5115/AB XX.GP
In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 5478/J betreffend System
der Streitschlichtung der Genfer Welthandelsorganisation, welche die Abgeordneten
Haigermoser, Povysil und Kollegen am 18 Dezember 1998 an mich richteten, stelle ich fest:
Antwort zu den Punkten 1 und 2 der Anfrage:
Zunächst ist festzuhalten, dass der als Anhang 2 zum WTO - Abkommen, BGBl. Nr. 1/1998,
eingeführte Streitbeilegungsmechanismus eine wesentliche Verbesserung gegenüber den im
Rahmen des GATT 1947 geltenden Regelungen darstellt.
Dieser neue integrierte Streitbeilegungsmechanismus der WTO baut auf den Erfahrungen mit
dem Vorläufersystem auf und verstärkt dessen Konzeption wesentlich. Auch weiterhin werden
mehrere Verfahrenstypen für die Streitbeilegung zur Verfügung gestellt, die teilweise
gleichzeitig oder alternativ und teilweise nacheinander angewendet werden können. Im
Zentrum steht das
Panel - Verfahren, in dem die wesentlichen Verfahrensschritte vor einem
Untersuchungsausschuß (panel) durchgeführt werden. Dieses Verfahren kann jetzt überdies in
einem Verfahren vor dem als “zweite Instanz” neu eingeführten Berufungsorgan münden.
Daneben stehen den Parteien aber auch besondere Konsultationsverfahren, wie Gute Dienste
(good offices), Streitschlichtung (conciliation) und Vermittlung (mediation) zur Verfügung.
Die Bedeutung des neuen Streitbeilegungsverfahrens für Österreich als stark
außenhandelsabhängigen Kleinstaat ist sehr hoch einzuschätzen. Die damit verbundene
wesentliche Verbesserung der Durchsetzbarkeit von Rechten und Pflichten im Rahmen der
WTO wird einen verstärkten Anreiz zu abkommenskonformem Verhalten für alle WTO -
Mitglieder bieten. Ohne ein derart gestärktes rechtsförmiges Verfahren wäre ein
Überhandnehmen unilateraler Maßnahmen zu befürchten, das im Hinblick auf das ungünstige
Kräfteverhältnis im internationalen Handel, das Wirtschaftsgroßmächte bevorzugt, zu einer
erheblichen Beeinträchtigung der österreichischen Wirtschaftsinteressen und der Interessen
kleinerer Staaten überhaupt führen könnte. Dies bedeutet, dass das neue System nicht zu einer
Verstärkung machtpolitischen Missbrauchs - wie in der Anfragebegründung behauptet -
sondern im Gegenteil zu dessen Eindämmung führt.
Es ist zutreffend, dass es in der jüngsten Zeit auch Kritik am System der Streitregelung
gegeben hat. Doch konnten die meisten Zweifel und Kritikpunkte anläßlich des derzeit in
Durchführung befindlichen Reviews der Vereinbarung über Regeln und Verfahren zur
Streitbeilegung, (,,DSU - Review”) seitens der Europäischen Gemeinschaft und auch von
Österreich anhängig gemacht und thematisiert werden.
Österreichischerseits wurde anläßlich des Reviews zum Ausdruck gebracht, daß sich seiner
Einschätzung nach das Streitbeilegungssystem der WTO in den vergangenen drei Jahren
bewährt hat
und daher nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden sollte.
Nachstehend seien einige von Österreich vorgebrachte Verbesserungsvorschläge zu
Kernpunkten des WTO - Streitbeilegungssystems beispielhaft angeführt:
a) im Zusammenhang mit Konsultationen wäre anzumerken, dass diese in erster Linie den
Parteien dienen, um eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung des Streitfalles zu
erreichen. Die Bedürfnisse der Parteien sind von Fall zu Fall verschieden gelagert und so
ist es auch schwierig, ein “Scheitern” der Konsultationen im Einzelfall festzustellen.
Allfällige Änderungen des Konsultationsmechanismus sollten daher die weitgehende
Privatautonomie der Parteien in diesem Prozeß berücksichtigen, die ein Gegengewicht zu
dem stärker formalisierten Panel - Verfahren darstellt. Dennoch wäre aus österreichischer
Sicht eine gewisse Formalisierung des Konsultationsverfahrens angebracht, um die
betroffenen Parteien stärker als bisher zu zielführenden Verhandlungen und
Kompromisslösungen im beiderseitigen Einverständnis zu bewegen. Bisherige
Konsultationen haben nämlich häufig nur zu sinnlosem Zeitverlust geführt.
b) Die Mitglieder eines Panels werden vom WTO - Sekretariat vorgeschlagen. Die Parteien
können nur aus zwingenden Gründen von einem solchen Vorschlag abweichen. Von
Österreich wurde ein “permanent body of panellists” gefordert, der mehr Konstanz in der
Rechtsprechung garantieren würde. Genauere Verfahrensregelungen wurden gleichfalls
unterstützt.
c) Hinsichtlich der Transparenz der Panelverfahren selbst und des damit verbundenen Rechts
von Verfahrensbeteiligten, von dem Panel gehört zu werden, wurde österreichischerseits
gemeint, daß die Grenze dort zu ziehen wäre, wo in Rechte der Parteien eingegriffen wird
(z.B. IPR oder andere sensible Informationen als Streitgegenstand, die durch
Veröffentlichung mit einer Schädigung von Parteien einher gehen könnten). Die
Einbindung von Verfahrensbeteiligten im Sinne von amicus curiae briefs ist aus
österreichischer Sicht unproblematisch und entspricht einem allgemeinen Trend im
internationalen Wirtschaftsrecht.
In diesem Rahmen könnte ein hohes Maß an Transparenz wesentlich zur besseren Akzeptanz
des Streitbeilegungssystems beitragen Die Forderung nach mehr Transparenz galt aus
österreichischer Sicht insbesondere für den Zugang zu den Entscheidungen des Panels und des
Appellate Body. Während ein via Internet zugänglicher Server der WTO existiert, der die
wichtigsten Entscheidungen im Volltext enthält, wird es mit der Zunahme des Umfanges an
Entscheidungen immer schwieriger, eine gezielte Suche durchzuführen. Die Erstellung einer
Leitsatzkartei wurde dem Rechtsanwender sicherlich den Zugang wesentlich erleichtern.
Schließlich darf darauf hingewiesen werden, dass derzeit Überlegungen angestellt werden, wie
der Zugang von Entwicklungsländern zum Streitbeilegungssystem weiter verbessert werden
kann. Die EU erarbeitet dazu unter Mitarbeit sämtlicher Mitgliedstaaten einschließlich
Österreichs eine Reihe von Vorschlägen.