523/AB
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Brigitte Ederer und Genossen haben an
mich eine schriftliche Anfrage, betreffend Verbreitung von neonazistischem Gedan-
kengut über lnternet und WorldWideWeb, gerichtet und folgende Fragen gestellt:
''1 . ln wie vielen Fällen kam es wegen der Verbreitung von neonazistischem Ge-
dankengut über die Dienste des Internet zu Aktivitäten der StaatsanwaItschaft?
2. ln wie vielen FälIen hat die Staatsanwaltschaft soIche Verfahren eingestelIt und
was war die Begründung dafür?
3. In wie vielen FäIlen davon kam es zu rechtskräftigen gerichtIichen Verurteilun-
gen?
4. Wie ist lhre Einschätzung der derzeit geltenden Rechtslage hinsichtlich jener
Rechtsfragen, die durch diese neuen Informations- und Kommunikationsfor-
men entstehen?''
lch beantworte diese Fragen wie folgt:
Zu 1 und 2:
Die im Umfrageweg befaßten StaatsanwaItschaften berichteten über bisher insge-
samt fünf Vorgänge wegen der Verbreitung von neonazistischem Gedankengut über
lnternet und WorldWideWeb.
ln einem Fall wurde die Anzeige gemäß § 90 Abs. 1 StPO wegen Zurechnungsunfä-
higkeit des Angezeigten zurückgelegt. ln einem anderen Fall wurde das Verfahren
gemäß § 41 2 StPO vorläufig eingestellt (abgebrochen), weil der ausländische Ab-
sender nicht greifbar ist und daher im Inland nicht vor Gericht gestellt werden kann.
Zu einer von einer Staatsanwaltschaft zunächst infolge angenommenen Mangels
am Tatbestand zurückgelegten Anzeige wurde in der Folge (auf Grund einer Wei-
sung) das Verfahren fortgesetzt und von der Staatsanwaltschaft die Einleitung der
Voruntersuchung wegen des Verdachts nach § 3g VerbotsG, in eventu § 3h Ver-
botsG und § 283 StGB, beantragt. Dieses Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Offen sind auch noch die Strafverfahren in zwei weiteren Fällen.
Zu 3:
lm Zusammenhang mit der Verbreitung von neonazistischem Gedankengut über
Internet und WorldWideWeb ist es bisher zu keiner gerichtlichen VerurteiIung ge-
kommen. Wie zu 1 und 2 bereits erwähnt, sind derzeit drei Strafverfahren zu sol-
chen SachverhaIten anhängig.
Zu 4:
Die materiellrechtlichen Straftatbestände gelten grundsätzIich auch für die Verbrei-
tung strafrechtswidriger lnhalte über moderne lnformations- und Kommunikations-
technologien wie lnternet und WorldWideWeb. Solche öffentlich zugänglichen Netz-
systeme unterliegen auch dem Medienbegriff des § 1 Abs. 1 Z 1 des Mediengeset-
zes. Allein durch die Verwendung derartiger Technologien zum Zweck des Trans-
ports und der Verbreitung strafrechtswidriger (insbesondere auch neonazistischer)
InhaIte ergeben sich für die strafrechtliche Beurteilung somit keine Besonderheiten.
Der Urheber soIcher Netzwerkinhalte ist ebenso wie bei anderen Medien strafrecht-
lich verahtwortlich. Delikte dieser Art sind Medieninhaltsdelikte.
Im Zusammenhang mit der Verbreitung neonazistischen Gedankengutes über Kom-
munikationsnetze kommen insbesondere die gerichtlichen Strafbestimmungen des
Verbotsgesetzes und die subsidiär anwendbare verwaltungsstrafrechtIiche Bestim-
mung des Artikel lX Abs. 1 Z 7 EGVG in Betracht. Insbesondere der durch die Ver-
botsgesetz-NoveIIe 1992 eingeführte Tatbestand des § 3h bietet im Hinblick auf die
dort vorgesehenen Begehungsmittel (''in einem Medium'' bzw.,,sonst öffentlich'') eine
geeignete Handhabe, die in der Leugnung oder Verharmlosung nationalsoziaIisti-
scher Verbrechen bestehende Verbreitung rechtsextremen Gedankengutes in Com-
puternetzen - auch unabhängig von Wiederbetätigungstendenzen - strafrechtlich zu
verfolgen. Daneben können auch aIlgemeine Strafbestimmungen zum Tragen kom-
men, wie die Bestimmungen der §§ 281 ("Aufforderung zum Ungehorsam gegen
Gesetze''), 282 (''Aufforderung zu mit Strafe bedrohten Handlungen und Guthei ßung
mit Strafe bedrohter HandIungen") und 283 StGB (''Verhetzung") sowie die Verwal-
tungsstrafbestimmung des Artikel lX Abs. 1 Z 6 EGVG, da die Verbreitung von lnhal-
ten in offenen Kommunikationsnetzen iedenfalls das dort jeweils vorgesehene Tat-
bestandsmerkmaI der ,,Öffentlichkeit" erfüllt.
Die geltenden Strafbestimmungen gegen die Verbreitung neonazistischen Gedan-
kengutes steIIen somit durchaus auch eine geeignete Grundlage für die strafrechtli-
che Verfolgung der Verbreitung solcher Inhalte über Datennetze dar. Im Hinblick auf
den weiten Tatortbegriff des § 67 Abs. 2 StGB wird die Zuständigkeit der österreichi-
schen Gerichte zur Strafverfolgung in der Regel auch dann gegeben sein, wenn der
Urheber eines strafrechtswidrigen Netzinhaltes aus dem Ausland tätig wird. Für eine
wirksame grenzüberschreitende Strafverfolgung wäre allerdings eine Harmonisie-
rung der einschlägigen materiellen Straftatbestände in den einzelnen Staaten erfor-
derlich. Einen wesentlichen Schritt in Richtung einer effektiveren grenzüberschrei-
tenden Verfolgung von Straftaten mit rassistischem oder fremdenfeindlichem Hinter-
grund im Bereich der Europäischen Union bildet die ''Gemeinsame Maßnahme be-
treffend die Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit'', über die im Rat
bei der Tagung am 19. und 20. März 1996 politisches Einvernehmen erzieIt wurde.
Damit werden die Mitgliedstaaten verpfIichtet, bestimmte Verhaltensweisen, etwa
die öffentliche Weitergabe und Verbreitung von Schriften sowie von Bild- oder son-
stigem Material mit rassistischen oder fremdenfeindlichen lnhalten, entweder unter
Strafandrohung zu stellen oder in diesen Fällen vom Grundsatz der beiderseitigen
Strafbarkeit abzugehen.
lm Zusammenhang mit den neuen lnformations- und Kommunikationstechnologien
stellen sich aus meinem Vollziehungsbereich auch vertrags-, verbraucherschutz-
und urheberrechtliche Fragen. Da diese jedoch offenbar nicht im Mittelpunkt der An
frage stehen, verweise ich hiezu auf die beiliegende, im Rahmen der Regierungs-
initiative ''Österreichs Weg in die lnformationsgesellschaft'' an das Bundeskanzler-
amt erstattete Stellungnahme des Bundesministeriums für Justiz vom 24. Jänner
1996, in der diese zivilrechtlichen Fragen überblickartig behandelt wurden.