 1995, einer Vorschußleistung gemäß § 9 Abs. 1 VVHG in Höhe von 502. 317 S
an Revlnsp St.. zuzustimmen. Dieser Bevorschussungsantrag basierte auf einem Urteil des
Landesgerichts für Zivilrechtssachen (LGZRS) Graz, in welchem der verletzte Polizeibeamte
von dem zu e;iner mehrjährigen Haftstrafe verurteilten Täter Schadenersatz, Verdienstent-
gang und Schmerzengeld zugesprochen bekam. Da aber irn obgenannten Betrag
Schmerzengeld von 300 000 S und 100 000 S als Feststellungsbegehren für künftige Folge-
schäden enthalten waren, stimmte das Bundesministerium für Finanzen mit Schreiben vom
8. März 1995 lediglich einer Vorschußgewährung von 102 317 S inkl. 4% Zinsen ab
1 . Jänner 1994 an Revlnsp St. unter der Voraussetzung zu, daß diese Leistung nicht durch
die gesetzliche Unfallversicherung gedeckt ist. ln der Erledigung des Bundesministeriums für
Finanzen an das Bundesministerium für lnneres wurde auch auf die allgemeine Schmerzen-
geldproblematik im Zusammenhang mit dem WHG eingegangen.
Zu 5.:
Wie bereits oben näher ausgeführt, wird Schmerzengeld nach einhelliger österreichischer
Verwaltungspraxis nicht bevorschußt.
Zu 6.:
Das WHG wurde im Jahr 1992 beschlossen, um primär den Forderungen einer besseren
Versorgung der Hinterbliebenen von im Dienst tödlich verunglückten Beamten Rechnung zu
tragen. VVeiters sollten mit diesem Gesetz jene Wachebeamten, die eine Körperverletzung
oder Gesundheitsschädigung in ihrer Dienstausübung erlitten haben, mit der vorläufigen
Übernahme von Ansprüchen gegen den Täter abgesichert werden. Es soll den Bedürftigen
rasch und unbürokratisch - als Überbrückung - geholfen werden, bis etwa die Leistungen der
gesetzlichen Unfallversicherung nach Abschluß der teils langwierigen Verwaltungsverfahren
greifen. Auch das Verbrechensopfergesetz (VOG), welches Vorbild für das VVHG war, kennt
die Bevorschussung von Schmerzengeldansprüchen nicht; dasselbe gilt im gesamten
Sozialversicherungsbereich. Mangels Versorgungscharakters der Schmerzengeldansprüche
besteht auch kein vordringliches rechtspolitisches lnteresse einer Bevorschussung derartiger
Ansprüche durch den Bund. Eine Änderung des § 9 VVHG in der in der Anfrage vor-
gesehenen Richtung ist daher nicht anzustreben.