513/AB

 

 

 

Zu den Fragen 1 und 2:

 

Gerade in der jüngsten Vergangenheit wurden eine Vielzahl von nationalen und

internationalen Bevölkerungsprognosen erstellt und einer breiteren Öffentlichkeit

zugänglich gemacht. Diese Prognosen mögen sich zwar hinsichtlich der getroffenen

Annahmen bezüglich der Prognoseparameter Fertilität, Mortalität und insbesondere

Migration unterscheiden, es bleibt aber die Tatsache bestehen, daß nahezu alle

Länder Europas, also auch Österreich, einem mehr oder minder gleich starken

demographischen Alterungsprozeß - gemessen an der Altenbelastungsquote -

unterliegen. Was die jüngsten demographischen Prognosen für Österreich betrifft,

so erlaube ich mir auf die entsprechenden veröffentlichten Zahlen des Österrei-

chischen Statistischen Zentralamtes (ÖSTAT) zu verweisen.

 

Dessen ungeachtet darf man Aussagen, ,,wonach in 30 Jahren ein Erwerbstätiger

einen Pensionisten erhalten wird müssen", nicht kommentarlos stehen lassen:

 

Eine derartige Aussage impliziert ja, daß man nicht nur nicht ganz genau wei ß, wie

die demographischen Verhältnisse in 30 Jahren sein werden, sondern auch, daß

man schon ganz genau weiß, wie der Arbeitsmarkt - sprich Zahl der Erwerbstätigen

und eventuell auch deren Löhne - beschaffen sein wird. Denn genau die beiden

letztgenannten Punkte zählen zu den maßgeblichen Kriterien für die Finanzierung

des Sozialstaates.

 

Nicht das demographische Verhältnis von Jung und Alt - gemessen etwa an der

Altenbelastungsquote -, noch nicht einmal die Entwicklung der PensionsbeIastungs-

quote - Verhältnis von Beitragszahlern zu Leistungsempfängern - ist der entschei-

dende Faktor für die Finanzierung, sondern die Entwicklung der Volkswirtschaft (u.a.

Bruttoinlandsprodukt, Lohnentwicklung, Produktivitätsentwicklung).

 

Die entscheidenste Aufgabe für die Politik besteht daher darin, sicherzustellen, daß,

wie in der Vergangenheit, auch in der Zukunft Wachstum, Beschäftigung und Wett-

bewerbsfähigkeit ausreichend vorhanden sind.

 

 

Zu Frage 3:

 

ln der Begründung zur Anfrage wurde bereits angeführt, daß die Koalitionsparteien

sich zum Ziel gesetzt haben, das effektive Pensionsantrittsalter an das gesetzliche

anzunähern. Maßnahmen, um dieses Ziel zu erreichen, wie aber auch eine Vielzahl

anderer Maßnahmen zur Sicherstellung der Finanzierung der Pensionen finden sich

bereits in der 51 . Novelle zum ASVG und in den Strukturanpassungsgesetzen 1995

und 1996. Besonders hervorzuheben ist dabei die besonders langfristig wirksame

Einführung der Nettoanpassung. Allerdings muß die Frage des Pensionsantritts-

alters auch vor dem Hintergrund der Situation auf dem Arbeitsmarkt (z. B. Jugend-

arbeitslosigkeit) und im Zusammenhang mit der Beschäftigungspolitik gesehen

werden. Längerfristig sind auch neue Modelle einer flexibleren Gestaltung der

Lebensarbeitszeit auszuarbeiten.

 

Auch in Zukunft wird die Pensionsversicherung durch maßvolle Adaptierungsschritte

an die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung anzupassen sein. Der große

Vorteil unseres Systems ist die Flexibilität der Bestimmungen, die eine fließende

Anpassung ermöglicht.

 

Keine Lösung allerdings zur langfristigen Sicherung der Pensionsfinanzierung ist der

insbesondere von der Privatversicherung geforderte Umstieg auf ein Mehrsäulen-

modell mit wesentlicher Abdeckung durch ein Kapitaldeckungsverfahren. Zum einen

sind kapitalgedeckte Pensionssysteme, wie jüngste Studien zeigen, genausowenig

demographieresistent wie ein Umlagesystem, da auch diese Systeme von den

demographischen Verhältnissen mitbeeinflußt werden, zum anderen würde bei

einem derartigen abrupten Umstieg eine Generation doppelt betroffen. Denn sie

müßte im Umlageverfahren die Pensionen derer, die bereits in Pension sind,

weiterfinanzieren und zugleich im Wege des Kapitaldeckungssystems für ihre

eigene Pension ansparen.

 

 

Ein verstärkter Ausbau der betrieblichen Altersvorsorge (2. Säule) im Wege von

Pensionskassen bzw. Betriebspensionen würde in erster Linie den Beschäftigten

großer Betriebe zugute kommen. Wenn durch den Ausbau der 2. Säule auf die

gesetzliche Altersversorgung dahingehend ein Druck entstehen würde, nur mehr

eine Grundversorgung zu gewähren, wären Beschäftigte kleinerer und mittlerer

Betriebe insofern benachteiligt, als sie von der betrieblichen Altersvorsorge weniger

profitieren.

 

 

Da wir in einer äußerst dynamischen Gesellschaft leben und somit die Rahmen-

bedingungen für das Pensionssystem einem permanenten Wandel unterzogen sind,

führt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales immer wieder Studien über die

Finanzierung der Pensionsversicherung durch bzw. gibt solche in Auftrag: So wurde

kürzlich das Angebot des Ludwig Boltzmann lnstituts für Wachstumgsforschung,

eine aktuelle tiefgreifende Studie über die längerfristigen Aspekte der Finanzierung

des Pensionssystems zu erstellen, aufgegriffen und entsprechende Forschungs-

aufträge wurden vergeben: Dabei solIen unter besonderer Berücksichtigung der

engen lnterdependenzen zwischen Pensionsversicherung und Arbeitsmarkt Hand-

lungsspielräume und -optionen aufgezeigt und bezüglich ihrer Vor- und Nachteile

finanziell bewertet werden. Die Ergebnisse dieser Studie sollen bis Jahresende vor-

liegen.

 

 

Zu den Fragen 4 bis 7:

 

lm Lichte des bisher Gesagten ist auch die Beantwortung der Fragen 4 bis 7 zu

sehen:

 

lm Zuge der Relativierung der Entwicklung der demographischen Verhältnisse ver-

liert zum einen diese Frage an Bedeutung und ist zum anderen ohne exakte Kennt-

nisse der zukünftigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auch nicht beantwort-

bar. Darüber hinaus ist nebenbei bemerkt, die Frage 4 unpräzis formuliert, da aus ihr

nicht einmal hervorgeht, in welcher Form der Bundesbeitrag konstant gehalten

 

werden sollte, nämlich absolut oder relativ (in Prozent der Pensionsaufwendungen?,

in Prozent des Bundeshaushaltes?, in Prozent des BIP?).

 

Die in diesen Fragen zutagetretende Zuspitzung auf zwei Finanzierungsalternati-

ven - höherer Bundesbeitrag versus höhere Beitragssätze - läßt bereits jetzt schon

im europäischen Rahmen diskutierte andere zusätzliche Finanzierungsmodelle

außer acht:

 

Gerade in Zeiten eines rapide vor sich gehenden wirtschaftlichen und gesellschaft-

lichen Umbruches ist es notwendig, auch andere Möglichkeiten zu diskutieren. lm

Wei ßbuch der Europäischen Union über ,,Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und

Beschäftigung" wurde daher u.a. das Thema behandelt, wie diese Ziele nachhaltig

erreicht werden können, ohne gleichzeitig die Finanzierung des Sozialstaates in

Frage zu stellen.

 

Obwohl die Diskussion darüber erst am Beginn steht und auch im internationalen

Kontext betrachtet werden muß, wird es in Hinkunft vermehrt notwendig sein, alter-

native Finanzierungskonzepte wie etwa Ökosteuern zu diskutieren und auf ihre Vor-

und Nachteile hin zu untersuchen.

 

Dies nicht nur vor dem Hintergrund der Finanzierung des Pensionssystems, sondern

aus aktuellen Bezügen auch vor dem Hintergrund der Lohnnebenkostendiskussion.